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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Man sah in zahlreichen Fällen nach dem Abtreiben der Waldung die
Quellen ausbleiben, ja in einigen Fällen sah man nach erfolgter Wieder-
bewaldung die Quellen aufs neue fließen.

Ich habe mich an dieser Stelle, dem punctum saliens meiner Arbeit,
vor einer Unterstellung zu sichern, vor der nämlich, als sehe ich überall
nur schlechte Waldwirthschaft, und dadurch sicher über Deutschland herein-
brechende Nachtheile.

So steht es zum Glück nicht. Es ist dankbar anzuerkennen, daß
in den meisten deutschen Staaten, voran das Königreich Sachsen, eine
musterhafte Bewirthschaftung der Staatsforsten betrieben wird, und daß
daher seit einem Menschenalter der Zustand vieler derselben eher besser
als schlechter geworden ist, wodurch jedoch das Wort H. Cotta's, was
ich zum Motto des 1. Abschnitts gewählt habe, nicht widerlegt wird.

Aber etwa die Hälfte des deutschen Waldgrundes ist in Privat- und
Gemeindebesitz, der sich nicht gern in seinem Gebahren beschränken läßt.
In Oesterreich finden sich über 35 Millionen niederösterreichische Joch
Waldboden, von welchen blos 6,465,700 Joch Reichsforsten sind. Selbst
im Königreich Sachsen, wo man sehr bedacht ist, das Staatswaldgebiet
durch neue Erwerbungen zu vergrößern, ist das Areal der Privat- und
Gemeindewaldungen doppelt so groß als jenes.

Die in fortdauernder Steigerung begriffenen Holzpreise deuten auf
die in gleichem Maaße stattfindende Zunahme des Holzbedarfs. Das
reizt sehr natürlich den Privatbesitzer zum Abtreiben ganzer Bestände, von
deren hoher Verwerthung bei halbwegs guter Abfuhre er im voraus über-
zeugt sein kann. Um sich hier ein billiges Urtheil über dieses schonungs-
lose Gebahren abzugewinnen, muß man sich der ungewöhnlichen Werth-
und Nutzungsverhältnisse des Waldbodens gegenüber dem Ackerboden
erinnern. Anstatt vieler nur ein Beispiel. Nach Pfeils Berechnung
beläuft sich der jährliche Ertrag eines Morgens Staatsforst in Preußen
auf -- 16 Sgr., natürlich bei nachhaltiger und pfleglicher Bewirthschaftung
der Waldungen, welche aus dem Walde jährlich nicht mehr an Holzmasse
hinwegnimmt, als jährlich am stehen bleibenden Holze zuwächst. Es liegt
auf der Hand, daß ein nach diesem Maaßstabe bewirthschafteter Privatwald
von einigen hundert Morgen seinem Besitzer wenig abwirft, während
dieser durch den kahlen Abtrieb mit einemmale ein großes Kapital und

Man ſah in zahlreichen Fällen nach dem Abtreiben der Waldung die
Quellen ausbleiben, ja in einigen Fällen ſah man nach erfolgter Wieder-
bewaldung die Quellen aufs neue fließen.

Ich habe mich an dieſer Stelle, dem punctum saliens meiner Arbeit,
vor einer Unterſtellung zu ſichern, vor der nämlich, als ſehe ich überall
nur ſchlechte Waldwirthſchaft, und dadurch ſicher über Deutſchland herein-
brechende Nachtheile.

So ſteht es zum Glück nicht. Es iſt dankbar anzuerkennen, daß
in den meiſten deutſchen Staaten, voran das Königreich Sachſen, eine
muſterhafte Bewirthſchaftung der Staatsforſten betrieben wird, und daß
daher ſeit einem Menſchenalter der Zuſtand vieler derſelben eher beſſer
als ſchlechter geworden iſt, wodurch jedoch das Wort H. Cotta’s, was
ich zum Motto des 1. Abſchnitts gewählt habe, nicht widerlegt wird.

Aber etwa die Hälfte des deutſchen Waldgrundes iſt in Privat- und
Gemeindebeſitz, der ſich nicht gern in ſeinem Gebahren beſchränken läßt.
In Oeſterreich finden ſich über 35 Millionen niederöſterreichiſche Joch
Waldboden, von welchen blos 6,465,700 Joch Reichsforſten ſind. Selbſt
im Königreich Sachſen, wo man ſehr bedacht iſt, das Staatswaldgebiet
durch neue Erwerbungen zu vergrößern, iſt das Areal der Privat- und
Gemeindewaldungen doppelt ſo groß als jenes.

Die in fortdauernder Steigerung begriffenen Holzpreiſe deuten auf
die in gleichem Maaße ſtattfindende Zunahme des Holzbedarfs. Das
reizt ſehr natürlich den Privatbeſitzer zum Abtreiben ganzer Beſtände, von
deren hoher Verwerthung bei halbwegs guter Abfuhre er im voraus über-
zeugt ſein kann. Um ſich hier ein billiges Urtheil über dieſes ſchonungs-
loſe Gebahren abzugewinnen, muß man ſich der ungewöhnlichen Werth-
und Nutzungsverhältniſſe des Waldbodens gegenüber dem Ackerboden
erinnern. Anſtatt vieler nur ein Beiſpiel. Nach Pfeils Berechnung
beläuft ſich der jährliche Ertrag eines Morgens Staatsforſt in Preußen
auf — 16 Sgr., natürlich bei nachhaltiger und pfleglicher Bewirthſchaftung
der Waldungen, welche aus dem Walde jährlich nicht mehr an Holzmaſſe
hinwegnimmt, als jährlich am ſtehen bleibenden Holze zuwächſt. Es liegt
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von einigen hundert Morgen ſeinem Beſitzer wenig abwirft, während
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[570/0626] Man ſah in zahlreichen Fällen nach dem Abtreiben der Waldung die Quellen ausbleiben, ja in einigen Fällen ſah man nach erfolgter Wieder- bewaldung die Quellen aufs neue fließen. Ich habe mich an dieſer Stelle, dem punctum saliens meiner Arbeit, vor einer Unterſtellung zu ſichern, vor der nämlich, als ſehe ich überall nur ſchlechte Waldwirthſchaft, und dadurch ſicher über Deutſchland herein- brechende Nachtheile. So ſteht es zum Glück nicht. Es iſt dankbar anzuerkennen, daß in den meiſten deutſchen Staaten, voran das Königreich Sachſen, eine muſterhafte Bewirthſchaftung der Staatsforſten betrieben wird, und daß daher ſeit einem Menſchenalter der Zuſtand vieler derſelben eher beſſer als ſchlechter geworden iſt, wodurch jedoch das Wort H. Cotta’s, was ich zum Motto des 1. Abſchnitts gewählt habe, nicht widerlegt wird. Aber etwa die Hälfte des deutſchen Waldgrundes iſt in Privat- und Gemeindebeſitz, der ſich nicht gern in ſeinem Gebahren beſchränken läßt. In Oeſterreich finden ſich über 35 Millionen niederöſterreichiſche Joch Waldboden, von welchen blos 6,465,700 Joch Reichsforſten ſind. Selbſt im Königreich Sachſen, wo man ſehr bedacht iſt, das Staatswaldgebiet durch neue Erwerbungen zu vergrößern, iſt das Areal der Privat- und Gemeindewaldungen doppelt ſo groß als jenes. Die in fortdauernder Steigerung begriffenen Holzpreiſe deuten auf die in gleichem Maaße ſtattfindende Zunahme des Holzbedarfs. Das reizt ſehr natürlich den Privatbeſitzer zum Abtreiben ganzer Beſtände, von deren hoher Verwerthung bei halbwegs guter Abfuhre er im voraus über- zeugt ſein kann. Um ſich hier ein billiges Urtheil über dieſes ſchonungs- loſe Gebahren abzugewinnen, muß man ſich der ungewöhnlichen Werth- und Nutzungsverhältniſſe des Waldbodens gegenüber dem Ackerboden erinnern. Anſtatt vieler nur ein Beiſpiel. Nach Pfeils Berechnung beläuft ſich der jährliche Ertrag eines Morgens Staatsforſt in Preußen auf — 16 Sgr., natürlich bei nachhaltiger und pfleglicher Bewirthſchaftung der Waldungen, welche aus dem Walde jährlich nicht mehr an Holzmaſſe hinwegnimmt, als jährlich am ſtehen bleibenden Holze zuwächſt. Es liegt auf der Hand, daß ein nach dieſem Maaßſtabe bewirthſchafteter Privatwald von einigen hundert Morgen ſeinem Beſitzer wenig abwirft, während dieſer durch den kahlen Abtrieb mit einemmale ein großes Kapital und

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/626>, abgerufen am 29.03.2024.