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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
wahl ihrer Kleidungsstücke, als durch solide Wände und zweckmässige
Heizvorrichtungen gegen die Kälte zu schützen wissen. In der inneren
Ausstattung weichen die Wohnungen der Chinesen, Japaner und Ko-
reaner wesentlich von einander ab; gemeinsam ist ihnen dagegen die
Anwendung von Bastpapier zu Fensterscheiben. Aus den Berichten
der Reisenden in Centralasien geht hervor, dass auch hier die Glas-
scheibe, wie im Monsungebiete, fehlt, die Papierscheibe über dem
Fenstergitter oder der Schiebethür aber mit dem Chinesen bis in die
Dsungarei vorgedrungen ist, ohne von andern Völkern adoptirt wor-
den zu sein.

Wie Tokugawa Iyeyasu, der Begründer der letzten Shogun-
Dynastie, im 12. seiner "achtzehn Gesetze" hervorhebt, schrieb man
die Einführung des Ackerbaues in Japan der Sonnengöttin Tensho
Daijin
(Amaterasu) zu. Sie war den alten Japanern Janus und Ceres
zugleich. Ihr Tempel zu Yamada in Ise war das grosse National-
heiligthum, welches vorschriftsmässig erhalten und nach je 21 Jahren
aus dem geweihten Hinoki-Holze (Chamaecyparis obtusa S. & Z.) neu
aufgerichtet werden musste, "damit das Land Frieden habe und die
Gokoku wohlgedeihen möchten." Man verstand unter den Gokoku
(fünf Hauptfeldfrüchten) Reis, Gerste und Weizen, Kolbenhirse, andere
Hirsenarten und Bohnen, also die hervorragendsten Kokurui, d. h.
Halm- und Hülsenfrüchte. Der Begriff Go-koku war jedoch nicht zu
allen Zeiten derselbe. So finden wir in Kaempfer, Amoen. exot.
pag. 834 Kome (Oryza), O-mugi (Hordeum), Ko-mugi (Triticum),
Daidzu (Dolichos soja L.) und Adzuki (Phaseolus radiatus L.) als Go-
koku angeführt. Später erweiterte man ihn noch mehr und verstand
darunter alle hervorragenden Nährpflanzen aus der Gruppe der Halm-
und Hülsenfrüchte.

In jener grossen Werthschätzung der Go-koku ahmte man die
Chinesen nach, wie denn die chinesische Landwirthschaft überhaupt
der Ausgang und Prototyp für die japanische gewesen ist*). Kaiser
Shinnung hatte um das Jahr 2700 v. Chr. in China den Ackerbau
eingeführt und verbreitet. Dafür wurde er nach seinem Tode unter
die Götter versetzt und ihm in Peking ein Tempel gewidmet, in des-
sen parkartiger Umgebung der chinesische Kaiser seitdem jährlich zur
Zeit des Frühlingsäquinoctiums ein Stück Land pflügt und mit den
Go-koku besät.

Dem Mikado lag zwar keine analoge Pflicht beim Heiligthum

*) Siehe Bretschneider: "On the study and value of Chinese botanical-
works" und Williams: "The Middle Kingdom" I. 78.

1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen.
wahl ihrer Kleidungsstücke, als durch solide Wände und zweckmässige
Heizvorrichtungen gegen die Kälte zu schützen wissen. In der inneren
Ausstattung weichen die Wohnungen der Chinesen, Japaner und Ko-
reaner wesentlich von einander ab; gemeinsam ist ihnen dagegen die
Anwendung von Bastpapier zu Fensterscheiben. Aus den Berichten
der Reisenden in Centralasien geht hervor, dass auch hier die Glas-
scheibe, wie im Monsungebiete, fehlt, die Papierscheibe über dem
Fenstergitter oder der Schiebethür aber mit dem Chinesen bis in die
Dsungarei vorgedrungen ist, ohne von andern Völkern adoptirt wor-
den zu sein.

Wie Tokugawa Iyeyasu, der Begründer der letzten Shôgun-
Dynastie, im 12. seiner »achtzehn Gesetze« hervorhebt, schrieb man
die Einführung des Ackerbaues in Japan der Sonnengöttin Tenshô
Daijin
(Amaterasu) zu. Sie war den alten Japanern Janus und Ceres
zugleich. Ihr Tempel zu Yamada in Ise war das grosse National-
heiligthum, welches vorschriftsmässig erhalten und nach je 21 Jahren
aus dem geweihten Hinoki-Holze (Chamaecyparis obtusa S. & Z.) neu
aufgerichtet werden musste, »damit das Land Frieden habe und die
Gokoku wohlgedeihen möchten.« Man verstand unter den Gokoku
(fünf Hauptfeldfrüchten) Reis, Gerste und Weizen, Kolbenhirse, andere
Hirsenarten und Bohnen, also die hervorragendsten Kokurui, d. h.
Halm- und Hülsenfrüchte. Der Begriff Go-koku war jedoch nicht zu
allen Zeiten derselbe. So finden wir in Kaempfer, Amoen. exot.
pag. 834 Kome (Oryza), O-mugi (Hordeum), Ko-mugi (Triticum),
Daidzu (Dolichos soja L.) und Adzuki (Phaseolus radiatus L.) als Go-
koku angeführt. Später erweiterte man ihn noch mehr und verstand
darunter alle hervorragenden Nährpflanzen aus der Gruppe der Halm-
und Hülsenfrüchte.

In jener grossen Werthschätzung der Go-koku ahmte man die
Chinesen nach, wie denn die chinesische Landwirthschaft überhaupt
der Ausgang und Prototyp für die japanische gewesen ist*). Kaiser
Shinnung hatte um das Jahr 2700 v. Chr. in China den Ackerbau
eingeführt und verbreitet. Dafür wurde er nach seinem Tode unter
die Götter versetzt und ihm in Peking ein Tempel gewidmet, in des-
sen parkartiger Umgebung der chinesische Kaiser seitdem jährlich zur
Zeit des Frühlingsäquinoctiums ein Stück Land pflügt und mit den
Go-koku besät.

Dem Mikado lag zwar keine analoge Pflicht beim Heiligthum

*) Siehe Bretschneider: »On the study and value of Chinese botanical-
works« und Williams: »The Middle Kingdom« I. 78.
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[5/0025] 1. Die japanische Landwirthschaft im Allgemeinen. wahl ihrer Kleidungsstücke, als durch solide Wände und zweckmässige Heizvorrichtungen gegen die Kälte zu schützen wissen. In der inneren Ausstattung weichen die Wohnungen der Chinesen, Japaner und Ko- reaner wesentlich von einander ab; gemeinsam ist ihnen dagegen die Anwendung von Bastpapier zu Fensterscheiben. Aus den Berichten der Reisenden in Centralasien geht hervor, dass auch hier die Glas- scheibe, wie im Monsungebiete, fehlt, die Papierscheibe über dem Fenstergitter oder der Schiebethür aber mit dem Chinesen bis in die Dsungarei vorgedrungen ist, ohne von andern Völkern adoptirt wor- den zu sein. Wie Tokugawa Iyeyasu, der Begründer der letzten Shôgun- Dynastie, im 12. seiner »achtzehn Gesetze« hervorhebt, schrieb man die Einführung des Ackerbaues in Japan der Sonnengöttin Tenshô Daijin (Amaterasu) zu. Sie war den alten Japanern Janus und Ceres zugleich. Ihr Tempel zu Yamada in Ise war das grosse National- heiligthum, welches vorschriftsmässig erhalten und nach je 21 Jahren aus dem geweihten Hinoki-Holze (Chamaecyparis obtusa S. & Z.) neu aufgerichtet werden musste, »damit das Land Frieden habe und die Gokoku wohlgedeihen möchten.« Man verstand unter den Gokoku (fünf Hauptfeldfrüchten) Reis, Gerste und Weizen, Kolbenhirse, andere Hirsenarten und Bohnen, also die hervorragendsten Kokurui, d. h. Halm- und Hülsenfrüchte. Der Begriff Go-koku war jedoch nicht zu allen Zeiten derselbe. So finden wir in Kaempfer, Amoen. exot. pag. 834 Kome (Oryza), O-mugi (Hordeum), Ko-mugi (Triticum), Daidzu (Dolichos soja L.) und Adzuki (Phaseolus radiatus L.) als Go- koku angeführt. Später erweiterte man ihn noch mehr und verstand darunter alle hervorragenden Nährpflanzen aus der Gruppe der Halm- und Hülsenfrüchte. In jener grossen Werthschätzung der Go-koku ahmte man die Chinesen nach, wie denn die chinesische Landwirthschaft überhaupt der Ausgang und Prototyp für die japanische gewesen ist *). Kaiser Shinnung hatte um das Jahr 2700 v. Chr. in China den Ackerbau eingeführt und verbreitet. Dafür wurde er nach seinem Tode unter die Götter versetzt und ihm in Peking ein Tempel gewidmet, in des- sen parkartiger Umgebung der chinesische Kaiser seitdem jährlich zur Zeit des Frühlingsäquinoctiums ein Stück Land pflügt und mit den Go-koku besät. Dem Mikado lag zwar keine analoge Pflicht beim Heiligthum *) Siehe Bretschneider: »On the study and value of Chinese botanical- works« und Williams: »The Middle Kingdom« I. 78.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/25>, abgerufen am 29.03.2024.