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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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IV. Handel und Verkehr.

Alle bis jetzt in Betrieb befindlichen Strecken wurden bis auf die
fünfte von englischen Ingenieuren im Auftrag der Regierung erbaut
und mit englischem Rollmaterial versehen, kamen aber dann unter
japanische Verwaltung und Bedienung, welche sich ihrer neuen Auf-
gabe völlig gewachsen zeigten, so dass grössere Unfälle bis jetzt nicht
vorgekommen sind. Am 12. Juni 1872 wurde die erste Linie von
Tokio nach Yokohama eröffnet. Alle Klassen der Bevölkerung fanden
bald ihre grosse Freude daran und bedienten sich ihrer, so dass das
Verlangen nach den Wohlthaten des neuen Verkehrsmittels auch ander-
wärts rege wurde. Schon am 11. Mai 1874 konnte die zweite Bahn
von Ozaka nach Hiogo dem Verkehr übergeben werden. In den fol-
genden Jahren wurde dieselbe von Ozaka weiter nach Kioto geführt
und ihr endlich am 15. Juli 1880 die Strecke von hier nach Otsu am
Biwa-See hinzugefügt. Dann folgten die Bahnen von Nagahama nach
Tsuruga und nach Ogaki, bei welchen, wie auf der Strecke von Kioto
nach Otsu, Zöglinge der Ingenieurschule unter englischer Leitung ihre
praktische Ausbildung erhielten. Die Verbindung von Otsu nach Na-
gahama wird einstweilen durch Dampfschiffe bewerkstelligt; doch
scheint die Zeit nicht fern zu liegen, wo ein Schienenstrang den See
umgürten und die Dampfschiffe ersetzen wird.

Die letzte der im Betrieb befindlichen Bahnen von Tokio nach
Takasaki wurde im Mai 1884 durch den Mikado eröffnet. Es ist die
erste, welche von Japanern ohne jegliche fremde Hülfe entworfen, erbaut
und in Betrieb gesetzt wurde. Bezog man auch das Rollmaterial noch
aus dem Auslande (Amerika), so giesst man doch bereits Schienen zu
Ikuno bei Kobe und construiert Waggons in Tokio. Das sind in der
That grosse Fortschritte innerhalb einer kurzen Spanne Zeit. Kein
Wunder, dass sie zu neuen Unternehmungen in derselben Richtung
anspornen und eine ganze Anzahl Projekte hervorgerufen haben, deren
Ausführung freilich mit Rücksicht auf die grossen Kosten zum Teil
noch recht lange ein frommer Wunsch bleiben wird.


3. Der Aussenhandel Japans bis zur Erschliessung des Landes
unter Commodore Perry im Jahre 1854.
a. von der Entdeckung des Landes 1542 durch Mendez Pinto bis zum Jahre 1639.

"Die Geschichte der japanischen Unternehmungen nach fremden
Ländern ist noch zu schreiben", bemerkt E. Satow und hebt weiter
hervor, dass die Materialien dazu weit zerstreut sind und erst gesammelt
werden müssen. Es überstiege ebenso meine Kräfte, wie den vor-

IV. Handel und Verkehr.

Alle bis jetzt in Betrieb befindlichen Strecken wurden bis auf die
fünfte von englischen Ingenieuren im Auftrag der Regierung erbaut
und mit englischem Rollmaterial versehen, kamen aber dann unter
japanische Verwaltung und Bedienung, welche sich ihrer neuen Auf-
gabe völlig gewachsen zeigten, so dass grössere Unfälle bis jetzt nicht
vorgekommen sind. Am 12. Juni 1872 wurde die erste Linie von
Tôkio nach Yokohama eröffnet. Alle Klassen der Bevölkerung fanden
bald ihre grosse Freude daran und bedienten sich ihrer, so dass das
Verlangen nach den Wohlthaten des neuen Verkehrsmittels auch ander-
wärts rege wurde. Schon am 11. Mai 1874 konnte die zweite Bahn
von Ôzaka nach Hiogo dem Verkehr übergeben werden. In den fol-
genden Jahren wurde dieselbe von Ôzaka weiter nach Kiôto geführt
und ihr endlich am 15. Juli 1880 die Strecke von hier nach Ôtsu am
Biwa-See hinzugefügt. Dann folgten die Bahnen von Nagahama nach
Tsuruga und nach Ôgaki, bei welchen, wie auf der Strecke von Kiôto
nach Ôtsu, Zöglinge der Ingenieurschule unter englischer Leitung ihre
praktische Ausbildung erhielten. Die Verbindung von Ôtsu nach Na-
gahama wird einstweilen durch Dampfschiffe bewerkstelligt; doch
scheint die Zeit nicht fern zu liegen, wo ein Schienenstrang den See
umgürten und die Dampfschiffe ersetzen wird.

Die letzte der im Betrieb befindlichen Bahnen von Tôkio nach
Takasaki wurde im Mai 1884 durch den Mikado eröffnet. Es ist die
erste, welche von Japanern ohne jegliche fremde Hülfe entworfen, erbaut
und in Betrieb gesetzt wurde. Bezog man auch das Rollmaterial noch
aus dem Auslande (Amerika), so giesst man doch bereits Schienen zu
Ikuno bei Kobe und construiert Waggons in Tôkio. Das sind in der
That grosse Fortschritte innerhalb einer kurzen Spanne Zeit. Kein
Wunder, dass sie zu neuen Unternehmungen in derselben Richtung
anspornen und eine ganze Anzahl Projekte hervorgerufen haben, deren
Ausführung freilich mit Rücksicht auf die grossen Kosten zum Teil
noch recht lange ein frommer Wunsch bleiben wird.


3. Der Aussenhandel Japans bis zur Erschliessung des Landes
unter Commodore Perry im Jahre 1854.
a. von der Entdeckung des Landes 1542 durch Mendez Pinto bis zum Jahre 1639.

»Die Geschichte der japanischen Unternehmungen nach fremden
Ländern ist noch zu schreiben«, bemerkt E. Satow und hebt weiter
hervor, dass die Materialien dazu weit zerstreut sind und erst gesammelt
werden müssen. Es überstiege ebenso meine Kräfte, wie den vor-

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[608/0668] IV. Handel und Verkehr. Alle bis jetzt in Betrieb befindlichen Strecken wurden bis auf die fünfte von englischen Ingenieuren im Auftrag der Regierung erbaut und mit englischem Rollmaterial versehen, kamen aber dann unter japanische Verwaltung und Bedienung, welche sich ihrer neuen Auf- gabe völlig gewachsen zeigten, so dass grössere Unfälle bis jetzt nicht vorgekommen sind. Am 12. Juni 1872 wurde die erste Linie von Tôkio nach Yokohama eröffnet. Alle Klassen der Bevölkerung fanden bald ihre grosse Freude daran und bedienten sich ihrer, so dass das Verlangen nach den Wohlthaten des neuen Verkehrsmittels auch ander- wärts rege wurde. Schon am 11. Mai 1874 konnte die zweite Bahn von Ôzaka nach Hiogo dem Verkehr übergeben werden. In den fol- genden Jahren wurde dieselbe von Ôzaka weiter nach Kiôto geführt und ihr endlich am 15. Juli 1880 die Strecke von hier nach Ôtsu am Biwa-See hinzugefügt. Dann folgten die Bahnen von Nagahama nach Tsuruga und nach Ôgaki, bei welchen, wie auf der Strecke von Kiôto nach Ôtsu, Zöglinge der Ingenieurschule unter englischer Leitung ihre praktische Ausbildung erhielten. Die Verbindung von Ôtsu nach Na- gahama wird einstweilen durch Dampfschiffe bewerkstelligt; doch scheint die Zeit nicht fern zu liegen, wo ein Schienenstrang den See umgürten und die Dampfschiffe ersetzen wird. Die letzte der im Betrieb befindlichen Bahnen von Tôkio nach Takasaki wurde im Mai 1884 durch den Mikado eröffnet. Es ist die erste, welche von Japanern ohne jegliche fremde Hülfe entworfen, erbaut und in Betrieb gesetzt wurde. Bezog man auch das Rollmaterial noch aus dem Auslande (Amerika), so giesst man doch bereits Schienen zu Ikuno bei Kobe und construiert Waggons in Tôkio. Das sind in der That grosse Fortschritte innerhalb einer kurzen Spanne Zeit. Kein Wunder, dass sie zu neuen Unternehmungen in derselben Richtung anspornen und eine ganze Anzahl Projekte hervorgerufen haben, deren Ausführung freilich mit Rücksicht auf die grossen Kosten zum Teil noch recht lange ein frommer Wunsch bleiben wird. 3. Der Aussenhandel Japans bis zur Erschliessung des Landes unter Commodore Perry im Jahre 1854. a. von der Entdeckung des Landes 1542 durch Mendez Pinto bis zum Jahre 1639. »Die Geschichte der japanischen Unternehmungen nach fremden Ländern ist noch zu schreiben«, bemerkt E. Satow und hebt weiter hervor, dass die Materialien dazu weit zerstreut sind und erst gesammelt werden müssen. Es überstiege ebenso meine Kräfte, wie den vor-

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/668>, abgerufen am 29.03.2024.