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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Nahrungs- und Genußmittel.
des Opiums als Genußmittel beschränkt sich allerdings hauptsächlich
auf China, und wenn auch vielleicht mit Recht behauptet wird, daß der
Opiumgenuß weit verbreiteter sei, als man im allgemeinen glaubt und
sogar in Europa heimliche Anhänger zählt, so kann man wohl doch
zum Glück im eigentlichen Sinne nicht behaupten, daß der Opiumkonsum
in Europa von irgend welcher Bedeutung sei.

Zur Gewinnung des Opiums dienen die halbreifen Köpfe des
Mohns (Papaver somniferum), der in Fig. 321 dargestellt ist. In diese

[Abbildung] Fig. 321.

Der Schlafmohn.

Köpfe werden, so lange die Rinde derselben noch eine
helle Farbe hat, Einschnitte gemacht, aus welchen ein
Pflanzensaft quillt, der aufgefangen und eingedickt wird.
So erhält man eine braune Salbe von lange nach-
haltendem, streng bitterem Geschmack, welche von den
Arabern "afioum" genannt wird, und aus dieser Be-
zeichnung ist das Wort Opium entstanden.

Opium wird wie Tabak hauptsächlich geraucht,
während einige Völker Asiens auch den Saft direkt
irgend welchen geistigen Getränken hinzusetzen, um hier-
durch die berauschende Wirkung derselben zu erhöhen.
Der Opiumraucher benutzt als Pfeife ein kleines Rohr,
an dessen unterem Ende ein durchbohrter Metallknopf
mit so kleiner Höhlung sitzt, die gerade groß genug ist,
die kleine Opiumpille, welche als einmalige Dosis dient,
aufzunehmen. Diese Pfeife in der Hand, sucht er eine
Lagerstätte auf, und raucht so lange, bis er von den
gewünschten Träumen umgaukelt, bewußtlos auf die
Lagerstätte sinkt. Diese so angenehmen Träume werden
aber sehr teuer bezahlt, denn die Erschlaffung und der
Ekel, welche beim Erwachen den Opiumraucher be-
herrschen, können nur durch neue und zwar immer größer werdende
Mengen Opium betäubt werden, bis endlich sämtliche Organe des
Körpers, besonders die Eingeweide, alle Kräfte eingebüßt haben und
der gesamte Organismus an Erschlaffung zu Grunde geht. Es läßt
sich nach dieser so schädlichen Wirkung des Opiums auf den ganz aus-
gewachsenen Organismus leicht beurteilen, wie thöricht unwissende
Mütter handeln, wenn sie schreiende Säuglinge mittelst eines Getränkes
durch Abkochen aus unreifen Mohnköpfen bereitet, in den Schlaf wiegen.
So verdünnt das in diesem Getränke enthaltene Opium auch immerhin
ist, so steht es doch anderseits einem um so zarteren Organismus gegen-
über und bereitet diesem für die ganze spätere Entwickelung außerordent-
lich große Nachteile.

Trotz aller dieser den menschlichen Organismus zu Grunde
richtenden Wirkungen, darf aber die Vorzüglichkeit des Opiums als
Arzneimittel nicht verkannt werden. Es ist ein vorzügliches Gegen-
mittel bei Durchfall und sein wirksamster Bestandteil, das Morphium,

Nahrungs- und Genußmittel.
des Opiums als Genußmittel beſchränkt ſich allerdings hauptſächlich
auf China, und wenn auch vielleicht mit Recht behauptet wird, daß der
Opiumgenuß weit verbreiteter ſei, als man im allgemeinen glaubt und
ſogar in Europa heimliche Anhänger zählt, ſo kann man wohl doch
zum Glück im eigentlichen Sinne nicht behaupten, daß der Opiumkonſum
in Europa von irgend welcher Bedeutung ſei.

Zur Gewinnung des Opiums dienen die halbreifen Köpfe des
Mohns (Papaver somniferum), der in Fig. 321 dargeſtellt iſt. In dieſe

[Abbildung] Fig. 321.

Der Schlafmohn.

Köpfe werden, ſo lange die Rinde derſelben noch eine
helle Farbe hat, Einſchnitte gemacht, aus welchen ein
Pflanzenſaft quillt, der aufgefangen und eingedickt wird.
So erhält man eine braune Salbe von lange nach-
haltendem, ſtreng bitterem Geſchmack, welche von den
Arabern „afioum“ genannt wird, und aus dieſer Be-
zeichnung iſt das Wort Opium entſtanden.

Opium wird wie Tabak hauptſächlich geraucht,
während einige Völker Aſiens auch den Saft direkt
irgend welchen geiſtigen Getränken hinzuſetzen, um hier-
durch die berauſchende Wirkung derſelben zu erhöhen.
Der Opiumraucher benutzt als Pfeife ein kleines Rohr,
an deſſen unterem Ende ein durchbohrter Metallknopf
mit ſo kleiner Höhlung ſitzt, die gerade groß genug iſt,
die kleine Opiumpille, welche als einmalige Doſis dient,
aufzunehmen. Dieſe Pfeife in der Hand, ſucht er eine
Lagerſtätte auf, und raucht ſo lange, bis er von den
gewünſchten Träumen umgaukelt, bewußtlos auf die
Lagerſtätte ſinkt. Dieſe ſo angenehmen Träume werden
aber ſehr teuer bezahlt, denn die Erſchlaffung und der
Ekel, welche beim Erwachen den Opiumraucher be-
herrſchen, können nur durch neue und zwar immer größer werdende
Mengen Opium betäubt werden, bis endlich ſämtliche Organe des
Körpers, beſonders die Eingeweide, alle Kräfte eingebüßt haben und
der geſamte Organismus an Erſchlaffung zu Grunde geht. Es läßt
ſich nach dieſer ſo ſchädlichen Wirkung des Opiums auf den ganz aus-
gewachſenen Organismus leicht beurteilen, wie thöricht unwiſſende
Mütter handeln, wenn ſie ſchreiende Säuglinge mittelſt eines Getränkes
durch Abkochen aus unreifen Mohnköpfen bereitet, in den Schlaf wiegen.
So verdünnt das in dieſem Getränke enthaltene Opium auch immerhin
iſt, ſo ſteht es doch anderſeits einem um ſo zarteren Organismus gegen-
über und bereitet dieſem für die ganze ſpätere Entwickelung außerordent-
lich große Nachteile.

Trotz aller dieſer den menſchlichen Organismus zu Grunde
richtenden Wirkungen, darf aber die Vorzüglichkeit des Opiums als
Arzneimittel nicht verkannt werden. Es iſt ein vorzügliches Gegen-
mittel bei Durchfall und ſein wirkſamſter Beſtandteil, das Morphium,

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[546/0564] Nahrungs- und Genußmittel. des Opiums als Genußmittel beſchränkt ſich allerdings hauptſächlich auf China, und wenn auch vielleicht mit Recht behauptet wird, daß der Opiumgenuß weit verbreiteter ſei, als man im allgemeinen glaubt und ſogar in Europa heimliche Anhänger zählt, ſo kann man wohl doch zum Glück im eigentlichen Sinne nicht behaupten, daß der Opiumkonſum in Europa von irgend welcher Bedeutung ſei. Zur Gewinnung des Opiums dienen die halbreifen Köpfe des Mohns (Papaver somniferum), der in Fig. 321 dargeſtellt iſt. In dieſe [Abbildung Fig. 321. Der Schlafmohn.] Köpfe werden, ſo lange die Rinde derſelben noch eine helle Farbe hat, Einſchnitte gemacht, aus welchen ein Pflanzenſaft quillt, der aufgefangen und eingedickt wird. So erhält man eine braune Salbe von lange nach- haltendem, ſtreng bitterem Geſchmack, welche von den Arabern „afioum“ genannt wird, und aus dieſer Be- zeichnung iſt das Wort Opium entſtanden. Opium wird wie Tabak hauptſächlich geraucht, während einige Völker Aſiens auch den Saft direkt irgend welchen geiſtigen Getränken hinzuſetzen, um hier- durch die berauſchende Wirkung derſelben zu erhöhen. Der Opiumraucher benutzt als Pfeife ein kleines Rohr, an deſſen unterem Ende ein durchbohrter Metallknopf mit ſo kleiner Höhlung ſitzt, die gerade groß genug iſt, die kleine Opiumpille, welche als einmalige Doſis dient, aufzunehmen. Dieſe Pfeife in der Hand, ſucht er eine Lagerſtätte auf, und raucht ſo lange, bis er von den gewünſchten Träumen umgaukelt, bewußtlos auf die Lagerſtätte ſinkt. Dieſe ſo angenehmen Träume werden aber ſehr teuer bezahlt, denn die Erſchlaffung und der Ekel, welche beim Erwachen den Opiumraucher be- herrſchen, können nur durch neue und zwar immer größer werdende Mengen Opium betäubt werden, bis endlich ſämtliche Organe des Körpers, beſonders die Eingeweide, alle Kräfte eingebüßt haben und der geſamte Organismus an Erſchlaffung zu Grunde geht. Es läßt ſich nach dieſer ſo ſchädlichen Wirkung des Opiums auf den ganz aus- gewachſenen Organismus leicht beurteilen, wie thöricht unwiſſende Mütter handeln, wenn ſie ſchreiende Säuglinge mittelſt eines Getränkes durch Abkochen aus unreifen Mohnköpfen bereitet, in den Schlaf wiegen. So verdünnt das in dieſem Getränke enthaltene Opium auch immerhin iſt, ſo ſteht es doch anderſeits einem um ſo zarteren Organismus gegen- über und bereitet dieſem für die ganze ſpätere Entwickelung außerordent- lich große Nachteile. Trotz aller dieſer den menſchlichen Organismus zu Grunde richtenden Wirkungen, darf aber die Vorzüglichkeit des Opiums als Arzneimittel nicht verkannt werden. Es iſt ein vorzügliches Gegen- mittel bei Durchfall und ſein wirkſamſter Beſtandteil, das Morphium,

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/564>, abgerufen am 28.03.2024.