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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Viertes Capitel.
Differenzen zwischen den beiden Bekenntnissen, die dort in
Gent noch einmal in voller Stärke einander entgegentraten.
Auf der einen Seite finden wir zur Seite des päpstlichen
Legaten den Doctor Held, der kurz vorher die benachbarten
fürstlichen Höfe besucht und ihnen zu bedenken gegeben hatte,
wie mächtig und wie gut mit Geld versehen der Kaiser zu-
rückkomme, wie leicht er alle Widerstrebenden besiegen werde.
Hier wiederholte er seinen alten Rath, daß der Kaiser den
kammergerichtlichen Prozessen ihren Lauf lassen und sich in-
dessen rüsten solle die zu erwartenden Achtserklärungen zu
vollziehen. 1

Dagegen waren auch die protestantischen Gesandten er-
schienen, und hatten ihre alten Bitten um Einstellung der kam-
mergerichtlichen Prozesse und festen Frieden erneuert; vor allem
forderten sie die Bestätigung des Frankfurter Anstandes. Da-
bei wurden sie hauptsächlich von Lunden unterstützt, der al-
len päpstlichen Anklagen zum Trotz sich am kaiserlichen Hofe
in Ansehen erhielt: er behauptete, der Kaiser lache dieser An-
klagen: im geheimen Rath habe er geäußert daß er mit den
Diensten die ihm Lunden geleistet zufrieden sey, nur nach sei-
nem Geheiß habe derselbe in Frankfurt verfahren. 2

Einst gab der Kaiser an ein und demselben Tage, früh
dem päpstlichen Legaten, Nachmittag den protestantischen Ge-
sandten Audienz: auf dem Wege nach Hofe begegneten diese
wohl einmal dem Herzog Heinrich, der auch hier nicht fehlen
wollte: er sah sie starr an ohne sie zu grüßen.


1 Consilium Dris Matthiae Gandavi bei Rainaldus 127.
2 Dem Churfürsten von Brandenburg schreibt Lunden: er habe
jetzt manches besser kennen gelernt, "doch nit mit meiner Verkleinerung,
sondern ist den Leuten zu höchsten unglimpf kommen." (12 Mai 1540.
Arch. z. Berl.)

Siebentes Buch. Viertes Capitel.
Differenzen zwiſchen den beiden Bekenntniſſen, die dort in
Gent noch einmal in voller Stärke einander entgegentraten.
Auf der einen Seite finden wir zur Seite des päpſtlichen
Legaten den Doctor Held, der kurz vorher die benachbarten
fürſtlichen Höfe beſucht und ihnen zu bedenken gegeben hatte,
wie mächtig und wie gut mit Geld verſehen der Kaiſer zu-
rückkomme, wie leicht er alle Widerſtrebenden beſiegen werde.
Hier wiederholte er ſeinen alten Rath, daß der Kaiſer den
kammergerichtlichen Prozeſſen ihren Lauf laſſen und ſich in-
deſſen rüſten ſolle die zu erwartenden Achtserklärungen zu
vollziehen. 1

Dagegen waren auch die proteſtantiſchen Geſandten er-
ſchienen, und hatten ihre alten Bitten um Einſtellung der kam-
mergerichtlichen Prozeſſe und feſten Frieden erneuert; vor allem
forderten ſie die Beſtätigung des Frankfurter Anſtandes. Da-
bei wurden ſie hauptſächlich von Lunden unterſtützt, der al-
len päpſtlichen Anklagen zum Trotz ſich am kaiſerlichen Hofe
in Anſehen erhielt: er behauptete, der Kaiſer lache dieſer An-
klagen: im geheimen Rath habe er geäußert daß er mit den
Dienſten die ihm Lunden geleiſtet zufrieden ſey, nur nach ſei-
nem Geheiß habe derſelbe in Frankfurt verfahren. 2

Einſt gab der Kaiſer an ein und demſelben Tage, früh
dem päpſtlichen Legaten, Nachmittag den proteſtantiſchen Ge-
ſandten Audienz: auf dem Wege nach Hofe begegneten dieſe
wohl einmal dem Herzog Heinrich, der auch hier nicht fehlen
wollte: er ſah ſie ſtarr an ohne ſie zu grüßen.


1 Consilium Dris Matthiae Gandavi bei Rainaldus 127.
2 Dem Churfuͤrſten von Brandenburg ſchreibt Lunden: er habe
jetzt manches beſſer kennen gelernt, „doch nit mit meiner Verkleinerung,
ſondern iſt den Leuten zu hoͤchſten unglimpf kommen.“ (12 Mai 1540.
Arch. z. Berl.)
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[188/0200] Siebentes Buch. Viertes Capitel. Differenzen zwiſchen den beiden Bekenntniſſen, die dort in Gent noch einmal in voller Stärke einander entgegentraten. Auf der einen Seite finden wir zur Seite des päpſtlichen Legaten den Doctor Held, der kurz vorher die benachbarten fürſtlichen Höfe beſucht und ihnen zu bedenken gegeben hatte, wie mächtig und wie gut mit Geld verſehen der Kaiſer zu- rückkomme, wie leicht er alle Widerſtrebenden beſiegen werde. Hier wiederholte er ſeinen alten Rath, daß der Kaiſer den kammergerichtlichen Prozeſſen ihren Lauf laſſen und ſich in- deſſen rüſten ſolle die zu erwartenden Achtserklärungen zu vollziehen. 1 Dagegen waren auch die proteſtantiſchen Geſandten er- ſchienen, und hatten ihre alten Bitten um Einſtellung der kam- mergerichtlichen Prozeſſe und feſten Frieden erneuert; vor allem forderten ſie die Beſtätigung des Frankfurter Anſtandes. Da- bei wurden ſie hauptſächlich von Lunden unterſtützt, der al- len päpſtlichen Anklagen zum Trotz ſich am kaiſerlichen Hofe in Anſehen erhielt: er behauptete, der Kaiſer lache dieſer An- klagen: im geheimen Rath habe er geäußert daß er mit den Dienſten die ihm Lunden geleiſtet zufrieden ſey, nur nach ſei- nem Geheiß habe derſelbe in Frankfurt verfahren. 2 Einſt gab der Kaiſer an ein und demſelben Tage, früh dem päpſtlichen Legaten, Nachmittag den proteſtantiſchen Ge- ſandten Audienz: auf dem Wege nach Hofe begegneten dieſe wohl einmal dem Herzog Heinrich, der auch hier nicht fehlen wollte: er ſah ſie ſtarr an ohne ſie zu grüßen. 1 Consilium Dris Matthiae Gandavi bei Rainaldus 127. 2 Dem Churfuͤrſten von Brandenburg ſchreibt Lunden: er habe jetzt manches beſſer kennen gelernt, „doch nit mit meiner Verkleinerung, ſondern iſt den Leuten zu hoͤchſten unglimpf kommen.“ (12 Mai 1540. Arch. z. Berl.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/200>, abgerufen am 29.03.2024.