Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Alpenroth.

Frohnleichnam 1832.

Der Waldsänger ist nun auch verstummt. Sein
ganzes Leben und Sterben ist angelegt, wie ein
rosenprangender Dornstrauch in der Wildniß.

Ich habe seine wunderlichen Worte so gerne
aufgeschrieben; nun lege ich sein Ende nieder in
diesen Blättern.

Der Kropfjodel hat auf der Zahnalm eine
Hirtenhütte. Und in dieser Hirtenhütte hat er zur
Sommerszeit zwei übermüthige Söhne, welche die
Rinder versorgen und zu ihrem Zeitvertreib aller-
hand Tollheiten begehen. In letzter Zeit hat sich
der Rüppel bei ihnen aufgehalten und ihnen durch
seine wunderlichen Lieder und Strohharfenspiele
Spaß gemacht. Der Alte ist schon völlig verwirrt
und gar zum Erbarmen schwachsichtig gewesen. Und
das ist den Jungen just ein rechtes Spielzeug.
Allerwege ist der Alte der Bock, auf dem sie reiten;
und er läßt es nicht ungerne geschehen; es freut

Alpenroth.

Frohnleichnam 1832.

Der Waldſänger iſt nun auch verſtummt. Sein
ganzes Leben und Sterben iſt angelegt, wie ein
roſenprangender Dornſtrauch in der Wildniß.

Ich habe ſeine wunderlichen Worte ſo gerne
aufgeſchrieben; nun lege ich ſein Ende nieder in
dieſen Blättern.

Der Kropfjodel hat auf der Zahnalm eine
Hirtenhütte. Und in dieſer Hirtenhütte hat er zur
Sommerszeit zwei übermüthige Söhne, welche die
Rinder verſorgen und zu ihrem Zeitvertreib aller-
hand Tollheiten begehen. In letzter Zeit hat ſich
der Rüppel bei ihnen aufgehalten und ihnen durch
ſeine wunderlichen Lieder und Strohharfenſpiele
Spaß gemacht. Der Alte iſt ſchon völlig verwirrt
und gar zum Erbarmen ſchwachſichtig geweſen. Und
das iſt den Jungen juſt ein rechtes Spielzeug.
Allerwege iſt der Alte der Bock, auf dem ſie reiten;
und er läßt es nicht ungerne geſchehen; es freut

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0393" n="383"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Alpenroth.</hi> </head><lb/>
          <p>
            <date> <hi rendition="#et">Frohnleichnam 1832.</hi> </date>
          </p><lb/>
          <p>Der Wald&#x017F;änger i&#x017F;t nun auch ver&#x017F;tummt. Sein<lb/>
ganzes Leben und Sterben i&#x017F;t angelegt, wie ein<lb/>
ro&#x017F;enprangender Dorn&#x017F;trauch in der Wildniß.</p><lb/>
          <p>Ich habe &#x017F;eine wunderlichen Worte &#x017F;o gerne<lb/>
aufge&#x017F;chrieben; nun lege ich &#x017F;ein Ende nieder in<lb/>
die&#x017F;en Blättern.</p><lb/>
          <p>Der Kropfjodel hat auf der Zahnalm eine<lb/>
Hirtenhütte. Und in die&#x017F;er Hirtenhütte hat er zur<lb/>
Sommerszeit zwei übermüthige Söhne, welche die<lb/>
Rinder ver&#x017F;orgen und zu ihrem Zeitvertreib aller-<lb/>
hand Tollheiten begehen. In letzter Zeit hat &#x017F;ich<lb/>
der Rüppel bei ihnen aufgehalten und ihnen durch<lb/>
&#x017F;eine wunderlichen Lieder und Strohharfen&#x017F;piele<lb/>
Spaß gemacht. Der Alte i&#x017F;t &#x017F;chon völlig verwirrt<lb/>
und gar zum Erbarmen &#x017F;chwach&#x017F;ichtig gewe&#x017F;en. Und<lb/>
das i&#x017F;t den Jungen ju&#x017F;t ein rechtes Spielzeug.<lb/>
Allerwege i&#x017F;t der Alte der Bock, auf dem &#x017F;ie reiten;<lb/>
und er läßt es nicht ungerne ge&#x017F;chehen; es freut<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0393] Alpenroth. Frohnleichnam 1832. Der Waldſänger iſt nun auch verſtummt. Sein ganzes Leben und Sterben iſt angelegt, wie ein roſenprangender Dornſtrauch in der Wildniß. Ich habe ſeine wunderlichen Worte ſo gerne aufgeſchrieben; nun lege ich ſein Ende nieder in dieſen Blättern. Der Kropfjodel hat auf der Zahnalm eine Hirtenhütte. Und in dieſer Hirtenhütte hat er zur Sommerszeit zwei übermüthige Söhne, welche die Rinder verſorgen und zu ihrem Zeitvertreib aller- hand Tollheiten begehen. In letzter Zeit hat ſich der Rüppel bei ihnen aufgehalten und ihnen durch ſeine wunderlichen Lieder und Strohharfenſpiele Spaß gemacht. Der Alte iſt ſchon völlig verwirrt und gar zum Erbarmen ſchwachſichtig geweſen. Und das iſt den Jungen juſt ein rechtes Spielzeug. Allerwege iſt der Alte der Bock, auf dem ſie reiten; und er läßt es nicht ungerne geſchehen; es freut

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/393
Zitationshilfe: Rosegger, Peter: Die Schriften des Waldschulmeisters. Pest, 1875, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosegger_waldschulmeister_1875/393>, abgerufen am 18.04.2024.