Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



einmahl über einen jungen Fecht-Hahn, der seinen
demüthigen Nächsten, einen andern Hahn, bestän-
dig hackete, so zornig ward, daß ich ihm aus Mensch-
lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die
Folge davon? Der andere Hahn ward eben so
schlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete
die Hähne wieder, die schwächer waren als er.
Jch sahe, daß ich den ersten hätte können leben
lassen, und daß die Feindseeligkeit in der Natur der
Thiere gegründet ist.

Verzeihen Sie mir meine losen Einfälle. Jch
wollte gerne verursachen, daß Sie mitten in Jhrer
Ernsthaftigkeit lachen müsten. Jch wünschte, daß
ich bey Jhnen wäre. O wenn Sie doch mein An-
erbieten Sie zu begleiten angenommen hätten.
Doch ich sehe, es ist Jhnen nichts angenehm, was
ich anbiete. Nehmen Sie sich in Acht! ich werde
recht böse auf Sie werden, und alsdenn pflege ich
niemanden zu schonen. Denn so sehr ich Sie liebe,
kann ich doch nicht unterlassen bisweilen zu seyn

Jhre eigensinnige
Anna Howe.


Der drey und viertzigste Brief
von
Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein
Howe.

Herr Lovelace hat mir diesen Morgen sehr
früh von meines Bruders Vorhaben Nach-

richt
Y 2



einmahl uͤber einen jungen Fecht-Hahn, der ſeinen
demuͤthigen Naͤchſten, einen andern Hahn, beſtaͤn-
dig hackete, ſo zornig ward, daß ich ihm aus Menſch-
lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die
Folge davon? Der andere Hahn ward eben ſo
ſchlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete
die Haͤhne wieder, die ſchwaͤcher waren als er.
Jch ſahe, daß ich den erſten haͤtte koͤnnen leben
laſſen, und daß die Feindſeeligkeit in der Natur der
Thiere gegruͤndet iſt.

Verzeihen Sie mir meine loſen Einfaͤlle. Jch
wollte gerne verurſachen, daß Sie mitten in Jhrer
Ernſthaftigkeit lachen muͤſten. Jch wuͤnſchte, daß
ich bey Jhnen waͤre. O wenn Sie doch mein An-
erbieten Sie zu begleiten angenommen haͤtten.
Doch ich ſehe, es iſt Jhnen nichts angenehm, was
ich anbiete. Nehmen Sie ſich in Acht! ich werde
recht boͤſe auf Sie werden, und alsdenn pflege ich
niemanden zu ſchonen. Denn ſo ſehr ich Sie liebe,
kann ich doch nicht unterlaſſen bisweilen zu ſeyn

Jhre eigenſinnige
Anna Howe.


Der drey und viertzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.

Herr Lovelace hat mir dieſen Morgen ſehr
fruͤh von meines Bruders Vorhaben Nach-

richt
Y 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0353" n="339"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
einmahl u&#x0364;ber einen jungen Fecht-Hahn, der &#x017F;einen<lb/>
demu&#x0364;thigen Na&#x0364;ch&#x017F;ten, einen andern Hahn, be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig hackete, &#x017F;o zornig ward, daß ich ihm aus Men&#x017F;ch-<lb/>
lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die<lb/>
Folge davon? Der andere Hahn ward eben &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete<lb/>
die Ha&#x0364;hne wieder, die &#x017F;chwa&#x0364;cher waren als er.<lb/>
Jch &#x017F;ahe, daß ich den er&#x017F;ten ha&#x0364;tte ko&#x0364;nnen leben<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, und daß die Feind&#x017F;eeligkeit in der Natur der<lb/>
Thiere gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Verzeihen Sie mir meine lo&#x017F;en Einfa&#x0364;lle. Jch<lb/>
wollte gerne verur&#x017F;achen, daß Sie mitten in Jhrer<lb/>
Ern&#x017F;thaftigkeit lachen mu&#x0364;&#x017F;ten. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte, daß<lb/>
ich bey Jhnen wa&#x0364;re. O wenn Sie doch mein An-<lb/>
erbieten Sie zu begleiten angenommen ha&#x0364;tten.<lb/>
Doch ich &#x017F;ehe, es i&#x017F;t Jhnen nichts angenehm, was<lb/>
ich anbiete. Nehmen Sie &#x017F;ich in Acht! ich werde<lb/>
recht bo&#x0364;&#x017F;e auf Sie werden, und alsdenn pflege ich<lb/>
niemanden zu &#x017F;chonen. Denn &#x017F;o &#x017F;ehr ich Sie liebe,<lb/>
kann ich doch nicht unterla&#x017F;&#x017F;en bisweilen zu &#x017F;eyn</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Jhre eigen&#x017F;innige<lb/><hi rendition="#fr">Anna Howe.</hi></hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der drey und viertzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe an Fra&#x0364;ulein<lb/>
Howe.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Freytags den 21ten April.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">H</hi>err <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> hat mir die&#x017F;en Morgen &#x017F;ehr<lb/>
fru&#x0364;h von meines Bruders Vorhaben Nach-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 2</fw><fw place="bottom" type="catch">richt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[339/0353] einmahl uͤber einen jungen Fecht-Hahn, der ſeinen demuͤthigen Naͤchſten, einen andern Hahn, beſtaͤn- dig hackete, ſo zornig ward, daß ich ihm aus Menſch- lichkeit den Hals umdrehen lies. Was war die Folge davon? Der andere Hahn ward eben ſo ſchlimm, als er kein Creutz mehr hatte, und hackete die Haͤhne wieder, die ſchwaͤcher waren als er. Jch ſahe, daß ich den erſten haͤtte koͤnnen leben laſſen, und daß die Feindſeeligkeit in der Natur der Thiere gegruͤndet iſt. Verzeihen Sie mir meine loſen Einfaͤlle. Jch wollte gerne verurſachen, daß Sie mitten in Jhrer Ernſthaftigkeit lachen muͤſten. Jch wuͤnſchte, daß ich bey Jhnen waͤre. O wenn Sie doch mein An- erbieten Sie zu begleiten angenommen haͤtten. Doch ich ſehe, es iſt Jhnen nichts angenehm, was ich anbiete. Nehmen Sie ſich in Acht! ich werde recht boͤſe auf Sie werden, und alsdenn pflege ich niemanden zu ſchonen. Denn ſo ſehr ich Sie liebe, kann ich doch nicht unterlaſſen bisweilen zu ſeyn Jhre eigenſinnige Anna Howe. Der drey und viertzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe. Freytags den 21ten April. Herr Lovelace hat mir dieſen Morgen ſehr fruͤh von meines Bruders Vorhaben Nach- richt Y 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/353
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/353>, abgerufen am 29.03.2024.