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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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bei Tage gewesen, so hätte man es ihm wohl ange¬
sehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug
den Hut vom Kopfe gestoßen habe, daß er nicht selten
der ausgefahrenen Heerstraße aus dem Wege gegangen
sei und einen Umweg durch die Wildniß nicht gescheut
habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen
Aufenthalt auf seinem Marsche auszuweichen.

Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von
Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den
Freiwilligen von Austrasien zum Führer brauchen
wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächsten Baum
zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen.
Auf Stunden Weges wenigstens hatte er, wie er ver¬
meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter sich ge¬
lassen; und seine blauen, grünen und gelben Dragoner
oft recht nahe auf den Fersen gehabt. Wie konnte der
Holzmindensche Schüler genau wissen, wo der große
französische Oberfeldherr in diesen Tagen sich persön¬
lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberstein hatte
er aber seinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬
gegeben und sich ganz im Walde verloren. Verloren?
das nun wohl nicht im wörtlichsten Sinne des Wortes.
Dazu kannte er -- leidergottes -- das Revier zu
gut als der schlimmste nächtliche Wilderer der Sekunda
und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloster¬
schule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des
Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich
gar kein Wunder, da ihm die Büchsenkugeln der herzoglich

bei Tage geweſen, ſo hätte man es ihm wohl ange¬
ſehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug
den Hut vom Kopfe geſtoßen habe, daß er nicht ſelten
der ausgefahrenen Heerſtraße aus dem Wege gegangen
ſei und einen Umweg durch die Wildniß nicht geſcheut
habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen
Aufenthalt auf ſeinem Marſche auszuweichen.

Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von
Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den
Freiwilligen von Auſtraſien zum Führer brauchen
wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächſten Baum
zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen.
Auf Stunden Weges wenigſtens hatte er, wie er ver¬
meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter ſich ge¬
laſſen; und ſeine blauen, grünen und gelben Dragoner
oft recht nahe auf den Ferſen gehabt. Wie konnte der
Holzmindenſche Schüler genau wiſſen, wo der große
franzöſiſche Oberfeldherr in dieſen Tagen ſich perſön¬
lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberſtein hatte
er aber ſeinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬
gegeben und ſich ganz im Walde verloren. Verloren?
das nun wohl nicht im wörtlichſten Sinne des Wortes.
Dazu kannte er — leidergottes — das Revier zu
gut als der ſchlimmſte nächtliche Wilderer der Sekunda
und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloſter¬
ſchule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des
Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich
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[86/0094] bei Tage geweſen, ſo hätte man es ihm wohl ange¬ ſehen, daß ihm das Gezweig im Dickicht häufig genug den Hut vom Kopfe geſtoßen habe, daß er nicht ſelten der ausgefahrenen Heerſtraße aus dem Wege gegangen ſei und einen Umweg durch die Wildniß nicht geſcheut habe, um einem unnöthigen oder gar niederträchtigen Aufenthalt auf ſeinem Marſche auszuweichen. Mehr denn einmal hatte ihn das Marodevolk von Auvergne, Pikardie, oder hatten ihn welche von den Freiwilligen von Auſtraſien zum Führer brauchen wollen; doch auf die Gefahr hin, am nächſten Baum zu baumeln, war er den Zumuthungen entgangen. Auf Stunden Weges wenigſtens hatte er, wie er ver¬ meinte, den Herrn Herzog von Broglio hinter ſich ge¬ laſſen; und ſeine blauen, grünen und gelben Dragoner oft recht nahe auf den Ferſen gehabt. Wie konnte der Holzmindenſche Schüler genau wiſſen, wo der große franzöſiſche Oberfeldherr in dieſen Tagen ſich perſön¬ lich aufhielt? Hinter Lobach unter dem Eberſtein hatte er aber ſeinetwegen jeden gebahnten Weg ganz auf¬ gegeben und ſich ganz im Walde verloren. Verloren? das nun wohl nicht im wörtlichſten Sinne des Wortes. Dazu kannte er — leidergottes — das Revier zu gut als der ſchlimmſte nächtliche Wilderer der Sekunda und der Prima der frommen und hochgelahrten Kloſter¬ ſchule von Amelungsborn. Daß er dem Strick des Herrn Generals von Poyanne entging, war eigentlich gar kein Wunder, da ihm die Büchſenkugeln der herzoglich

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/94>, abgerufen am 28.03.2024.