Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch IV. Staat und Hof.
Momente der Verwaltung.

So wie aber der Mißbrauch, den der Papst dämpfte,
noch einen andern Ursprung hatte, als allein den Mangel
an Aufsicht, so hing auch der Erfolg, welchen er hervor-
rief, noch mit andern Schritten, die er that, zusammen.

Man sieht zuweilen Sixtus V. als den alleinigen
Gründer der Ordnungen des Kirchenstaates an: man schreibt
ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm bestanden: als
einen unvergleichlichen Meister der Finanzen, einen höchst
vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Hersteller der Alter-
thümer rühmt man ihn. Er hatte eine Natur, die sich
dem Gedächtniß der Menschen einprägte, und fabelhaften,
großartig lautenden Erzählungen Glauben verschaffte.

Ist nun dem auch nicht völlig so, wie man sagt, so
bleibt seine Verwaltung doch immer sehr merkwürdig.

In einem besondern Verhältniß stand sie gegen die
gregorianische. Gregor war in seinen allgemeinen Maaß-
regeln streng, durchgreifend, einseitig; einzelne Fälle des
Ungehorsams sah er nach. Eben dadurch, daß er auf der
einen Seite die Interessen gegen sich aufregte, und doch
auf der andern eine Straflosigkeit ohne Gleichen einreißen
ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-

urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad-
venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo
tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus-
quam injuriae obnoxium.
-- Nach Gualterius Vita Sixti V.
wandte dieser den Spruch an: fugit impius, nemine persequente.
Buch IV. Staat und Hof.
Momente der Verwaltung.

So wie aber der Mißbrauch, den der Papſt daͤmpfte,
noch einen andern Urſprung hatte, als allein den Mangel
an Aufſicht, ſo hing auch der Erfolg, welchen er hervor-
rief, noch mit andern Schritten, die er that, zuſammen.

Man ſieht zuweilen Sixtus V. als den alleinigen
Gruͤnder der Ordnungen des Kirchenſtaates an: man ſchreibt
ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm beſtanden: als
einen unvergleichlichen Meiſter der Finanzen, einen hoͤchſt
vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Herſteller der Alter-
thuͤmer ruͤhmt man ihn. Er hatte eine Natur, die ſich
dem Gedaͤchtniß der Menſchen einpraͤgte, und fabelhaften,
großartig lautenden Erzaͤhlungen Glauben verſchaffte.

Iſt nun dem auch nicht voͤllig ſo, wie man ſagt, ſo
bleibt ſeine Verwaltung doch immer ſehr merkwuͤrdig.

In einem beſondern Verhaͤltniß ſtand ſie gegen die
gregorianiſche. Gregor war in ſeinen allgemeinen Maaß-
regeln ſtreng, durchgreifend, einſeitig; einzelne Faͤlle des
Ungehorſams ſah er nach. Eben dadurch, daß er auf der
einen Seite die Intereſſen gegen ſich aufregte, und doch
auf der andern eine Strafloſigkeit ohne Gleichen einreißen
ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-

urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad-
venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo
tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus-
quam injuriae obnoxium.
— Nach Gualterius Vita Sixti V.
wandte dieſer den Spruch an: fugit impius, nemine persequente.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0476" n="450"/>
              <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">IV.</hi><hi rendition="#g">Staat und Hof</hi>.</fw>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>Momente der Verwaltung.</head><lb/>
              <p>So wie aber der Mißbrauch, den der Pap&#x017F;t da&#x0364;mpfte,<lb/>
noch einen andern Ur&#x017F;prung hatte, als allein den Mangel<lb/>
an Auf&#x017F;icht, &#x017F;o hing auch der Erfolg, welchen er hervor-<lb/>
rief, noch mit andern Schritten, die er that, zu&#x017F;ammen.</p><lb/>
              <p>Man &#x017F;ieht zuweilen Sixtus <hi rendition="#aq">V.</hi> als den alleinigen<lb/>
Gru&#x0364;nder der Ordnungen des Kirchen&#x017F;taates an: man &#x017F;chreibt<lb/>
ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm be&#x017F;tanden: als<lb/>
einen unvergleichlichen Mei&#x017F;ter der Finanzen, einen ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Her&#x017F;teller der Alter-<lb/>
thu&#x0364;mer ru&#x0364;hmt man ihn. Er hatte eine Natur, die &#x017F;ich<lb/>
dem Geda&#x0364;chtniß der Men&#x017F;chen einpra&#x0364;gte, und fabelhaften,<lb/>
großartig lautenden Erza&#x0364;hlungen Glauben ver&#x017F;chaffte.</p><lb/>
              <p>I&#x017F;t nun dem auch nicht vo&#x0364;llig &#x017F;o, wie man &#x017F;agt, &#x017F;o<lb/>
bleibt &#x017F;eine Verwaltung doch immer &#x017F;ehr merkwu&#x0364;rdig.</p><lb/>
              <p>In einem be&#x017F;ondern Verha&#x0364;ltniß &#x017F;tand &#x017F;ie gegen die<lb/>
gregoriani&#x017F;che. Gregor war in &#x017F;einen allgemeinen Maaß-<lb/>
regeln &#x017F;treng, durchgreifend, ein&#x017F;eitig; einzelne Fa&#x0364;lle des<lb/>
Ungehor&#x017F;ams &#x017F;ah er nach. Eben dadurch, daß er auf der<lb/>
einen Seite die Intere&#x017F;&#x017F;en gegen &#x017F;ich aufregte, und doch<lb/>
auf der andern eine Straflo&#x017F;igkeit ohne Gleichen einreißen<lb/>
ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er-<lb/><note xml:id="note-0476" prev="#note-0475" place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad-<lb/>
venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo<lb/>
tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus-<lb/>
quam injuriae obnoxium.</hi> &#x2014; Nach <hi rendition="#aq">Gualterius Vita Sixti V.</hi><lb/>
wandte die&#x017F;er den Spruch an: <hi rendition="#aq">fugit impius, nemine persequente.</hi></note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0476] Buch IV. Staat und Hof. Momente der Verwaltung. So wie aber der Mißbrauch, den der Papſt daͤmpfte, noch einen andern Urſprung hatte, als allein den Mangel an Aufſicht, ſo hing auch der Erfolg, welchen er hervor- rief, noch mit andern Schritten, die er that, zuſammen. Man ſieht zuweilen Sixtus V. als den alleinigen Gruͤnder der Ordnungen des Kirchenſtaates an: man ſchreibt ihm Einrichtungen zu, die lange vor ihm beſtanden: als einen unvergleichlichen Meiſter der Finanzen, einen hoͤchſt vorurtheilsfreien Staatsmann, einen Herſteller der Alter- thuͤmer ruͤhmt man ihn. Er hatte eine Natur, die ſich dem Gedaͤchtniß der Menſchen einpraͤgte, und fabelhaften, großartig lautenden Erzaͤhlungen Glauben verſchaffte. Iſt nun dem auch nicht voͤllig ſo, wie man ſagt, ſo bleibt ſeine Verwaltung doch immer ſehr merkwuͤrdig. In einem beſondern Verhaͤltniß ſtand ſie gegen die gregorianiſche. Gregor war in ſeinen allgemeinen Maaß- regeln ſtreng, durchgreifend, einſeitig; einzelne Faͤlle des Ungehorſams ſah er nach. Eben dadurch, daß er auf der einen Seite die Intereſſen gegen ſich aufregte, und doch auf der andern eine Strafloſigkeit ohne Gleichen einreißen ließ, veranlaßte er die unheilvolle Entwickelung, die er er- 2) 2) urbe vasta, in hoc conventu nationum, in tanta peregrinorum ad- venarumque colluvie ubi tot nobilium superbae eminent opes nemo tam tenuis tam abjectae fortunae sit, qui se nunc sentiat cujus- quam injuriae obnoxium. — Nach Gualterius Vita Sixti V. wandte dieſer den Spruch an: fugit impius, nemine persequente.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/476
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/476>, abgerufen am 29.03.2024.