Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Fähigkeiten und Neigungen auf gemeinschaftlichen Beytrag zur Belustigung durch den Austausch der Gedanken und Gefühle rechnen, diesen Beytrag gehörig zu liefern.

Ob diese Gabe der geselligen Unterhaltung gleich oft mit der Urbanität vereinigt zu seyn pflegt, so ist sie doch nicht unmittelbar mit ihr verbunden. Man kann urban seyn, und diese Gabe in keinem hohen Grade besitzen; man kann sehr unterhaltend, und nicht sonderlich urban seyn. Beydes setzt verschiedene Anlagen und eine verschiedene Ausbildung zum Voraus. Mancher Hofmann ist langweilig, mancher Schönsprecher ist ungezogen.

Der unterhaltende Mann will belustigen: das heißt, andern durch das angenehme Bewußtseyn der Wirksamkeit ihrer Seelenkräfte, ohne mühsame Anstrengung, die Zeit vertreiben. Er muß die Langeweile verscheuchen, welche Folge der Aufmerksamkeit auf den unthätigen Zustand unsers Geistes ist; er muß das Bewußtseyn einer ernsthaften Arbeit entfernt halten, welche nur das Vorgefühl eines Bedürfnisses, eines Berufs, eines weiterliegenden Zwecks erträglich oder wohlgefällig machen kann, und welche mit der Bestimmung dieser Art von Zusammenkünften streitet.

Aber der Zirkel den er belustigen will, ist gemischt: er besteht aus Menschen von verschiedenen Neigungen und Fähigkeiten; daher können die Verhältnisse einer genaueren Bekanntschaft oder einer engeren Verbindung eben so wenig den Stoff zu dieser Belustigung hergeben, als Gegenstände, deren Kenntniß und Interesse von einer besondern Richtung des Geschmacks, und einer seltenen

Fähigkeiten und Neigungen auf gemeinschaftlichen Beytrag zur Belustigung durch den Austausch der Gedanken und Gefühle rechnen, diesen Beytrag gehörig zu liefern.

Ob diese Gabe der geselligen Unterhaltung gleich oft mit der Urbanität vereinigt zu seyn pflegt, so ist sie doch nicht unmittelbar mit ihr verbunden. Man kann urban seyn, und diese Gabe in keinem hohen Grade besitzen; man kann sehr unterhaltend, und nicht sonderlich urban seyn. Beydes setzt verschiedene Anlagen und eine verschiedene Ausbildung zum Voraus. Mancher Hofmann ist langweilig, mancher Schönsprecher ist ungezogen.

Der unterhaltende Mann will belustigen: das heißt, andern durch das angenehme Bewußtseyn der Wirksamkeit ihrer Seelenkräfte, ohne mühsame Anstrengung, die Zeit vertreiben. Er muß die Langeweile verscheuchen, welche Folge der Aufmerksamkeit auf den unthätigen Zustand unsers Geistes ist; er muß das Bewußtseyn einer ernsthaften Arbeit entfernt halten, welche nur das Vorgefühl eines Bedürfnisses, eines Berufs, eines weiterliegenden Zwecks erträglich oder wohlgefällig machen kann, und welche mit der Bestimmung dieser Art von Zusammenkünften streitet.

Aber der Zirkel den er belustigen will, ist gemischt: er besteht aus Menschen von verschiedenen Neigungen und Fähigkeiten; daher können die Verhältnisse einer genaueren Bekanntschaft oder einer engeren Verbindung eben so wenig den Stoff zu dieser Belustigung hergeben, als Gegenstände, deren Kenntniß und Interesse von einer besondern Richtung des Geschmacks, und einer seltenen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0232" n="232"/>
Fähigkeiten und Neigungen auf gemeinschaftlichen Beytrag zur Belustigung durch den Austausch der Gedanken und Gefühle rechnen</hi>, <hi rendition="#g">diesen Beytrag gehörig zu liefern</hi>.</p>
          <p>Ob diese Gabe der geselligen Unterhaltung gleich oft mit der Urbanität vereinigt zu seyn pflegt, so ist sie doch nicht unmittelbar mit ihr verbunden. Man kann urban seyn, und diese Gabe in keinem hohen Grade besitzen; man kann sehr unterhaltend, und nicht sonderlich urban seyn. Beydes setzt verschiedene Anlagen und eine verschiedene Ausbildung zum Voraus. Mancher Hofmann ist langweilig, mancher Schönsprecher ist ungezogen.</p>
          <p>Der unterhaltende Mann will belustigen: das heißt, andern durch das angenehme Bewußtseyn der Wirksamkeit ihrer Seelenkräfte, ohne mühsame Anstrengung, die Zeit vertreiben. Er muß die Langeweile verscheuchen, welche Folge der Aufmerksamkeit auf den unthätigen Zustand unsers Geistes ist; er muß das Bewußtseyn einer ernsthaften Arbeit entfernt halten, welche nur das Vorgefühl eines Bedürfnisses, eines Berufs, eines weiterliegenden Zwecks erträglich oder wohlgefällig machen kann, und welche mit der Bestimmung dieser Art von Zusammenkünften streitet.</p>
          <p>Aber der Zirkel den er belustigen will, ist gemischt: er besteht aus Menschen von verschiedenen Neigungen und Fähigkeiten; daher können die Verhältnisse einer genaueren Bekanntschaft oder einer engeren Verbindung eben so wenig den Stoff zu dieser Belustigung hergeben, als Gegenstände, deren Kenntniß und Interesse von einer besondern Richtung des Geschmacks, und einer seltenen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0232] Fähigkeiten und Neigungen auf gemeinschaftlichen Beytrag zur Belustigung durch den Austausch der Gedanken und Gefühle rechnen, diesen Beytrag gehörig zu liefern. Ob diese Gabe der geselligen Unterhaltung gleich oft mit der Urbanität vereinigt zu seyn pflegt, so ist sie doch nicht unmittelbar mit ihr verbunden. Man kann urban seyn, und diese Gabe in keinem hohen Grade besitzen; man kann sehr unterhaltend, und nicht sonderlich urban seyn. Beydes setzt verschiedene Anlagen und eine verschiedene Ausbildung zum Voraus. Mancher Hofmann ist langweilig, mancher Schönsprecher ist ungezogen. Der unterhaltende Mann will belustigen: das heißt, andern durch das angenehme Bewußtseyn der Wirksamkeit ihrer Seelenkräfte, ohne mühsame Anstrengung, die Zeit vertreiben. Er muß die Langeweile verscheuchen, welche Folge der Aufmerksamkeit auf den unthätigen Zustand unsers Geistes ist; er muß das Bewußtseyn einer ernsthaften Arbeit entfernt halten, welche nur das Vorgefühl eines Bedürfnisses, eines Berufs, eines weiterliegenden Zwecks erträglich oder wohlgefällig machen kann, und welche mit der Bestimmung dieser Art von Zusammenkünften streitet. Aber der Zirkel den er belustigen will, ist gemischt: er besteht aus Menschen von verschiedenen Neigungen und Fähigkeiten; daher können die Verhältnisse einer genaueren Bekanntschaft oder einer engeren Verbindung eben so wenig den Stoff zu dieser Belustigung hergeben, als Gegenstände, deren Kenntniß und Interesse von einer besondern Richtung des Geschmacks, und einer seltenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/232
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/232>, abgerufen am 28.03.2024.