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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751.

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Beytrag


Deutsch

ist ein Schimpfwort. Die Franzosen sprechen:
Er hat den Fehler, daß er ein Deutscher
ist.
Denn, wie bey vielen Franzosen der Verstand
überhaupt sehr sonderbar, und merkwürdig ist: So
haben sie gefunden, daß alle die, welche disseits
des Rheins gebohren sind, weder witzig, noch
tapfer, und also gute ehrliche Menschengesichter,
mit einem Worte, Deutsche, sind.

Es klingt alles so gar deutsch in seinen
Versen,
ist der tiefsinnige Machtspruch, den über
deutsche Gedichte gemeiniglich diejenigen fällen,
welche bey ihren Französinnen zur Noth so viel ge-
lernt haben, daß sie die Uetrechter Zeitungen expo-
niren können.

Jch kenne Leute, welche gern ihren halben Ver-
stand darum geben würden, wenn sie keine Deutsche,
sondern unter dem Consulate des Cicero in Rom
geboren wären. Jhnen kömmt nichts so lächer-
lich vor, als die Bemühung, in der deutschen
Sprache Donatschnitzer zu vermeiden. Den, der
sich Mühe giebt, zierlich und regelmäßig deutsch
zu schreiben, können sie, ihrer Meynung nach, nicht
ärger beschimpfen, als wenn sie ihn einen deut-
schen Michel
heißen. Dieses Wort begreift
nach ihrer Grammatik wenigstens eben so viel

Schan-
Beytrag


Deutſch

iſt ein Schimpfwort. Die Franzoſen ſprechen:
Er hat den Fehler, daß er ein Deutſcher
iſt.
Denn, wie bey vielen Franzoſen der Verſtand
uͤberhaupt ſehr ſonderbar, und merkwuͤrdig iſt: So
haben ſie gefunden, daß alle die, welche diſſeits
des Rheins gebohren ſind, weder witzig, noch
tapfer, und alſo gute ehrliche Menſchengeſichter,
mit einem Worte, Deutſche, ſind.

Es klingt alles ſo gar deutſch in ſeinen
Verſen,
iſt der tiefſinnige Machtſpruch, den uͤber
deutſche Gedichte gemeiniglich diejenigen faͤllen,
welche bey ihren Franzoͤſinnen zur Noth ſo viel ge-
lernt haben, daß ſie die Uetrechter Zeitungen expo-
niren koͤnnen.

Jch kenne Leute, welche gern ihren halben Ver-
ſtand darum geben wuͤrden, wenn ſie keine Deutſche,
ſondern unter dem Conſulate des Cicero in Rom
geboren waͤren. Jhnen koͤmmt nichts ſo laͤcher-
lich vor, als die Bemuͤhung, in der deutſchen
Sprache Donatſchnitzer zu vermeiden. Den, der
ſich Muͤhe giebt, zierlich und regelmaͤßig deutſch
zu ſchreiben, koͤnnen ſie, ihrer Meynung nach, nicht
aͤrger beſchimpfen, als wenn ſie ihn einen deut-
ſchen Michel
heißen. Dieſes Wort begreift
nach ihrer Grammatik wenigſtens eben ſo viel

Schan-
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[210/0210] Beytrag Deutſch iſt ein Schimpfwort. Die Franzoſen ſprechen: Er hat den Fehler, daß er ein Deutſcher iſt. Denn, wie bey vielen Franzoſen der Verſtand uͤberhaupt ſehr ſonderbar, und merkwuͤrdig iſt: So haben ſie gefunden, daß alle die, welche diſſeits des Rheins gebohren ſind, weder witzig, noch tapfer, und alſo gute ehrliche Menſchengeſichter, mit einem Worte, Deutſche, ſind. Es klingt alles ſo gar deutſch in ſeinen Verſen, iſt der tiefſinnige Machtſpruch, den uͤber deutſche Gedichte gemeiniglich diejenigen faͤllen, welche bey ihren Franzoͤſinnen zur Noth ſo viel ge- lernt haben, daß ſie die Uetrechter Zeitungen expo- niren koͤnnen. Jch kenne Leute, welche gern ihren halben Ver- ſtand darum geben wuͤrden, wenn ſie keine Deutſche, ſondern unter dem Conſulate des Cicero in Rom geboren waͤren. Jhnen koͤmmt nichts ſo laͤcher- lich vor, als die Bemuͤhung, in der deutſchen Sprache Donatſchnitzer zu vermeiden. Den, der ſich Muͤhe giebt, zierlich und regelmaͤßig deutſch zu ſchreiben, koͤnnen ſie, ihrer Meynung nach, nicht aͤrger beſchimpfen, als wenn ſie ihn einen deut- ſchen Michel heißen. Dieſes Wort begreift nach ihrer Grammatik wenigſtens eben ſo viel Schan-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 2. Leipzig, 1751, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung02_1751/210>, abgerufen am 18.04.2024.