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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Textil-Industrie.
vielfach verbessert worden, teils um die Produktionsfähigkeit zu erhöhen,
teils um das Mitnehmen und Zerquetschen von Körnern durch die
Walzen zu vermeiden. Auch wurde der Hand- oder Fußbetrieb in
elementaren umgewandelt. Eine ganz besondere Einrichtung hat die
Egreniermaschine von Mac Carthy; eine neuere Konstruktion dieser Art
ist die von Platt Brs. & Comp. in Oldham. Den Walzenegrenier-
maschinen, welche sich für längere Baumwolle vorzüglich eignen, stehen
gegenüber die infolge ihrer stärkeren Wirkung nur für kurzfaserige
Baumwollen verwendbaren Sägenegreniermaschinen, welche als Haupt-
organ eine Axe mit Kreissägeblättern in geringen Abständen haben.
Darüber befindet sich ein Rost, zwischen dessen Spalten die Blätter
hindurchgreifen. Bei der Rotation erfassen die letzteren mit ihren
Zähnen die Haare der auf den Rost gelegten Baumwollmasse und
reißen sie ab, während die Körner von dem Rost zurückgehalten werden.
Auch diese Maschinen, welche in der beschriebenen Einrichtung von
Eleazar Carver herrühren, haben eine Menge von Umänderungen er-
fahren. Als wichtigste derselben ist der Ersatz der Sägeblätter durch
einen mit kurzen Drahthäkchen garnierten Cylinder, Krempel- oder
Kratzencylinder, welcher die gleiche Wirkung wie die Sägen hat, jedoch
die Baumwollhärchen besser fassen kann, anzusehen. Die General
Fibre Company in London hat in jüngster Zeit derartige Maschinen
zur Ausführung gebracht. Die egrenierte Baumwolle wird in Leinwand
oder grobem Baumwollenstoff verpackt, wobei man sich starker hydrau-
lischer oder anderer Pressen bedient, um die Baumwolle auf einen
möglichst kleinen Raum zu bringen und sie gegen Nässe widerstands-
fähig zu machen. Stricke oder Eisenbänder halten die Ballen zusammen.

Einer vielseitigen Behandlung unterliegen die Bastfasern, Flachs,
Hanf, Jute, Nessel etc. zum Zwecke ihrer Isolierung und Reinigung.
Der Flachs wird, wenn er zur Fasergewinnung und nicht zur Samen-
gewinnung dienen soll, bevor er völlig reif ist, geerntet. Man zieht
die Pflanzen aus dem Boden, was man das Raufen nennt. Es muß
sehr vorsichtig geschehen, da der Stengel vor jedem Bruch möglichst zu
bewahren ist. Partieenweise in Handvoll werden die ausgerupften
Pflanzen reihenförmig auf dem Boden ausgebreitet, um an der Luft
gehörig auszutrocknen, wobei sie von Zeit zu Zeit gewendet werden.
Doch baut man die Stengel auch wohl in sogenannten kleinen Kapellen
auf, indem man sie partieenweise schräg gegen einander stellt und oben
zusammenbindet, so daß eine Art offenen Daches von größerer Länge
auf dem Boden gebildet wird, durch welches der Wind streichen kann.
Letztere Methode ist vorzuziehen. Dem Trocknen folgt das Riffeln,
d. i. die Trennung der Samenkapseln und Blätter von der Pflanze.
Man bedient sich hierzu eines eisernen Kammes mit langen Zähnen,
der in eine Bank gesteckt ist, ergreift eine Partie von Leinstengeln an
der Wurzel, schlägt sie in den Kamm ein und zieht sie durch ihn,
wobei Blätter und Kapseln abreißen, so daß die reinen Stengel mit

Die Textil-Induſtrie.
vielfach verbeſſert worden, teils um die Produktionsfähigkeit zu erhöhen,
teils um das Mitnehmen und Zerquetſchen von Körnern durch die
Walzen zu vermeiden. Auch wurde der Hand- oder Fußbetrieb in
elementaren umgewandelt. Eine ganz beſondere Einrichtung hat die
Egreniermaſchine von Mac Carthy; eine neuere Konſtruktion dieſer Art
iſt die von Platt Brs. & Comp. in Oldham. Den Walzenegrenier-
maſchinen, welche ſich für längere Baumwolle vorzüglich eignen, ſtehen
gegenüber die infolge ihrer ſtärkeren Wirkung nur für kurzfaſerige
Baumwollen verwendbaren Sägenegreniermaſchinen, welche als Haupt-
organ eine Axe mit Kreisſägeblättern in geringen Abſtänden haben.
Darüber befindet ſich ein Roſt, zwiſchen deſſen Spalten die Blätter
hindurchgreifen. Bei der Rotation erfaſſen die letzteren mit ihren
Zähnen die Haare der auf den Roſt gelegten Baumwollmaſſe und
reißen ſie ab, während die Körner von dem Roſt zurückgehalten werden.
Auch dieſe Maſchinen, welche in der beſchriebenen Einrichtung von
Eleazar Carver herrühren, haben eine Menge von Umänderungen er-
fahren. Als wichtigſte derſelben iſt der Erſatz der Sägeblätter durch
einen mit kurzen Drahthäkchen garnierten Cylinder, Krempel- oder
Kratzencylinder, welcher die gleiche Wirkung wie die Sägen hat, jedoch
die Baumwollhärchen beſſer faſſen kann, anzuſehen. Die General
Fibre Company in London hat in jüngſter Zeit derartige Maſchinen
zur Ausführung gebracht. Die egrenierte Baumwolle wird in Leinwand
oder grobem Baumwollenſtoff verpackt, wobei man ſich ſtarker hydrau-
liſcher oder anderer Preſſen bedient, um die Baumwolle auf einen
möglichſt kleinen Raum zu bringen und ſie gegen Näſſe widerſtands-
fähig zu machen. Stricke oder Eiſenbänder halten die Ballen zuſammen.

Einer vielſeitigen Behandlung unterliegen die Baſtfaſern, Flachs,
Hanf, Jute, Neſſel ꝛc. zum Zwecke ihrer Iſolierung und Reinigung.
Der Flachs wird, wenn er zur Faſergewinnung und nicht zur Samen-
gewinnung dienen ſoll, bevor er völlig reif iſt, geerntet. Man zieht
die Pflanzen aus dem Boden, was man das Raufen nennt. Es muß
ſehr vorſichtig geſchehen, da der Stengel vor jedem Bruch möglichſt zu
bewahren iſt. Partieenweiſe in Handvoll werden die ausgerupften
Pflanzen reihenförmig auf dem Boden ausgebreitet, um an der Luft
gehörig auszutrocknen, wobei ſie von Zeit zu Zeit gewendet werden.
Doch baut man die Stengel auch wohl in ſogenannten kleinen Kapellen
auf, indem man ſie partieenweiſe ſchräg gegen einander ſtellt und oben
zuſammenbindet, ſo daß eine Art offenen Daches von größerer Länge
auf dem Boden gebildet wird, durch welches der Wind ſtreichen kann.
Letztere Methode iſt vorzuziehen. Dem Trocknen folgt das Riffeln,
d. i. die Trennung der Samenkapſeln und Blätter von der Pflanze.
Man bedient ſich hierzu eines eiſernen Kammes mit langen Zähnen,
der in eine Bank geſteckt iſt, ergreift eine Partie von Leinſtengeln an
der Wurzel, ſchlägt ſie in den Kamm ein und zieht ſie durch ihn,
wobei Blätter und Kapſeln abreißen, ſo daß die reinen Stengel mit

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[340/0358] Die Textil-Induſtrie. vielfach verbeſſert worden, teils um die Produktionsfähigkeit zu erhöhen, teils um das Mitnehmen und Zerquetſchen von Körnern durch die Walzen zu vermeiden. Auch wurde der Hand- oder Fußbetrieb in elementaren umgewandelt. Eine ganz beſondere Einrichtung hat die Egreniermaſchine von Mac Carthy; eine neuere Konſtruktion dieſer Art iſt die von Platt Brs. & Comp. in Oldham. Den Walzenegrenier- maſchinen, welche ſich für längere Baumwolle vorzüglich eignen, ſtehen gegenüber die infolge ihrer ſtärkeren Wirkung nur für kurzfaſerige Baumwollen verwendbaren Sägenegreniermaſchinen, welche als Haupt- organ eine Axe mit Kreisſägeblättern in geringen Abſtänden haben. Darüber befindet ſich ein Roſt, zwiſchen deſſen Spalten die Blätter hindurchgreifen. Bei der Rotation erfaſſen die letzteren mit ihren Zähnen die Haare der auf den Roſt gelegten Baumwollmaſſe und reißen ſie ab, während die Körner von dem Roſt zurückgehalten werden. Auch dieſe Maſchinen, welche in der beſchriebenen Einrichtung von Eleazar Carver herrühren, haben eine Menge von Umänderungen er- fahren. Als wichtigſte derſelben iſt der Erſatz der Sägeblätter durch einen mit kurzen Drahthäkchen garnierten Cylinder, Krempel- oder Kratzencylinder, welcher die gleiche Wirkung wie die Sägen hat, jedoch die Baumwollhärchen beſſer faſſen kann, anzuſehen. Die General Fibre Company in London hat in jüngſter Zeit derartige Maſchinen zur Ausführung gebracht. Die egrenierte Baumwolle wird in Leinwand oder grobem Baumwollenſtoff verpackt, wobei man ſich ſtarker hydrau- liſcher oder anderer Preſſen bedient, um die Baumwolle auf einen möglichſt kleinen Raum zu bringen und ſie gegen Näſſe widerſtands- fähig zu machen. Stricke oder Eiſenbänder halten die Ballen zuſammen. Einer vielſeitigen Behandlung unterliegen die Baſtfaſern, Flachs, Hanf, Jute, Neſſel ꝛc. zum Zwecke ihrer Iſolierung und Reinigung. Der Flachs wird, wenn er zur Faſergewinnung und nicht zur Samen- gewinnung dienen ſoll, bevor er völlig reif iſt, geerntet. Man zieht die Pflanzen aus dem Boden, was man das Raufen nennt. Es muß ſehr vorſichtig geſchehen, da der Stengel vor jedem Bruch möglichſt zu bewahren iſt. Partieenweiſe in Handvoll werden die ausgerupften Pflanzen reihenförmig auf dem Boden ausgebreitet, um an der Luft gehörig auszutrocknen, wobei ſie von Zeit zu Zeit gewendet werden. Doch baut man die Stengel auch wohl in ſogenannten kleinen Kapellen auf, indem man ſie partieenweiſe ſchräg gegen einander ſtellt und oben zuſammenbindet, ſo daß eine Art offenen Daches von größerer Länge auf dem Boden gebildet wird, durch welches der Wind ſtreichen kann. Letztere Methode iſt vorzuziehen. Dem Trocknen folgt das Riffeln, d. i. die Trennung der Samenkapſeln und Blätter von der Pflanze. Man bedient ſich hierzu eines eiſernen Kammes mit langen Zähnen, der in eine Bank geſteckt iſt, ergreift eine Partie von Leinſtengeln an der Wurzel, ſchlägt ſie in den Kamm ein und zieht ſie durch ihn, wobei Blätter und Kapſeln abreißen, ſo daß die reinen Stengel mit

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/358>, abgerufen am 16.04.2024.