Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Textil-Industrie.
-- Glattstich-, Kreuzstich-, Kettenstichstickerei etc. -- und von dem Effekt
des Musters -- Flach-, Relief-, Applikationsstickerei etc. -- unterscheidet
man Hand- und Maschinenstickerei. Erstere ist schon sehr alt, auch
gegenwärtig noch im Gebrauch, doch hat sie durch letztere starke
Einbuße erlitten. 1829 erfand Josua Heilmann im Elsaß, derselbe
welcher die Kämmmaschine für Kammwolle erfand, die Plattstichstick-
maschine, fast so, wie sie noch heute benutzt wird. 1864 wurde von
A. Voigt in Chemnitz der Festonierapparat daran angebracht. Derselbe
gab auch einige Jahre später die Kettenstichstickmaschine mit Öhrnadeln
an, welche Billweiler in St. Gallen und andere mit Verbesserungen
versahen, während 1866 St. Antoine Bonnaz eine solche Maschine mit
Hakennadeln konstruierte.

Das Nähen.

Mehrfach ist bereits dieser höchst wichtigen Operation gedacht
worden, welche bis zum Jahre 1845 ausschließlich durch die Hand
ausgeführt wurde, von da ab mehr und mehr durch Nähmaschinen.
Zwar hatten bereits früher Versuche von Stone und Henderson dahin
gezielt, die Handarbeit auf Maschinen nachzuahmen, hatte Madersperger
Ende der 30 er Jahre eine solche gebaut, wurden die Sticharten von
Thimonnier und von Bostnick geändert, um zum Ziele zu gelangen,
hatte weiter W. Hunt 1834 eine von den bisherigen Konstruktionen
unabhängige geschaffen, doch alles ohne praktischen Erfolg.

Erst Elias Howe 1845 war es vorbehalten, eine Nähmaschine zu
erfinden, welche thatsächlich zur Zufriedenheit funktionierte; er erntete
leider, wie die meisten berühmten Erfinder, keinen Dank. Seine Erfin-
dung beuteten andere aus, insbesondere der Amerikaner J. M. Singer,
welcher einige Verbesserungen anbrachte und die Maschine nach sich be-
nannte und verwertete. 1852 erhielt A. B. Wilson ein Patent auf die
Greifernähmaschine, dann Grover auf die Doppelkettenstichmaschine und
etwas später A. Gibbs auf die Einfadenkettenstichmaschine mit Dreh-
haken. Die ursprüngliche Konstruktion der Nähmaschine hat sich in-
zwischen durch zahlreiche Verbesserungen in einer Weise vervollkommnet,
daß die Handarbeit hinsichtlich der Gleichmäßigkeit und Schnelligkeit
in gar keinem Verhältnis zur Maschinenarbeit steht und die Maschine
heut für jeden, auch noch so kleinen Haushalt, geradezu unentbehrlich
geworden ist.

Die Appretur.

Die dem Webstuhl entnommenen Gewebe haben fast durchgängig
nicht diejenige Beschaffenheit, welche von ihnen für die bestimmten,
äußerst verschiedenen Zwecke verlangt werden. Abgesehen von Färberei,
Bleicherei und Druckerei, welche lediglich das Aussehen verändern, giebt
es eine große Zahl von Bedingungen, welche zu erfüllen sind, um die
gewebte Ware markt- und handelsfähig zu machen. Zwar betrifft das

Die Textil-Induſtrie.
— Glattſtich-, Kreuzſtich-, Kettenſtichſtickerei ꝛc. — und von dem Effekt
des Muſters — Flach-, Relief-, Applikationsſtickerei ꝛc. — unterſcheidet
man Hand- und Maſchinenſtickerei. Erſtere iſt ſchon ſehr alt, auch
gegenwärtig noch im Gebrauch, doch hat ſie durch letztere ſtarke
Einbuße erlitten. 1829 erfand Joſua Heilmann im Elſaß, derſelbe
welcher die Kämmmaſchine für Kammwolle erfand, die Plattſtichſtick-
maſchine, faſt ſo, wie ſie noch heute benutzt wird. 1864 wurde von
A. Voigt in Chemnitz der Feſtonierapparat daran angebracht. Derſelbe
gab auch einige Jahre ſpäter die Kettenſtichſtickmaſchine mit Öhrnadeln
an, welche Billweiler in St. Gallen und andere mit Verbeſſerungen
verſahen, während 1866 St. Antoine Bonnaz eine ſolche Maſchine mit
Hakennadeln konſtruierte.

Das Nähen.

Mehrfach iſt bereits dieſer höchſt wichtigen Operation gedacht
worden, welche bis zum Jahre 1845 ausſchließlich durch die Hand
ausgeführt wurde, von da ab mehr und mehr durch Nähmaſchinen.
Zwar hatten bereits früher Verſuche von Stone und Henderſon dahin
gezielt, die Handarbeit auf Maſchinen nachzuahmen, hatte Maderſperger
Ende der 30 er Jahre eine ſolche gebaut, wurden die Sticharten von
Thimonnier und von Boſtnick geändert, um zum Ziele zu gelangen,
hatte weiter W. Hunt 1834 eine von den bisherigen Konſtruktionen
unabhängige geſchaffen, doch alles ohne praktiſchen Erfolg.

Erſt Elias Howe 1845 war es vorbehalten, eine Nähmaſchine zu
erfinden, welche thatſächlich zur Zufriedenheit funktionierte; er erntete
leider, wie die meiſten berühmten Erfinder, keinen Dank. Seine Erfin-
dung beuteten andere aus, insbeſondere der Amerikaner J. M. Singer,
welcher einige Verbeſſerungen anbrachte und die Maſchine nach ſich be-
nannte und verwertete. 1852 erhielt A. B. Wilſon ein Patent auf die
Greifernähmaſchine, dann Grover auf die Doppelkettenſtichmaſchine und
etwas ſpäter A. Gibbs auf die Einfadenkettenſtichmaſchine mit Dreh-
haken. Die urſprüngliche Konſtruktion der Nähmaſchine hat ſich in-
zwiſchen durch zahlreiche Verbeſſerungen in einer Weiſe vervollkommnet,
daß die Handarbeit hinſichtlich der Gleichmäßigkeit und Schnelligkeit
in gar keinem Verhältnis zur Maſchinenarbeit ſteht und die Maſchine
heut für jeden, auch noch ſo kleinen Haushalt, geradezu unentbehrlich
geworden iſt.

Die Appretur.

Die dem Webſtuhl entnommenen Gewebe haben faſt durchgängig
nicht diejenige Beſchaffenheit, welche von ihnen für die beſtimmten,
äußerſt verſchiedenen Zwecke verlangt werden. Abgeſehen von Färberei,
Bleicherei und Druckerei, welche lediglich das Ausſehen verändern, giebt
es eine große Zahl von Bedingungen, welche zu erfüllen ſind, um die
gewebte Ware markt- und handelsfähig zu machen. Zwar betrifft das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0404" n="386"/><fw place="top" type="header">Die Textil-Indu&#x017F;trie.</fw><lb/>
&#x2014; Glatt&#x017F;tich-, Kreuz&#x017F;tich-, Ketten&#x017F;tich&#x017F;tickerei &#xA75B;c. &#x2014; und von dem Effekt<lb/>
des Mu&#x017F;ters &#x2014; Flach-, Relief-, Applikations&#x017F;tickerei &#xA75B;c. &#x2014; unter&#x017F;cheidet<lb/>
man Hand- und Ma&#x017F;chinen&#x017F;tickerei. Er&#x017F;tere i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;ehr alt, auch<lb/>
gegenwärtig noch im Gebrauch, doch hat &#x017F;ie durch letztere &#x017F;tarke<lb/>
Einbuße erlitten. 1829 erfand Jo&#x017F;ua Heilmann im El&#x017F;aß, der&#x017F;elbe<lb/>
welcher die Kämmma&#x017F;chine für Kammwolle erfand, die Platt&#x017F;tich&#x017F;tick-<lb/>
ma&#x017F;chine, fa&#x017F;t &#x017F;o, wie &#x017F;ie noch heute benutzt wird. 1864 wurde von<lb/>
A. Voigt in Chemnitz der Fe&#x017F;tonierapparat daran angebracht. Der&#x017F;elbe<lb/>
gab auch einige Jahre &#x017F;päter die Ketten&#x017F;tich&#x017F;tickma&#x017F;chine mit Öhrnadeln<lb/>
an, welche Billweiler in St. Gallen und andere mit Verbe&#x017F;&#x017F;erungen<lb/>
ver&#x017F;ahen, während 1866 St. Antoine Bonnaz eine &#x017F;olche Ma&#x017F;chine mit<lb/>
Hakennadeln kon&#x017F;truierte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Das Nähen.</hi> </head><lb/>
            <p>Mehrfach i&#x017F;t bereits die&#x017F;er höch&#x017F;t wichtigen Operation gedacht<lb/>
worden, welche bis zum Jahre 1845 aus&#x017F;chließlich durch die Hand<lb/>
ausgeführt wurde, von da ab mehr und mehr durch Nähma&#x017F;chinen.<lb/>
Zwar hatten bereits früher Ver&#x017F;uche von Stone und Hender&#x017F;on dahin<lb/>
gezielt, die Handarbeit auf Ma&#x017F;chinen nachzuahmen, hatte Mader&#x017F;perger<lb/>
Ende der 30 er Jahre eine &#x017F;olche gebaut, wurden die Sticharten von<lb/>
Thimonnier und von Bo&#x017F;tnick geändert, um zum Ziele zu gelangen,<lb/>
hatte weiter W. Hunt 1834 eine von den bisherigen Kon&#x017F;truktionen<lb/>
unabhängige ge&#x017F;chaffen, doch alles ohne prakti&#x017F;chen Erfolg.</p><lb/>
            <p>Er&#x017F;t Elias Howe 1845 war es vorbehalten, eine Nähma&#x017F;chine zu<lb/>
erfinden, welche that&#x017F;ächlich zur Zufriedenheit funktionierte; er erntete<lb/>
leider, wie die mei&#x017F;ten berühmten Erfinder, keinen Dank. Seine Erfin-<lb/>
dung beuteten andere aus, insbe&#x017F;ondere der Amerikaner J. M. Singer,<lb/>
welcher einige Verbe&#x017F;&#x017F;erungen anbrachte und die Ma&#x017F;chine nach &#x017F;ich be-<lb/>
nannte und verwertete. 1852 erhielt A. B. Wil&#x017F;on ein Patent auf die<lb/>
Greifernähma&#x017F;chine, dann Grover auf die Doppelketten&#x017F;tichma&#x017F;chine und<lb/>
etwas &#x017F;päter A. Gibbs auf die Einfadenketten&#x017F;tichma&#x017F;chine mit Dreh-<lb/>
haken. Die ur&#x017F;prüngliche Kon&#x017F;truktion der Nähma&#x017F;chine hat &#x017F;ich in-<lb/>
zwi&#x017F;chen durch zahlreiche Verbe&#x017F;&#x017F;erungen in einer Wei&#x017F;e vervollkommnet,<lb/>
daß die Handarbeit hin&#x017F;ichtlich der Gleichmäßigkeit und Schnelligkeit<lb/>
in gar keinem Verhältnis zur Ma&#x017F;chinenarbeit &#x017F;teht und die Ma&#x017F;chine<lb/>
heut für jeden, auch noch &#x017F;o kleinen Haushalt, geradezu unentbehrlich<lb/>
geworden i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Die Appretur.</hi> </head><lb/>
            <p>Die dem Web&#x017F;tuhl entnommenen Gewebe haben fa&#x017F;t durchgängig<lb/>
nicht diejenige Be&#x017F;chaffenheit, welche von ihnen für die be&#x017F;timmten,<lb/>
äußer&#x017F;t ver&#x017F;chiedenen Zwecke verlangt werden. Abge&#x017F;ehen von Färberei,<lb/>
Bleicherei und Druckerei, welche lediglich das Aus&#x017F;ehen verändern, giebt<lb/>
es eine große Zahl von Bedingungen, welche zu erfüllen &#x017F;ind, um die<lb/>
gewebte Ware markt- und handelsfähig zu machen. Zwar betrifft das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0404] Die Textil-Induſtrie. — Glattſtich-, Kreuzſtich-, Kettenſtichſtickerei ꝛc. — und von dem Effekt des Muſters — Flach-, Relief-, Applikationsſtickerei ꝛc. — unterſcheidet man Hand- und Maſchinenſtickerei. Erſtere iſt ſchon ſehr alt, auch gegenwärtig noch im Gebrauch, doch hat ſie durch letztere ſtarke Einbuße erlitten. 1829 erfand Joſua Heilmann im Elſaß, derſelbe welcher die Kämmmaſchine für Kammwolle erfand, die Plattſtichſtick- maſchine, faſt ſo, wie ſie noch heute benutzt wird. 1864 wurde von A. Voigt in Chemnitz der Feſtonierapparat daran angebracht. Derſelbe gab auch einige Jahre ſpäter die Kettenſtichſtickmaſchine mit Öhrnadeln an, welche Billweiler in St. Gallen und andere mit Verbeſſerungen verſahen, während 1866 St. Antoine Bonnaz eine ſolche Maſchine mit Hakennadeln konſtruierte. Das Nähen. Mehrfach iſt bereits dieſer höchſt wichtigen Operation gedacht worden, welche bis zum Jahre 1845 ausſchließlich durch die Hand ausgeführt wurde, von da ab mehr und mehr durch Nähmaſchinen. Zwar hatten bereits früher Verſuche von Stone und Henderſon dahin gezielt, die Handarbeit auf Maſchinen nachzuahmen, hatte Maderſperger Ende der 30 er Jahre eine ſolche gebaut, wurden die Sticharten von Thimonnier und von Boſtnick geändert, um zum Ziele zu gelangen, hatte weiter W. Hunt 1834 eine von den bisherigen Konſtruktionen unabhängige geſchaffen, doch alles ohne praktiſchen Erfolg. Erſt Elias Howe 1845 war es vorbehalten, eine Nähmaſchine zu erfinden, welche thatſächlich zur Zufriedenheit funktionierte; er erntete leider, wie die meiſten berühmten Erfinder, keinen Dank. Seine Erfin- dung beuteten andere aus, insbeſondere der Amerikaner J. M. Singer, welcher einige Verbeſſerungen anbrachte und die Maſchine nach ſich be- nannte und verwertete. 1852 erhielt A. B. Wilſon ein Patent auf die Greifernähmaſchine, dann Grover auf die Doppelkettenſtichmaſchine und etwas ſpäter A. Gibbs auf die Einfadenkettenſtichmaſchine mit Dreh- haken. Die urſprüngliche Konſtruktion der Nähmaſchine hat ſich in- zwiſchen durch zahlreiche Verbeſſerungen in einer Weiſe vervollkommnet, daß die Handarbeit hinſichtlich der Gleichmäßigkeit und Schnelligkeit in gar keinem Verhältnis zur Maſchinenarbeit ſteht und die Maſchine heut für jeden, auch noch ſo kleinen Haushalt, geradezu unentbehrlich geworden iſt. Die Appretur. Die dem Webſtuhl entnommenen Gewebe haben faſt durchgängig nicht diejenige Beſchaffenheit, welche von ihnen für die beſtimmten, äußerſt verſchiedenen Zwecke verlangt werden. Abgeſehen von Färberei, Bleicherei und Druckerei, welche lediglich das Ausſehen verändern, giebt es eine große Zahl von Bedingungen, welche zu erfüllen ſind, um die gewebte Ware markt- und handelsfähig zu machen. Zwar betrifft das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/404
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/404>, abgerufen am 29.03.2024.