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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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ganzen Vorstellung liegt nichts Ueppiges, nichts, was sich der geschmeidigen Stärke meiner Seele sanft entgegen hebt. Und wenn ich nun auch höre, daß ihr eine reiche Erbschaft zugefallen sey, und mich darüber freue, so liegt darin wieder nichts Ueppiges.

Wenn man mir aber erzählt, daß diese Wittwe dem glänzenden Aufwande, den sie während der Lebenszeit ihres Mannes gemacht hat, freywillig entsagt, um ihren Kindern den Rest des wider ihr Vermuthen sehr verminderten Vermögens zu erhalten, und ihnen eine gute Erziehung zu geben, sich aufs sparsamste behelfe, die beschwerlichsten und langweiligsten Hausarbeiten gern übernehme; kurz, sich völlig für ihre Familie aufopfere, aber dabey in deren Schooße äußerst glücklich sey; so mischt sich in die liebende Aufwallung, welche diese Nachricht bey mir erweckt, wahrscheinlich schon eine Regung der Geschlechtssympathie der Seele. Denn diese Vorstellung geselliger Aufopferung und des häuslichen Glücks dieses Frauenzimmers hebt sich sanft meiner Seele entgegen, und weckt darin Bilder von traulichem Zusammenleben, engen Familienbanden, u. s. w. auf, welche die Seele zugleich spannen und zärteln.

Sagt man mir nun gar, daß diese Wittwe, nachdem sie ihren Kindern alles abgetragen hatte, was sie ihnen schuldig war, ihre Hand dem lange Verlobten gegeben habe, und nun die Früchte ihrer Standhaftigkeit und ihres Edelsinns in vollester Maße genieße; o wie üppig fühlt sich dann mein Herz bey dem liebenden Antheile, den ich an ihrem Schicksale nehme!

Eben so wird das zärtere Geschlecht oft zu liebenden Affekten durch Vorstellungen von den unsinnlichen Vorzügen, und glücklichen Verhältnissen des unsrigen aufgefordert

ganzen Vorstellung liegt nichts Ueppiges, nichts, was sich der geschmeidigen Stärke meiner Seele sanft entgegen hebt. Und wenn ich nun auch höre, daß ihr eine reiche Erbschaft zugefallen sey, und mich darüber freue, so liegt darin wieder nichts Ueppiges.

Wenn man mir aber erzählt, daß diese Wittwe dem glänzenden Aufwande, den sie während der Lebenszeit ihres Mannes gemacht hat, freywillig entsagt, um ihren Kindern den Rest des wider ihr Vermuthen sehr verminderten Vermögens zu erhalten, und ihnen eine gute Erziehung zu geben, sich aufs sparsamste behelfe, die beschwerlichsten und langweiligsten Hausarbeiten gern übernehme; kurz, sich völlig für ihre Familie aufopfere, aber dabey in deren Schooße äußerst glücklich sey; so mischt sich in die liebende Aufwallung, welche diese Nachricht bey mir erweckt, wahrscheinlich schon eine Regung der Geschlechtssympathie der Seele. Denn diese Vorstellung geselliger Aufopferung und des häuslichen Glücks dieses Frauenzimmers hebt sich sanft meiner Seele entgegen, und weckt darin Bilder von traulichem Zusammenleben, engen Familienbanden, u. s. w. auf, welche die Seele zugleich spannen und zärteln.

Sagt man mir nun gar, daß diese Wittwe, nachdem sie ihren Kindern alles abgetragen hatte, was sie ihnen schuldig war, ihre Hand dem lange Verlobten gegeben habe, und nun die Früchte ihrer Standhaftigkeit und ihres Edelsinns in vollester Maße genieße; o wie üppig fühlt sich dann mein Herz bey dem liebenden Antheile, den ich an ihrem Schicksale nehme!

Eben so wird das zärtere Geschlecht oft zu liebenden Affekten durch Vorstellungen von den unsinnlichen Vorzügen, und glücklichen Verhältnissen des unsrigen aufgefordert

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[99/0099] ganzen Vorstellung liegt nichts Ueppiges, nichts, was sich der geschmeidigen Stärke meiner Seele sanft entgegen hebt. Und wenn ich nun auch höre, daß ihr eine reiche Erbschaft zugefallen sey, und mich darüber freue, so liegt darin wieder nichts Ueppiges. Wenn man mir aber erzählt, daß diese Wittwe dem glänzenden Aufwande, den sie während der Lebenszeit ihres Mannes gemacht hat, freywillig entsagt, um ihren Kindern den Rest des wider ihr Vermuthen sehr verminderten Vermögens zu erhalten, und ihnen eine gute Erziehung zu geben, sich aufs sparsamste behelfe, die beschwerlichsten und langweiligsten Hausarbeiten gern übernehme; kurz, sich völlig für ihre Familie aufopfere, aber dabey in deren Schooße äußerst glücklich sey; so mischt sich in die liebende Aufwallung, welche diese Nachricht bey mir erweckt, wahrscheinlich schon eine Regung der Geschlechtssympathie der Seele. Denn diese Vorstellung geselliger Aufopferung und des häuslichen Glücks dieses Frauenzimmers hebt sich sanft meiner Seele entgegen, und weckt darin Bilder von traulichem Zusammenleben, engen Familienbanden, u. s. w. auf, welche die Seele zugleich spannen und zärteln. Sagt man mir nun gar, daß diese Wittwe, nachdem sie ihren Kindern alles abgetragen hatte, was sie ihnen schuldig war, ihre Hand dem lange Verlobten gegeben habe, und nun die Früchte ihrer Standhaftigkeit und ihres Edelsinns in vollester Maße genieße; o wie üppig fühlt sich dann mein Herz bey dem liebenden Antheile, den ich an ihrem Schicksale nehme! Eben so wird das zärtere Geschlecht oft zu liebenden Affekten durch Vorstellungen von den unsinnlichen Vorzügen, und glücklichen Verhältnissen des unsrigen aufgefordert

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/99>, abgerufen am 29.03.2024.