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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.

Heisse Quellen, besonders indifferente, und Schwefelthermen sind
zahlreich und fehlen keiner Provinz. Erdbeben und Erdbebenfluthen
haben, ebenso wie gewaltige Eruptionen mit ihren Aschenregen und
Lavaströmen, von Zeit zu Zeit das Land in Schrecken gesetzt und
theilweise verwüstet.

Der vorherrschende Gebirgscharakter Japans und die eigenartige
Betriebsweise seiner Landwirthschaft mit vorwiegendem Reisbau be-
schränken dieselbe mehr oder minder auf die Ebenen und Thalsohlen
und machen den geringen Procentsatz erklärlich. Unstreitig ist noch
ein ansehnlicher Theil des Bodens culturfähig, so auf Yezo und im
Norden von Hondo, insbesondere auch von der Hara, und manche Mulde
in den Gebirgswäldern, doch nicht in der Ausdehnung, wie vielfach
behauptet wurde. Aber diese Bodencultur muss auf ganz anderer
Grundlage erfolgen, wie die bisherige, und Hand in Hand gehen mit
der Anlage besserer Verkehrsmittel, der Entwickelung der Viehzucht
und der Gewinnung eines ausreichenden Stalldüngers durch dieselbe,
sowie der Einführung einer mehr extensiven Betriebsweise mit zweck-
entsprechenderen Geräthen und Maschinen, der Wechselwirthschaft
und andern Verbesserungen mehr. Sie würde zugleich die ganze
Wohn- und Lebensweise des Bauern umzugestalten haben und kann
schon aus diesem Grunde nicht im Handumdrehen erfolgen, sondern
muss sich allmählich vollziehen und ohne gewaltsames Eingreifen der
Regierungsorgane.

Fesca weist an einigen Beispielen überzeugend nach, wie von
den drei maassgebenden Factoren, von welchen die Landwirthschaft
abhängig ist: "den allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnissen, dem
Boden und dem Klima", der erstere wichtiger ist, als der zweite, und
unstreitig eine extensivere Entwickelung der japanischen Landwirth-
schaft in hohem Grade gehemmt hat. "Die Transportkosten für die
hier am theuersten bezahlte Frucht, den Reis, welcher etwa einen Preis
von 5 Mk. per 50 Kilo hat, haben bei einem Transporte von höchstens
20 geogr. Meilen auf den besten Landwegen bereits die Höhe des
Marktpreises erreicht, während nach Settegast in Deutschland Hülsen-
früchte und Weizen bei nur dem doppelten Marktpreis von 10 Mk.
per 50 Kilo auf den gewöhnlichen Landstrassen 66,67 Meilen, auf den
Kunststrassen 100 Meilen und auf den Eisenbahnen 400 Meilen weit
transportirt werden können, bevor die Transportkosten den Marktpreis
erreicht haben. Auf den schlechteren Landwegen verträgt in Japan
der Reis noch nicht einen Transport von 5 Meilen. Daher finden wir
denn, dass in einiger Entfernung von der Meeresküste, überall da, wo
das wirthschaftlich mögliche Absatzgebiet für den guten Boden zu klein

I. Land- und Forstwirthschaft.

Heisse Quellen, besonders indifferente, und Schwefelthermen sind
zahlreich und fehlen keiner Provinz. Erdbeben und Erdbebenfluthen
haben, ebenso wie gewaltige Eruptionen mit ihren Aschenregen und
Lavaströmen, von Zeit zu Zeit das Land in Schrecken gesetzt und
theilweise verwüstet.

Der vorherrschende Gebirgscharakter Japans und die eigenartige
Betriebsweise seiner Landwirthschaft mit vorwiegendem Reisbau be-
schränken dieselbe mehr oder minder auf die Ebenen und Thalsohlen
und machen den geringen Procentsatz erklärlich. Unstreitig ist noch
ein ansehnlicher Theil des Bodens culturfähig, so auf Yezo und im
Norden von Hondo, insbesondere auch von der Hara, und manche Mulde
in den Gebirgswäldern, doch nicht in der Ausdehnung, wie vielfach
behauptet wurde. Aber diese Bodencultur muss auf ganz anderer
Grundlage erfolgen, wie die bisherige, und Hand in Hand gehen mit
der Anlage besserer Verkehrsmittel, der Entwickelung der Viehzucht
und der Gewinnung eines ausreichenden Stalldüngers durch dieselbe,
sowie der Einführung einer mehr extensiven Betriebsweise mit zweck-
entsprechenderen Geräthen und Maschinen, der Wechselwirthschaft
und andern Verbesserungen mehr. Sie würde zugleich die ganze
Wohn- und Lebensweise des Bauern umzugestalten haben und kann
schon aus diesem Grunde nicht im Handumdrehen erfolgen, sondern
muss sich allmählich vollziehen und ohne gewaltsames Eingreifen der
Regierungsorgane.

Fesca weist an einigen Beispielen überzeugend nach, wie von
den drei maassgebenden Factoren, von welchen die Landwirthschaft
abhängig ist: »den allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnissen, dem
Boden und dem Klima«, der erstere wichtiger ist, als der zweite, und
unstreitig eine extensivere Entwickelung der japanischen Landwirth-
schaft in hohem Grade gehemmt hat. »Die Transportkosten für die
hier am theuersten bezahlte Frucht, den Reis, welcher etwa einen Preis
von 5 Mk. per 50 Kilo hat, haben bei einem Transporte von höchstens
20 geogr. Meilen auf den besten Landwegen bereits die Höhe des
Marktpreises erreicht, während nach Settegast in Deutschland Hülsen-
früchte und Weizen bei nur dem doppelten Marktpreis von 10 Mk.
per 50 Kilo auf den gewöhnlichen Landstrassen 66,67 Meilen, auf den
Kunststrassen 100 Meilen und auf den Eisenbahnen 400 Meilen weit
transportirt werden können, bevor die Transportkosten den Marktpreis
erreicht haben. Auf den schlechteren Landwegen verträgt in Japan
der Reis noch nicht einen Transport von 5 Meilen. Daher finden wir
denn, dass in einiger Entfernung von der Meeresküste, überall da, wo
das wirthschaftlich mögliche Absatzgebiet für den guten Boden zu klein

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[18/0038] I. Land- und Forstwirthschaft. Heisse Quellen, besonders indifferente, und Schwefelthermen sind zahlreich und fehlen keiner Provinz. Erdbeben und Erdbebenfluthen haben, ebenso wie gewaltige Eruptionen mit ihren Aschenregen und Lavaströmen, von Zeit zu Zeit das Land in Schrecken gesetzt und theilweise verwüstet. Der vorherrschende Gebirgscharakter Japans und die eigenartige Betriebsweise seiner Landwirthschaft mit vorwiegendem Reisbau be- schränken dieselbe mehr oder minder auf die Ebenen und Thalsohlen und machen den geringen Procentsatz erklärlich. Unstreitig ist noch ein ansehnlicher Theil des Bodens culturfähig, so auf Yezo und im Norden von Hondo, insbesondere auch von der Hara, und manche Mulde in den Gebirgswäldern, doch nicht in der Ausdehnung, wie vielfach behauptet wurde. Aber diese Bodencultur muss auf ganz anderer Grundlage erfolgen, wie die bisherige, und Hand in Hand gehen mit der Anlage besserer Verkehrsmittel, der Entwickelung der Viehzucht und der Gewinnung eines ausreichenden Stalldüngers durch dieselbe, sowie der Einführung einer mehr extensiven Betriebsweise mit zweck- entsprechenderen Geräthen und Maschinen, der Wechselwirthschaft und andern Verbesserungen mehr. Sie würde zugleich die ganze Wohn- und Lebensweise des Bauern umzugestalten haben und kann schon aus diesem Grunde nicht im Handumdrehen erfolgen, sondern muss sich allmählich vollziehen und ohne gewaltsames Eingreifen der Regierungsorgane. Fesca weist an einigen Beispielen überzeugend nach, wie von den drei maassgebenden Factoren, von welchen die Landwirthschaft abhängig ist: »den allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnissen, dem Boden und dem Klima«, der erstere wichtiger ist, als der zweite, und unstreitig eine extensivere Entwickelung der japanischen Landwirth- schaft in hohem Grade gehemmt hat. »Die Transportkosten für die hier am theuersten bezahlte Frucht, den Reis, welcher etwa einen Preis von 5 Mk. per 50 Kilo hat, haben bei einem Transporte von höchstens 20 geogr. Meilen auf den besten Landwegen bereits die Höhe des Marktpreises erreicht, während nach Settegast in Deutschland Hülsen- früchte und Weizen bei nur dem doppelten Marktpreis von 10 Mk. per 50 Kilo auf den gewöhnlichen Landstrassen 66,67 Meilen, auf den Kunststrassen 100 Meilen und auf den Eisenbahnen 400 Meilen weit transportirt werden können, bevor die Transportkosten den Marktpreis erreicht haben. Auf den schlechteren Landwegen verträgt in Japan der Reis noch nicht einen Transport von 5 Meilen. Daher finden wir denn, dass in einiger Entfernung von der Meeresküste, überall da, wo das wirthschaftlich mögliche Absatzgebiet für den guten Boden zu klein

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/38>, abgerufen am 28.03.2024.