Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Versteht man darunter jene verfeinerte Sinnlichkeit, die den unnennbaren Moment weit hinaussetzt, um sich länger in der Spannung gereitzter Lüsternheit zu fühlen, und dadurch zugleich alle Freuden zu erhöhen, welche der Umgang mit einer Person von verschiedenem Geschlechte gewähren kann; so ist offenbar diese eigennützige Anschließung an eine Person vom andern Geschlechte, welche nur als ein Mittel zur Verbesserung eines einseitigen Genusses betrachtet wird, so wenig zur Liebe zu rechnen, als rein von körperlichen Begierden.

Versteht man aber darunter jene Besessenheit der Seele, worin der Begeisterte den Stoff zu einem Ideale von Vollkommenheit, Adel und Schönheit von einer Person vom andern Geschlecht abnimmt, und, unbekümmert um ihre Selbständigkeit, und die wahren Verhältnisse, worin er sich zu ihr befindet, - mithin auch unbekümmert um ihren Körper - sich nur mit dem Bilde seiner Phantasie zu vereinigen strebt; so gehört ein solches beschauendes Verhältniß, worin wieder die Person nur als ein Mittel betrachtet wird, einen einseitigen Genuß zu erhöhen, gleichfalls nicht zur Liebe.

Versteht man aber darunter überhaupt ein Verhältniß, wobey die Geschlechtssympathie sich nicht durch grobe Symptome äußert, worin der unnennbare Trieb abgeleitet oder unterdrückt wird; so kann unter gewissen Bedingungen, die ich gleich angeben werde, ein solches Verhältniß Liebe seyn. Aber Seelenliebe, in dem Sinne, daß der Körper gar nicht dabey interessiert wäre, kann ich es nicht nennen. Der Körper spielt allerdings eine wichtige Rolle dabey mit, nur äußert er diese nicht durch bestimmte Begierden nachdem unnennbaren Genuß, nicht durch grobe Symptome des unnennbaren Triebes.

Versteht man darunter jene verfeinerte Sinnlichkeit, die den unnennbaren Moment weit hinaussetzt, um sich länger in der Spannung gereitzter Lüsternheit zu fühlen, und dadurch zugleich alle Freuden zu erhöhen, welche der Umgang mit einer Person von verschiedenem Geschlechte gewähren kann; so ist offenbar diese eigennützige Anschließung an eine Person vom andern Geschlechte, welche nur als ein Mittel zur Verbesserung eines einseitigen Genusses betrachtet wird, so wenig zur Liebe zu rechnen, als rein von körperlichen Begierden.

Versteht man aber darunter jene Besessenheit der Seele, worin der Begeisterte den Stoff zu einem Ideale von Vollkommenheit, Adel und Schönheit von einer Person vom andern Geschlecht abnimmt, und, unbekümmert um ihre Selbständigkeit, und die wahren Verhältnisse, worin er sich zu ihr befindet, – mithin auch unbekümmert um ihren Körper – sich nur mit dem Bilde seiner Phantasie zu vereinigen strebt; so gehört ein solches beschauendes Verhältniß, worin wieder die Person nur als ein Mittel betrachtet wird, einen einseitigen Genuß zu erhöhen, gleichfalls nicht zur Liebe.

Versteht man aber darunter überhaupt ein Verhältniß, wobey die Geschlechtssympathie sich nicht durch grobe Symptome äußert, worin der unnennbare Trieb abgeleitet oder unterdrückt wird; so kann unter gewissen Bedingungen, die ich gleich angeben werde, ein solches Verhältniß Liebe seyn. Aber Seelenliebe, in dem Sinne, daß der Körper gar nicht dabey interessiert wäre, kann ich es nicht nennen. Der Körper spielt allerdings eine wichtige Rolle dabey mit, nur äußert er diese nicht durch bestimmte Begierden nachdem unnennbaren Genuß, nicht durch grobe Symptome des unnennbaren Triebes.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0108" n="108"/>
          <p>Versteht man darunter jene verfeinerte Sinnlichkeit, die den unnennbaren Moment weit hinaussetzt, um sich länger in der Spannung gereitzter Lüsternheit zu fühlen, und dadurch zugleich alle Freuden zu erhöhen, welche der Umgang mit einer Person von verschiedenem Geschlechte gewähren kann; so ist offenbar diese eigennützige Anschließung an eine Person vom andern Geschlechte, welche nur als ein Mittel zur Verbesserung eines einseitigen Genusses betrachtet wird, so wenig zur Liebe zu rechnen, als rein von körperlichen Begierden.</p>
          <p>Versteht man aber darunter jene Besessenheit der Seele, worin der Begeisterte den Stoff zu einem Ideale von Vollkommenheit, Adel und Schönheit von einer Person vom andern Geschlecht abnimmt, und, unbekümmert um ihre Selbständigkeit, und die wahren Verhältnisse, worin er sich zu ihr befindet, &#x2013; mithin auch unbekümmert um ihren Körper &#x2013; sich nur mit dem Bilde seiner Phantasie zu vereinigen strebt; so gehört ein solches beschauendes Verhältniß, worin wieder die Person nur als ein Mittel betrachtet wird, einen einseitigen Genuß zu erhöhen, gleichfalls nicht zur Liebe.</p>
          <p>Versteht man aber darunter überhaupt ein Verhältniß, wobey die Geschlechtssympathie sich nicht durch grobe Symptome äußert, worin der unnennbare Trieb abgeleitet oder unterdrückt wird; so kann unter gewissen Bedingungen, die ich gleich angeben werde, ein solches Verhältniß <hi rendition="#g">Liebe</hi> seyn. Aber Seelenliebe, in dem Sinne, daß der Körper gar nicht dabey interessiert wäre, kann ich es nicht nennen. Der Körper spielt allerdings eine wichtige Rolle dabey mit, nur äußert er diese nicht durch bestimmte Begierden nachdem unnennbaren Genuß, nicht durch grobe Symptome des unnennbaren Triebes.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[108/0108] Versteht man darunter jene verfeinerte Sinnlichkeit, die den unnennbaren Moment weit hinaussetzt, um sich länger in der Spannung gereitzter Lüsternheit zu fühlen, und dadurch zugleich alle Freuden zu erhöhen, welche der Umgang mit einer Person von verschiedenem Geschlechte gewähren kann; so ist offenbar diese eigennützige Anschließung an eine Person vom andern Geschlechte, welche nur als ein Mittel zur Verbesserung eines einseitigen Genusses betrachtet wird, so wenig zur Liebe zu rechnen, als rein von körperlichen Begierden. Versteht man aber darunter jene Besessenheit der Seele, worin der Begeisterte den Stoff zu einem Ideale von Vollkommenheit, Adel und Schönheit von einer Person vom andern Geschlecht abnimmt, und, unbekümmert um ihre Selbständigkeit, und die wahren Verhältnisse, worin er sich zu ihr befindet, – mithin auch unbekümmert um ihren Körper – sich nur mit dem Bilde seiner Phantasie zu vereinigen strebt; so gehört ein solches beschauendes Verhältniß, worin wieder die Person nur als ein Mittel betrachtet wird, einen einseitigen Genuß zu erhöhen, gleichfalls nicht zur Liebe. Versteht man aber darunter überhaupt ein Verhältniß, wobey die Geschlechtssympathie sich nicht durch grobe Symptome äußert, worin der unnennbare Trieb abgeleitet oder unterdrückt wird; so kann unter gewissen Bedingungen, die ich gleich angeben werde, ein solches Verhältniß Liebe seyn. Aber Seelenliebe, in dem Sinne, daß der Körper gar nicht dabey interessiert wäre, kann ich es nicht nennen. Der Körper spielt allerdings eine wichtige Rolle dabey mit, nur äußert er diese nicht durch bestimmte Begierden nachdem unnennbaren Genuß, nicht durch grobe Symptome des unnennbaren Triebes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/108
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/108>, abgerufen am 19.04.2024.