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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
Belastung ansah und mit Misstrauen und Widerwillen aufnahm. Sie
wurde indess durchgeführt und zwar in folgender Weise:

Auf Grund der alten Eintheilung des bebauten Bodens in Reis-
land (ta) und trockenes Ackerland (hata), und der Annahme, dass der
Ertrag eines cho des ersteren dem von 2,6 cho des letzteren gleich
zu rechnen sei, liess die Regierung im Jahre 1873 sowohl die Höhe
der durchschnittlichen Ernteerträge als auch des Landwerthes in den
einzelnen Ken taxieren und bestimmte dann, dass 3 % dieses Grund-
werthes als jährliche Staatssteuer zu erheben seien, ein Steuersatz,
der am 4. Jan. 1877 auf 21/2 % herabgesetzt wurde. Zu dieser allge-
meinen Staatssteuer kommt nun aber noch die Bezirks- oder Ken-
Steuer, welche zwischen 1/2 und 21/2 % des Bodenwerthes schwankt,
nach ihren Zwecken im Allgemeinen unserer Kreis- und Communal-
steuer entspricht und wozu auch alle Anstalten (Theater etc.) und
Personen herangezogen werden, welche der Unterhaltung und dem
Vergnügen dienen.

Liebscher*) sagt bezüglich dieser Grundsteuer, welche also nomi-
nell 21/2 %, factisch d. h. mit Hinzurechnung der Kensteuer 3--5 %
vom Werthe der Felder beträgt, dass sie in andern Ländern uner-
schwinglich hoch sein würde, der Besitz des Ackers jedoch für den
japanischen Landmann etwas ganz anderes bedeute, als wir gewöhn-
lich darunter verstehen. "Wie der Arbeiter bei uns für ein Fleckchen
Land, welches er in seiner Freizeit bearbeitet, für dessen Düngung
und Bewirthschaftung er sich nichts zur Last schreibt, im Stande ist,
einen weit höheren Kauf- oder Pachtpreis zu zahlen, als der grössere
Oekonom, so hatte auch das Ackerland für alle japanischen Bauern,
weil es für ihre Existenz unbedingt nöthig war, einen weit höheren
Werth, als er dem daraus möglicherweise erzielbaren Gewinn an Geld
entsprach." Indess zeigen die Bauernaufstände der allerneuesten Zeit
und ihre Ursachen, dass die jetzige Art der Besteuerung ihre grossen
Härten hat, nach schlechten Ernten unerschwinglich ist und die Be-
völkerung zur Verzweiflung bringen kann.

Nach jenen Untersuchungen und Bestimmungen des japanischen
Finanzministeriums im Jahre 1873, welche sich nur auf das alte
O-yashima erstreckten, berechnete sich das gesammte Areal

des Reislandes auf 2539090 cho = 2518106 ha
des trockenen Feldes auf 1732449 - = 1718122 -
des gesammten Culturlandes auf 4271539 cho = 4236228 ha
*) Japans landwirthschaftliche Verhältnisse. Jena 1882.

I. Land- und Forstwirthschaft.
Belastung ansah und mit Misstrauen und Widerwillen aufnahm. Sie
wurde indess durchgeführt und zwar in folgender Weise:

Auf Grund der alten Eintheilung des bebauten Bodens in Reis-
land (ta) und trockenes Ackerland (hata), und der Annahme, dass der
Ertrag eines chô des ersteren dem von 2,6 chô des letzteren gleich
zu rechnen sei, liess die Regierung im Jahre 1873 sowohl die Höhe
der durchschnittlichen Ernteerträge als auch des Landwerthes in den
einzelnen Ken taxieren und bestimmte dann, dass 3 % dieses Grund-
werthes als jährliche Staatssteuer zu erheben seien, ein Steuersatz,
der am 4. Jan. 1877 auf 2½ % herabgesetzt wurde. Zu dieser allge-
meinen Staatssteuer kommt nun aber noch die Bezirks- oder Ken-
Steuer, welche zwischen ½ und 2½ % des Bodenwerthes schwankt,
nach ihren Zwecken im Allgemeinen unserer Kreis- und Communal-
steuer entspricht und wozu auch alle Anstalten (Theater etc.) und
Personen herangezogen werden, welche der Unterhaltung und dem
Vergnügen dienen.

Liebscher*) sagt bezüglich dieser Grundsteuer, welche also nomi-
nell 2½ %, factisch d. h. mit Hinzurechnung der Kensteuer 3—5 %
vom Werthe der Felder beträgt, dass sie in andern Ländern uner-
schwinglich hoch sein würde, der Besitz des Ackers jedoch für den
japanischen Landmann etwas ganz anderes bedeute, als wir gewöhn-
lich darunter verstehen. »Wie der Arbeiter bei uns für ein Fleckchen
Land, welches er in seiner Freizeit bearbeitet, für dessen Düngung
und Bewirthschaftung er sich nichts zur Last schreibt, im Stande ist,
einen weit höheren Kauf- oder Pachtpreis zu zahlen, als der grössere
Oekonom, so hatte auch das Ackerland für alle japanischen Bauern,
weil es für ihre Existenz unbedingt nöthig war, einen weit höheren
Werth, als er dem daraus möglicherweise erzielbaren Gewinn an Geld
entsprach.« Indess zeigen die Bauernaufstände der allerneuesten Zeit
und ihre Ursachen, dass die jetzige Art der Besteuerung ihre grossen
Härten hat, nach schlechten Ernten unerschwinglich ist und die Be-
völkerung zur Verzweiflung bringen kann.

Nach jenen Untersuchungen und Bestimmungen des japanischen
Finanzministeriums im Jahre 1873, welche sich nur auf das alte
O-yashima erstreckten, berechnete sich das gesammte Areal

des Reislandes auf 2539090 chô = 2518106 ha
des trockenen Feldes auf 1732449 ‒ = 1718122 ‒
des gesammten Culturlandes auf 4271539 chô = 4236228 ha
*) Japans landwirthschaftliche Verhältnisse. Jena 1882.
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[10/0030] I. Land- und Forstwirthschaft. Belastung ansah und mit Misstrauen und Widerwillen aufnahm. Sie wurde indess durchgeführt und zwar in folgender Weise: Auf Grund der alten Eintheilung des bebauten Bodens in Reis- land (ta) und trockenes Ackerland (hata), und der Annahme, dass der Ertrag eines chô des ersteren dem von 2,6 chô des letzteren gleich zu rechnen sei, liess die Regierung im Jahre 1873 sowohl die Höhe der durchschnittlichen Ernteerträge als auch des Landwerthes in den einzelnen Ken taxieren und bestimmte dann, dass 3 % dieses Grund- werthes als jährliche Staatssteuer zu erheben seien, ein Steuersatz, der am 4. Jan. 1877 auf 2½ % herabgesetzt wurde. Zu dieser allge- meinen Staatssteuer kommt nun aber noch die Bezirks- oder Ken- Steuer, welche zwischen ½ und 2½ % des Bodenwerthes schwankt, nach ihren Zwecken im Allgemeinen unserer Kreis- und Communal- steuer entspricht und wozu auch alle Anstalten (Theater etc.) und Personen herangezogen werden, welche der Unterhaltung und dem Vergnügen dienen. Liebscher *) sagt bezüglich dieser Grundsteuer, welche also nomi- nell 2½ %, factisch d. h. mit Hinzurechnung der Kensteuer 3—5 % vom Werthe der Felder beträgt, dass sie in andern Ländern uner- schwinglich hoch sein würde, der Besitz des Ackers jedoch für den japanischen Landmann etwas ganz anderes bedeute, als wir gewöhn- lich darunter verstehen. »Wie der Arbeiter bei uns für ein Fleckchen Land, welches er in seiner Freizeit bearbeitet, für dessen Düngung und Bewirthschaftung er sich nichts zur Last schreibt, im Stande ist, einen weit höheren Kauf- oder Pachtpreis zu zahlen, als der grössere Oekonom, so hatte auch das Ackerland für alle japanischen Bauern, weil es für ihre Existenz unbedingt nöthig war, einen weit höheren Werth, als er dem daraus möglicherweise erzielbaren Gewinn an Geld entsprach.« Indess zeigen die Bauernaufstände der allerneuesten Zeit und ihre Ursachen, dass die jetzige Art der Besteuerung ihre grossen Härten hat, nach schlechten Ernten unerschwinglich ist und die Be- völkerung zur Verzweiflung bringen kann. Nach jenen Untersuchungen und Bestimmungen des japanischen Finanzministeriums im Jahre 1873, welche sich nur auf das alte O-yashima erstreckten, berechnete sich das gesammte Areal des Reislandes auf 2539090 chô = 2518106 ha des trockenen Feldes auf 1732449 ‒ = 1718122 ‒ des gesammten Culturlandes auf 4271539 chô = 4236228 ha *) Japans landwirthschaftliche Verhältnisse. Jena 1882.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/30>, abgerufen am 29.03.2024.