Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
auch nur um sie aus zufragen vorgehalten werden
sollte, daß sie Briefe mit mir wechselt, so bin ich
gewiß versichert, daß sie sich um aller Welt Güter
willen durch keine Unwahrheit, ja nicht einmahl
durch eine zweydeutige Rede würde heraushelfen
wollen. Wenn sie es aber gestünde, so hätte sie ge-
wiß die Gunst meiner Mutter auf ewig verschertzt.
Jch habe in meiner letzten schweren Kranckheit
meine Mutter zu dem Versprechen bewogen,
wenn ich sterben sollte, ehe ich selbst etwas zum Be-
sten der redlichen Frau thun könnte, sie in solche
Umstände zu setzen, daß sie nicht Mangel leyden
dürfte, wenn sie aus Abnahme des Gesichts oder
wegen Kranckheit sich nicht mehr mit der Nadel
nähren könnte.

Was für Mittel werden nun zunächst erdacht
werden? -- Werden sie nicht nachgeben, wenn
sie überzeugt werden, daß blos ein allzutieff gewur-
zelter Wiederwille ein sonst beugsahmes Gemüth
unbeweglich macht?

Leben Sie wohl, mein Schatz! Leben Sie glück-
lich. An Jhrem Glücke mangelt nichts, als daß
Sie sich Jhres Glücks nicht völlig zu gebrauchen
wissen.

Cl. Harlowe.


Der viertzigste Brieff.
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

(Eine Fortsetzung des 38sten Briefes.)

Es

der Clariſſa.
auch nur um ſie aus zufragen vorgehalten werden
ſollte, daß ſie Briefe mit mir wechſelt, ſo bin ich
gewiß verſichert, daß ſie ſich um aller Welt Guͤter
willen durch keine Unwahrheit, ja nicht einmahl
durch eine zweydeutige Rede wuͤrde heraushelfen
wollen. Wenn ſie es aber geſtuͤnde, ſo haͤtte ſie ge-
wiß die Gunſt meiner Mutter auf ewig verſchertzt.
Jch habe in meiner letzten ſchweren Kranckheit
meine Mutter zu dem Verſprechen bewogen,
wenn ich ſterben ſollte, ehe ich ſelbſt etwas zum Be-
ſten der redlichen Frau thun koͤnnte, ſie in ſolche
Umſtaͤnde zu ſetzen, daß ſie nicht Mangel leyden
duͤrfte, wenn ſie aus Abnahme des Geſichts oder
wegen Kranckheit ſich nicht mehr mit der Nadel
naͤhren koͤnnte.

Was fuͤr Mittel werden nun zunaͤchſt erdacht
werden? ‒‒ Werden ſie nicht nachgeben, wenn
ſie uͤberzeugt werden, daß blos ein allzutieff gewur-
zelter Wiederwille ein ſonſt beugſahmes Gemuͤth
unbeweglich macht?

Leben Sie wohl, mein Schatz! Leben Sie gluͤck-
lich. An Jhrem Gluͤcke mangelt nichts, als daß
Sie ſich Jhres Gluͤcks nicht voͤllig zu gebrauchen
wiſſen.

Cl. Harlowe.


Der viertzigſte Brieff.
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

(Eine Fortſetzung des 38ſten Briefes.)

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0465" n="445"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a.</hi></hi></fw><lb/>
auch nur um &#x017F;ie aus zufragen vorgehalten werden<lb/>
&#x017F;ollte, daß &#x017F;ie Briefe mit mir wech&#x017F;elt, &#x017F;o bin ich<lb/>
gewiß ver&#x017F;ichert, daß &#x017F;ie &#x017F;ich um aller Welt Gu&#x0364;ter<lb/>
willen durch keine Unwahrheit, ja nicht einmahl<lb/>
durch eine zweydeutige Rede wu&#x0364;rde heraushelfen<lb/>
wollen. Wenn &#x017F;ie es aber ge&#x017F;tu&#x0364;nde, &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie ge-<lb/>
wiß die Gun&#x017F;t meiner Mutter auf ewig ver&#x017F;chertzt.<lb/>
Jch habe in meiner letzten &#x017F;chweren Kranckheit<lb/>
meine Mutter zu dem Ver&#x017F;prechen bewogen,<lb/>
wenn ich &#x017F;terben &#x017F;ollte, ehe ich &#x017F;elb&#x017F;t etwas zum Be-<lb/>
&#x017F;ten der redlichen Frau thun ko&#x0364;nnte, &#x017F;ie in &#x017F;olche<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu &#x017F;etzen, daß &#x017F;ie nicht Mangel leyden<lb/>
du&#x0364;rfte, wenn &#x017F;ie aus Abnahme des Ge&#x017F;ichts oder<lb/>
wegen Kranckheit &#x017F;ich nicht mehr mit der Nadel<lb/>
na&#x0364;hren ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
        <p>Was fu&#x0364;r Mittel werden nun zuna&#x0364;ch&#x017F;t erdacht<lb/>
werden? &#x2012;&#x2012; Werden &#x017F;ie nicht nachgeben, wenn<lb/>
&#x017F;ie u&#x0364;berzeugt werden, daß blos ein allzutieff gewur-<lb/>
zelter Wiederwille ein &#x017F;on&#x017F;t beug&#x017F;ahmes Gemu&#x0364;th<lb/>
unbeweglich macht?</p><lb/>
        <p>Leben Sie wohl, mein Schatz! Leben Sie glu&#x0364;ck-<lb/>
lich. An Jhrem Glu&#x0364;cke mangelt nichts, als daß<lb/>
Sie &#x017F;ich Jhres Glu&#x0364;cks nicht vo&#x0364;llig zu gebrauchen<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Cl. Harlowe.</hi> </hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="2">
        <head><hi rendition="#fr">Der viertzig&#x017F;te Brieff.</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a</hi> H<hi rendition="#fr">arlowe an Fra&#x0364;ulein</hi><lb/>
H<hi rendition="#fr">owe.</hi></head><lb/>
        <p> <hi rendition="#c">(Eine Fort&#x017F;etzung des 38&#x017F;ten Briefes.)</hi> </p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[445/0465] der Clariſſa. auch nur um ſie aus zufragen vorgehalten werden ſollte, daß ſie Briefe mit mir wechſelt, ſo bin ich gewiß verſichert, daß ſie ſich um aller Welt Guͤter willen durch keine Unwahrheit, ja nicht einmahl durch eine zweydeutige Rede wuͤrde heraushelfen wollen. Wenn ſie es aber geſtuͤnde, ſo haͤtte ſie ge- wiß die Gunſt meiner Mutter auf ewig verſchertzt. Jch habe in meiner letzten ſchweren Kranckheit meine Mutter zu dem Verſprechen bewogen, wenn ich ſterben ſollte, ehe ich ſelbſt etwas zum Be- ſten der redlichen Frau thun koͤnnte, ſie in ſolche Umſtaͤnde zu ſetzen, daß ſie nicht Mangel leyden duͤrfte, wenn ſie aus Abnahme des Geſichts oder wegen Kranckheit ſich nicht mehr mit der Nadel naͤhren koͤnnte. Was fuͤr Mittel werden nun zunaͤchſt erdacht werden? ‒‒ Werden ſie nicht nachgeben, wenn ſie uͤberzeugt werden, daß blos ein allzutieff gewur- zelter Wiederwille ein ſonſt beugſahmes Gemuͤth unbeweglich macht? Leben Sie wohl, mein Schatz! Leben Sie gluͤck- lich. An Jhrem Gluͤcke mangelt nichts, als daß Sie ſich Jhres Gluͤcks nicht voͤllig zu gebrauchen wiſſen. Cl. Harlowe. Der viertzigſte Brieff. von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. (Eine Fortſetzung des 38ſten Briefes.) Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/465
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/465>, abgerufen am 29.03.2024.