Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Kapitel.

Denkungsart des Terenz über Geschlechtsverbindung und Liebe.

Ich komme zu den Schriftstellern, die mehr für Unterhaltung als für Belehrung geschrieben haben.

Unter den Werken der Einbildungskraft, welche diesen Zweck hatten, hat sich die neuere Komödie wahrscheinlich am genauesten an die Schilderung wirklicher Sitten der Zeitgenossen gehalten: und da sie sich nach dem Verfall der Republik auf Darstellung häuslicher Scenen einschränkte, so würden wir gewiß die sichersten Data über den Gegenstand meiner Untersuchungen aus ihr schöpfen können, wenn uns nur mehr von ihr übrig geblieben wäre.

Inzwischen kann uns Terenz doch immer Vieles in den Sitten von Athen, nach dem Verlust der Selbständigkeit dieser Republik, aufklären. Von den sechs Stücken, die wir von ihm übrig behalten haben, sind viere nach dem Menander, zwey nach dem Apollodor bearbeitet: Schriftsteller, die Beyde in diese Periode fallen.

Wer den Terenz mit Aufmerksamkeit liest, muß den Glauben an eine ausgezeichnete Achtung, deren die Hetären in Athen genossen haben sollten, völlig fahren lassen.

In der Andria kommt ein Vater vor, der seinen Sohn darüber lobt, daß er sich mit den Hetären nicht abgiebt: ein Vetter einer solchen berüchtigten Person, der es sehr bedauert, daß seine Anverwandtin sich nicht lieber ehrlich und kümmerlich in ihrem Vaterlande habe

Achtes Kapitel.

Denkungsart des Terenz über Geschlechtsverbindung und Liebe.

Ich komme zu den Schriftstellern, die mehr für Unterhaltung als für Belehrung geschrieben haben.

Unter den Werken der Einbildungskraft, welche diesen Zweck hatten, hat sich die neuere Komödie wahrscheinlich am genauesten an die Schilderung wirklicher Sitten der Zeitgenossen gehalten: und da sie sich nach dem Verfall der Republik auf Darstellung häuslicher Scenen einschränkte, so würden wir gewiß die sichersten Data über den Gegenstand meiner Untersuchungen aus ihr schöpfen können, wenn uns nur mehr von ihr übrig geblieben wäre.

Inzwischen kann uns Terenz doch immer Vieles in den Sitten von Athen, nach dem Verlust der Selbständigkeit dieser Republik, aufklären. Von den sechs Stücken, die wir von ihm übrig behalten haben, sind viere nach dem Menander, zwey nach dem Apollodor bearbeitet: Schriftsteller, die Beyde in diese Periode fallen.

Wer den Terenz mit Aufmerksamkeit liest, muß den Glauben an eine ausgezeichnete Achtung, deren die Hetären in Athen genossen haben sollten, völlig fahren lassen.

In der Andria kommt ein Vater vor, der seinen Sohn darüber lobt, daß er sich mit den Hetären nicht abgiebt: ein Vetter einer solchen berüchtigten Person, der es sehr bedauert, daß seine Anverwandtin sich nicht lieber ehrlich und kümmerlich in ihrem Vaterlande habe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0266" n="266"/>
        <div n="2">
          <head>Achtes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Denkungsart des Terenz über Geschlechtsverbindung und Liebe.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Ich komme zu den Schriftstellern, die mehr für Unterhaltung als für Belehrung geschrieben haben.</p>
          <p>Unter den Werken der Einbildungskraft, welche diesen Zweck hatten, hat sich die neuere Komödie wahrscheinlich am genauesten an die Schilderung wirklicher Sitten der Zeitgenossen gehalten: und da sie sich nach dem Verfall der Republik auf Darstellung häuslicher Scenen einschränkte, so würden wir gewiß die sichersten Data über den Gegenstand meiner Untersuchungen aus ihr schöpfen können, wenn uns nur mehr von ihr übrig geblieben wäre.</p>
          <p>Inzwischen kann uns Terenz doch immer Vieles in den Sitten von Athen, nach dem Verlust der Selbständigkeit dieser Republik, aufklären. Von den sechs Stücken, die wir von ihm übrig behalten haben, sind viere nach dem Menander, zwey nach dem Apollodor bearbeitet: Schriftsteller, die Beyde in diese Periode fallen.</p>
          <p>Wer den Terenz mit Aufmerksamkeit liest, muß den Glauben an eine ausgezeichnete Achtung, deren die Hetären in Athen genossen haben sollten, völlig fahren lassen.</p>
          <p>In der Andria kommt ein Vater vor, der seinen Sohn darüber lobt, daß er sich mit den Hetären nicht abgiebt: ein Vetter einer solchen berüchtigten Person, der es sehr bedauert, daß seine Anverwandtin sich nicht lieber ehrlich und kümmerlich in ihrem Vaterlande habe
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0266] Achtes Kapitel. Denkungsart des Terenz über Geschlechtsverbindung und Liebe. Ich komme zu den Schriftstellern, die mehr für Unterhaltung als für Belehrung geschrieben haben. Unter den Werken der Einbildungskraft, welche diesen Zweck hatten, hat sich die neuere Komödie wahrscheinlich am genauesten an die Schilderung wirklicher Sitten der Zeitgenossen gehalten: und da sie sich nach dem Verfall der Republik auf Darstellung häuslicher Scenen einschränkte, so würden wir gewiß die sichersten Data über den Gegenstand meiner Untersuchungen aus ihr schöpfen können, wenn uns nur mehr von ihr übrig geblieben wäre. Inzwischen kann uns Terenz doch immer Vieles in den Sitten von Athen, nach dem Verlust der Selbständigkeit dieser Republik, aufklären. Von den sechs Stücken, die wir von ihm übrig behalten haben, sind viere nach dem Menander, zwey nach dem Apollodor bearbeitet: Schriftsteller, die Beyde in diese Periode fallen. Wer den Terenz mit Aufmerksamkeit liest, muß den Glauben an eine ausgezeichnete Achtung, deren die Hetären in Athen genossen haben sollten, völlig fahren lassen. In der Andria kommt ein Vater vor, der seinen Sohn darüber lobt, daß er sich mit den Hetären nicht abgiebt: ein Vetter einer solchen berüchtigten Person, der es sehr bedauert, daß seine Anverwandtin sich nicht lieber ehrlich und kümmerlich in ihrem Vaterlande habe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/266
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/266>, abgerufen am 28.03.2024.