Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn du sprichst, o! so laß dein Herz reden, und den Sinn des Edeln und Schönen über deinen Ausdruck wachen!

Nur dem Kärner kann es hingehen, wenn er seine ausgelöschte Pfeife an den blitzenden Augen der Herzogin wieder anzustecken wünscht. Nur die eitle Elisabeth kann es wohl nehmen, wenn der Holländer eine Nacht in ihren Armen mit seinem Leben zu erkaufen bereit ist! Du wirst der Geliebten sagen, daß sie andern ihre todte Form leihen könne, und daß dich noch der bloße Ausdruck ihrer Seele bezaubern würde! Du wirst ihr sagen, daß ihr Herz und ihr Schönheitssinn sich in jeder ihrer Bewegungen mahle, daß man sich ihr mit Staunen nahe, aber sie mit Rührung verlasse! Du wirst es ihr in Augenblicken sagen, worin sich ihre Gestalt am vortheilhaftesten zeigt, worin sie sich selbst ihrer Reitze bewußt seyn kann; das Zusammentreffen eures beyderseitigen Urtheils wird ihr Gewähr für deinen Geschmack und deine Wahrheitsliebe leisten, und du wirst sicher seyn zu überzeugen.

Höheren Werth lege auf ihre Talente! Aber lobe so, daß sie Werth auf deinen Beyfall legen kann! Zeige, daß du Gefühl für die Eigenthümlichkeit ihres Geistes, für die Zartheit der Empfindung hast, die sie in alles bringt, was sie angreift. Nur dasjenige Lob kann rühren, was Kenntniß des Lobenswerthen zeigt! Verschwende es nicht; Sparsamkeit erhöht hier die Gabe! Lobe mehr durch Aufmerksamkeit als durch Worte, und wisse selbst mit Bescheidenheit zu tadeln!

Daß aber vor allen dein Beyfall diejenigen Handlungen treffe, die den sittlichen Werth deiner Geliebten gründen! Sag' ihr, daß du sie nicht so wohl darum bewunderst, daß sie der Jugend deines Geschlechts gefalle;

wenn du sprichst, o! so laß dein Herz reden, und den Sinn des Edeln und Schönen über deinen Ausdruck wachen!

Nur dem Kärner kann es hingehen, wenn er seine ausgelöschte Pfeife an den blitzenden Augen der Herzogin wieder anzustecken wünscht. Nur die eitle Elisabeth kann es wohl nehmen, wenn der Holländer eine Nacht in ihren Armen mit seinem Leben zu erkaufen bereit ist! Du wirst der Geliebten sagen, daß sie andern ihre todte Form leihen könne, und daß dich noch der bloße Ausdruck ihrer Seele bezaubern würde! Du wirst ihr sagen, daß ihr Herz und ihr Schönheitssinn sich in jeder ihrer Bewegungen mahle, daß man sich ihr mit Staunen nahe, aber sie mit Rührung verlasse! Du wirst es ihr in Augenblicken sagen, worin sich ihre Gestalt am vortheilhaftesten zeigt, worin sie sich selbst ihrer Reitze bewußt seyn kann; das Zusammentreffen eures beyderseitigen Urtheils wird ihr Gewähr für deinen Geschmack und deine Wahrheitsliebe leisten, und du wirst sicher seyn zu überzeugen.

Höheren Werth lege auf ihre Talente! Aber lobe so, daß sie Werth auf deinen Beyfall legen kann! Zeige, daß du Gefühl für die Eigenthümlichkeit ihres Geistes, für die Zartheit der Empfindung hast, die sie in alles bringt, was sie angreift. Nur dasjenige Lob kann rühren, was Kenntniß des Lobenswerthen zeigt! Verschwende es nicht; Sparsamkeit erhöht hier die Gabe! Lobe mehr durch Aufmerksamkeit als durch Worte, und wisse selbst mit Bescheidenheit zu tadeln!

Daß aber vor allen dein Beyfall diejenigen Handlungen treffe, die den sittlichen Werth deiner Geliebten gründen! Sag’ ihr, daß du sie nicht so wohl darum bewunderst, daß sie der Jugend deines Geschlechts gefalle;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0249" n="249"/>
wenn du sprichst, o! so laß dein Herz reden, und den Sinn des Edeln und Schönen über deinen Ausdruck wachen!</p>
          <p>Nur dem Kärner kann es hingehen, wenn er seine ausgelöschte Pfeife an den blitzenden Augen der Herzogin wieder anzustecken wünscht. Nur die eitle Elisabeth kann es wohl nehmen, wenn der Holländer eine Nacht in ihren Armen mit seinem Leben zu erkaufen bereit ist! Du wirst der Geliebten sagen, daß sie andern ihre todte Form leihen könne, und daß dich noch der bloße Ausdruck ihrer Seele bezaubern würde! Du wirst ihr sagen, daß ihr Herz und ihr Schönheitssinn sich in jeder ihrer Bewegungen mahle, daß man sich ihr mit Staunen nahe, aber sie mit Rührung verlasse! Du wirst es ihr in Augenblicken sagen, worin sich ihre Gestalt am vortheilhaftesten zeigt, worin sie sich selbst ihrer Reitze bewußt seyn kann; das Zusammentreffen eures beyderseitigen Urtheils wird ihr Gewähr für deinen Geschmack und deine Wahrheitsliebe leisten, und du wirst sicher seyn zu überzeugen.</p>
          <p>Höheren Werth lege auf ihre Talente! Aber lobe so, daß sie Werth auf deinen Beyfall legen kann! Zeige, daß du Gefühl für die Eigenthümlichkeit ihres Geistes, für die Zartheit der Empfindung hast, die sie in alles bringt, was sie angreift. Nur dasjenige Lob kann rühren, was Kenntniß des Lobenswerthen zeigt! Verschwende es nicht; Sparsamkeit erhöht hier die Gabe! Lobe mehr durch Aufmerksamkeit als durch Worte, und wisse selbst mit Bescheidenheit zu tadeln!</p>
          <p>Daß aber vor allen dein Beyfall diejenigen Handlungen treffe, die den sittlichen Werth deiner Geliebten gründen! Sag&#x2019; ihr, daß du sie nicht so wohl darum bewunderst, daß sie der Jugend deines Geschlechts gefalle;
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0249] wenn du sprichst, o! so laß dein Herz reden, und den Sinn des Edeln und Schönen über deinen Ausdruck wachen! Nur dem Kärner kann es hingehen, wenn er seine ausgelöschte Pfeife an den blitzenden Augen der Herzogin wieder anzustecken wünscht. Nur die eitle Elisabeth kann es wohl nehmen, wenn der Holländer eine Nacht in ihren Armen mit seinem Leben zu erkaufen bereit ist! Du wirst der Geliebten sagen, daß sie andern ihre todte Form leihen könne, und daß dich noch der bloße Ausdruck ihrer Seele bezaubern würde! Du wirst ihr sagen, daß ihr Herz und ihr Schönheitssinn sich in jeder ihrer Bewegungen mahle, daß man sich ihr mit Staunen nahe, aber sie mit Rührung verlasse! Du wirst es ihr in Augenblicken sagen, worin sich ihre Gestalt am vortheilhaftesten zeigt, worin sie sich selbst ihrer Reitze bewußt seyn kann; das Zusammentreffen eures beyderseitigen Urtheils wird ihr Gewähr für deinen Geschmack und deine Wahrheitsliebe leisten, und du wirst sicher seyn zu überzeugen. Höheren Werth lege auf ihre Talente! Aber lobe so, daß sie Werth auf deinen Beyfall legen kann! Zeige, daß du Gefühl für die Eigenthümlichkeit ihres Geistes, für die Zartheit der Empfindung hast, die sie in alles bringt, was sie angreift. Nur dasjenige Lob kann rühren, was Kenntniß des Lobenswerthen zeigt! Verschwende es nicht; Sparsamkeit erhöht hier die Gabe! Lobe mehr durch Aufmerksamkeit als durch Worte, und wisse selbst mit Bescheidenheit zu tadeln! Daß aber vor allen dein Beyfall diejenigen Handlungen treffe, die den sittlichen Werth deiner Geliebten gründen! Sag’ ihr, daß du sie nicht so wohl darum bewunderst, daß sie der Jugend deines Geschlechts gefalle;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/249
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/249>, abgerufen am 29.03.2024.