Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaiser Titus Vesp. Seine Gestalt und Sitten. Sein Jugend- Frefel. Seine Gemahlin. Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Mildigkeit/ Sanftmut. Untergang des Jüdischen Reichs. Vorzeichen dessen. Jerusalem wird belagert. Eroberung der Neu- und Untern- Stadt/ des Tempels und der Burg Sion. Drey Haubt-Plagen der Juden/ Krieg und Zweytracht/ unerhörte Hungersnoht/ und grausame Pestilenz. Gefangenschaft der Juden. Verwüstung der Stadt Jerusalem. Kais. Titi Triumf. Sein Tod. Sein und seiner Gemahlin Bildnis. Hercules mit Acheloo. Apollo. Die Hoffnung. Sacrificium Salutis. Biga. Desultor.

[Spaltenumbruch]

Kais. Titus Vesp. KAiser Titus Vespasianus, des vorigen und Flaviae Domitillae Sohn/ ward gebohren A. C. 43 den 30 Decembr. in einem schlechten Bauer-Haus: gleichwie die Sonne aus der Nacht oder aus dem Gewölke hervorzubrechen pfleget. Britannicus Kaisers Claudii Sohn/ ward zu eben selbiger Zeit gebohren/ und als Metoposcopus von Narcisso, diese beyde Kinder zu sehen/ herbeygeführet worden/ sagte er/ daß Britannicus gar nicht/ aber Titus Seine Gestalt und Sitten. gewiß regiren würde. Er zeigte/ gleich von Kindheit auf/ sonderbare Leibs- und Gemüts- Gaben/ ware stark und untersezt von Leib/ zugleich liebreich und heroischen Ansehens. Er hatte ein gutes Gedächtnis/ begriffe zeitlich die Staats- und Kriegs-Künste/ lernte wol fechten und reiten/ konte auch ohne Vorbedacht reden/ singen und poetisiren in der Griechischen und Mutter- Sprache. Insonderheit verstunde er wol die Abbreviatur-kunst/ und schriebe oft also mit seinen Schreibern in die Wette/ konte auch alle Schrifften nachmachen/ daher er oft zu sagen pflegte: Er könte/ so er wolte/ den grösten Betrüger abgeben. Er ward mit dem Prinzen Britannico bey Hof erzogen/ und hatten sie beyde einen Belehrer: daher er demselben hernach/ in seinem Palast/ eine güldene Statuam, und wiederum eine von Helfenbein/ aufstellen lassen.

Sein Jugend-Frefel. Vor seiner Regirung machte er sich sehr verhasst/ indem er einen ieden/ der ihm verdächtig gemacht worden/ hervorsuchen und hinrichten ließe: und unter diesen war Aulus Coecinna, welchen er zur Tafel beruffen/ und sobald drausen im Vorgemach/ nachdem er vom Mahl aufgestanden/ vom Leben gefördert. Als auch der König Agrippa aus Judaea nach Rom gekommen/ und seine schöne Schwester die Berenice mitgebracht/ hat er solche zu sich nach Hof genommen/ und gar vertreulich mit ihr gelebt/ also daß man vermeint/ er würde sie ihm vermählen lassen. Aber er ließe sie endlich/ wiewol mit beyderseits Unwillen/ von sich/ als er verspürte/ daß die Römer/ weil die Königin eine Jüdin ware/ hieran keinen Gefallen [Spaltenumbruch] hatten. Er beflisse sich auch/ wann er weit in die Nacht hinein gezehret/ die Leute auf der Strasse anzutasten/ daher von ihm gesagt wurde/ man würde einen neuen Neronem an ihm haben.

Seine Gemahlinnen. Auser dieser nun/ werden seiner Gemahlinnen zwo gezehlet. Die erste/ Aricidia, Tertulli eines edlen Ritters und Leibwacht-Haubtmans Tochter// starb ohne Kinder. Die andere/ Martia Furnilla, auch eine edle Römerin/ gebahre ihm eine Tochter/ nach deren Tod/ er sie wieder fahren ließe. Er lebte sonst genau und mässig/ und hielte zwar Gastereyen/ aber ohne grossen Kosten/ und nur zur Ergetzlichkeit.

Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Er ward so leutseelig und freundlich/ daß man ihn amorem & delicias humani generis, die Liebe und Lust des Menschlichen Geschlechts/ genennet. Man vergleicht ihn dem Kaiser Augusto, und sagt von beyden/ daß Augustus von den Römern nie wäre geliebt worden/ wann er kürzer/ und Titus, wann er länger gelebt hätte. Dann Augustus ware anfangs ein Wütrich/ indem er seine Widersacher verfolgen müssen: nachmals aber hat er langzeit ihme iederman hold und geneigt gemacht. Titus hingegen starbe im Flor seiner Tugend/ und wäre vielleicht mit der Zeit ein Wütrich worden/ weil er mehr Glück als Tugend gehabt/ und ob er wol die Laster hinweg geleget/ gleichwol den Stachel und das Wiedergedächtnis davon behalten. Die Frucht seiner Leutseeligkeit ware/ daß er niemand nichts abschluge/ und oft mehr versprache/ als er halten kunte/ und da ihm deswegen von seinen Freunden eingeredet wurde/ gabe er ihnen zur Antwort: Es müße niemand/ von eines Kaisers Ansprache/ betrübt hinweg gehen.

Mildigkeit/ Er war trostreich/ nicht allein mit Worten/ sondern auch mit Wercken/ und thäte iederman gutes. Daher/ als er einsmals bey der Abendmalzeit sich erinnerte/ daß er selbigen Tag niemanden etwas gutes gethan hätte/ ließe er sich dieser Worte vernehmen: Ach meine Freunde! dieser Tag ist mir verlohren gegangen. Das war ja eine göttliche Stimme/ und also solte man alle Fürsten reden hören: die nicht darum von Gott in diesen Stand erhoben worden/ daß sie nur essen/ trinken/ jagen/

Kaiser Titus Vesp. Seine Gestalt und Sitten. Sein Jugend- Frefel. Seine Gemahlin. Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Mildigkeit/ Sanftmut. Untergang des Jüdischen Reichs. Vorzeichen dessen. Jerusalem wird belagert. Eroberung der Neu- und Untern- Stadt/ des Tempels und der Burg Sion. Drey Haubt-Plagen der Juden/ Krieg und Zweytracht/ unerhörte Hungersnoht/ und grausame Pestilenz. Gefangenschaft der Juden. Verwüstung der Stadt Jerusalem. Kais. Titi Triumf. Sein Tod. Sein und seiner Gemahlin Bildnis. Hercules mit Acheloo. Apollo. Die Hoffnung. Sacrificium Salutis. Biga. Desultor.

[Spaltenumbruch]

Kais. Titus Vesp. KAiser Titus Vespasianus, des vorigen und Flaviae Domitillae Sohn/ ward gebohren A. C. 43 den 30 Decembr. in einem schlechten Bauer-Haus: gleichwie die Sonne aus der Nacht oder aus dem Gewölke hervorzubrechen pfleget. Britannicus Kaisers Claudii Sohn/ ward zu eben selbiger Zeit gebohren/ und als Metoposcopus von Narcisso, diese beyde Kinder zu sehen/ herbeygeführet worden/ sagte er/ daß Britannicus gar nicht/ aber Titus Seine Gestalt und Sitten. gewiß regiren würde. Er zeigte/ gleich von Kindheit auf/ sonderbare Leibs- und Gemüts- Gaben/ ware stark und untersezt von Leib/ zugleich liebreich und heroischen Ansehens. Er hatte ein gutes Gedächtnis/ begriffe zeitlich die Staats- und Kriegs-Künste/ lernte wol fechten und reiten/ konte auch ohne Vorbedacht reden/ singen und poetisiren in der Griechischen und Mutter- Sprache. Insonderheit verstunde er wol die Abbreviatur-kunst/ und schriebe oft also mit seinen Schreibern in die Wette/ konte auch alle Schrifften nachmachen/ daher er oft zu sagen pflegte: Er könte/ so er wolte/ den grösten Betrüger abgeben. Er ward mit dem Prinzen Britannico bey Hof erzogen/ und hatten sie beyde einen Belehrer: daher er demselben hernach/ in seinem Palast/ eine güldene Statuam, und wiederum eine von Helfenbein/ aufstellen lassen.

Sein Jugend-Frefel. Vor seiner Regirung machte er sich sehr verhasst/ indem er einen ieden/ der ihm verdächtig gemacht worden/ hervorsuchen und hinrichten ließe: und unter diesen war Aulus Coecinna, welchen er zur Tafel beruffen/ und sobald drausen im Vorgemach/ nachdem er vom Mahl aufgestanden/ vom Leben gefördert. Als auch der König Agrippa aus Judaea nach Rom gekommen/ und seine schöne Schwester die Berenice mitgebracht/ hat er solche zu sich nach Hof genommen/ und gar vertreulich mit ihr gelebt/ also daß man vermeint/ er würde sie ihm vermählen lassen. Aber er ließe sie endlich/ wiewol mit beyderseits Unwillen/ von sich/ als er verspürte/ daß die Römer/ weil die Königin eine Jüdin ware/ hieran keinen Gefallen [Spaltenumbruch] hatten. Er beflisse sich auch/ wann er weit in die Nacht hinein gezehret/ die Leute auf der Strasse anzutasten/ daher von ihm gesagt wurde/ man würde einen neuen Neronem an ihm haben.

Seine Gemahlinnen. Auser dieser nun/ werden seiner Gemahlinnen zwo gezehlet. Die erste/ Aricidia, Tertulli eines edlen Ritters und Leibwacht-Haubtmans Tochter// starb ohne Kinder. Die andere/ Martia Furnilla, auch eine edle Römerin/ gebahre ihm eine Tochter/ nach deren Tod/ er sie wieder fahren ließe. Er lebte sonst genau und mässig/ und hielte zwar Gastereyen/ aber ohne grossen Kosten/ und nur zur Ergetzlichkeit.

Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Er ward so leutseelig und freundlich/ daß man ihn amorem & delicias humani generis, die Liebe und Lust des Menschlichen Geschlechts/ genennet. Man vergleicht ihn dem Kaiser Augusto, und sagt von beyden/ daß Augustus von den Römern nie wäre geliebt worden/ wann er kürzer/ und Titus, wann er länger gelebt hätte. Dann Augustus ware anfangs ein Wütrich/ indem er seine Widersacher verfolgen müssen: nachmals aber hat er langzeit ihme iederman hold und geneigt gemacht. Titus hingegen starbe im Flor seiner Tugend/ und wäre vielleicht mit der Zeit ein Wütrich worden/ weil er mehr Glück als Tugend gehabt/ und ob er wol die Laster hinweg geleget/ gleichwol den Stachel und das Wiedergedächtnis davon behalten. Die Frucht seiner Leutseeligkeit ware/ daß er niemand nichts abschluge/ und oft mehr versprache/ als er halten kunte/ und da ihm deswegen von seinen Freunden eingeredet wurde/ gabe er ihnen zur Antwort: Es müße niemand/ von eines Kaisers Ansprache/ betrübt hinweg gehen.

Mildigkeit/ Er war trostreich/ nicht allein mit Worten/ sondern auch mit Wercken/ und thäte iederman gutes. Daher/ als er einsmals bey der Abendmalzeit sich erinnerte/ daß er selbigen Tag niemanden etwas gutes gethan hätte/ ließe er sich dieser Worte vernehmen: Ach meine Freunde! dieser Tag ist mir verlohren gegangen. Das war ja eine göttliche Stimme/ und also solte man alle Fürsten reden hören: die nicht darum von Gott in diesen Stand erhoben worden/ daß sie nur essen/ trinken/ jagen/

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0089" xml:id="pb-951" n="[II (Skulptur), S. 61]"/>
        <div xml:id="d0951">
          <head> <hi rendition="#aq">XI<lb/><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">IMP. TITUS CAES. VESPA-<lb/>
SIANUS AUG.</persName></hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Kaiser <hi rendition="#aq">Titus Vesp</hi>.</persName> Seine Gestalt und Sitten. Sein Jugend- Frefel. Seine Gemahlin. Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Mildigkeit/ Sanftmut. Untergang des Jüdischen Reichs. Vorzeichen dessen. <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-123 http://www.geonames.org/281184/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7001371">Jerusalem</placeName> wird belagert. Eroberung der Neu- und Untern- Stadt/ des <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-917">Tempels</placeName> und der <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-2231">Burg Sion</placeName>. Drey Haubt-Plagen der Juden/ Krieg und Zweytracht/ unerhörte Hungersnoht/ und grausame Pestilenz. Gefangenschaft der Juden. Verwüstung der Stadt <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-123 http://www.geonames.org/281184/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7001371">Jerusalem</placeName>. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Kais. <hi rendition="#aq">Titi</hi></persName> Triumf. Sein Tod. Sein und seiner <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2415">Gemahlin</persName> Bildnis. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-215 http://d-nb.info/gnd/118639552 http://viaf.org/viaf/32789834">Hercules</persName></hi> mit <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3127 http://d-nb.info/gnd/118646699 http://viaf.org/viaf/67259053">Acheloo</persName>. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Apollo</persName></hi>. Die <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2424">Hoffnung</persName>. <hi rendition="#aq">Sacrificium Salutis. Biga. Desultor.</hi></p>
          </argument>
          <cb/>
          <p xml:id="p951.1"><note place="right"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Kais. <hi rendition="#aq">Titus Vesp</hi>.</persName></note><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593"><hi rendition="#in">K</hi>Aiser <hi rendition="#aq">Titus Vespasianus</hi></persName>, des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-289 http://d-nb.info/gnd/11862671X http://viaf.org/viaf/96539514">vorigen</persName> und <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1228">Flaviae Domitillae</persName></hi> Sohn/ ward gebohren <date when="0043-12-30"><hi rendition="#aq">A. C.</hi> 43 den 30 <hi rendition="#aq">Decembr.</hi></date> in einem schlechten Bauer-Haus: gleichwie die Sonne aus der Nacht oder aus dem Gewölke hervorzubrechen pfleget. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2060">Britannicus</persName></hi> <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-543 http://d-nb.info/gnd/118521063 http://viaf.org/viaf/87172361">Kaisers <hi rendition="#aq">Claudii</hi></persName> Sohn/ ward zu eben selbiger Zeit gebohren/ und als <hi rendition="#aq">Metoposcopus</hi> von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2086"><hi rendition="#aq">Narcisso</hi></persName>, diese beyde Kinder zu sehen/ herbeygeführet worden/ sagte er/ daß <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2060">Britannicus</persName></hi> gar nicht/ aber <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Titus</persName></hi> <note place="right">Seine Gestalt und Sitten.</note> gewiß regiren würde. Er zeigte/ gleich von Kindheit auf/ sonderbare Leibs- und Gemüts- Gaben/ ware stark und untersezt von Leib/ zugleich liebreich und heroischen Ansehens. Er hatte ein gutes Gedächtnis/ begriffe zeitlich die Staats- und Kriegs-Künste/ lernte wol fechten und reiten/ konte auch ohne Vorbedacht reden/ singen und poetisiren in der Griechischen und Mutter- Sprache. Insonderheit verstunde er wol die <hi rendition="#aq">Abbreviatur</hi>-kunst/ und schriebe oft also mit seinen Schreibern in die Wette/ konte auch alle Schrifften nachmachen/ daher er oft zu sagen pflegte: Er könte/ so er wolte/ den grösten Betrüger abgeben. Er ward mit dem Prinzen <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2060">Britannico</persName></hi> bey Hof erzogen/ und hatten sie beyde einen Belehrer: daher er demselben hernach/ in seinem Palast/ eine güldene <hi rendition="#aq">Statuam,</hi> und wiederum eine von Helfenbein/ aufstellen lassen.</p>
          <p xml:id="p951.2"><note place="right">Sein Jugend-Frefel.</note> Vor seiner Regirung machte er sich sehr verhasst/ indem er einen ieden/ der ihm verdächtig gemacht worden/ hervorsuchen und hinrichten ließe: und unter diesen war <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5249">Aulus Coecinna</persName>,</hi> welchen er zur Tafel beruffen/ und sobald drausen im Vorgemach/ nachdem er vom Mahl aufgestanden/ vom Leben gefördert. Als auch der König <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2413 http://d-nb.info/gnd/119143364 http://viaf.org/viaf/3274217">Agrippa</persName></hi> aus <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-266 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7001407">Judaea</placeName> nach <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-6 http://www.geonames.org/3169070/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7000874">Rom</placeName> gekommen/ und seine schöne Schwester die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2410 http://d-nb.info/gnd/119490285 http://viaf.org/viaf/40189849">Berenice</persName></hi> mitgebracht/ hat er solche zu sich nach Hof genommen/ und gar vertreulich mit ihr gelebt/ also daß man vermeint/ er würde sie ihm vermählen lassen. Aber er ließe sie endlich/ wiewol mit beyderseits Unwillen/ von sich/ als er verspürte/ daß die Römer/ weil die Königin eine Jüdin ware/ hieran keinen Gefallen
<cb/>
hatten. Er beflisse sich auch/ wann er weit in die Nacht hinein gezehret/ die Leute auf der Strasse anzutasten/ daher von ihm gesagt wurde/ man würde einen neuen <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-219 http://d-nb.info/gnd/118586998 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500115696 http://viaf.org/viaf/84036175">Neronem</persName></hi> an ihm haben.</p>
          <p xml:id="p951.3"><note place="right">Seine Gemahlinnen.</note> Auser dieser nun/ werden seiner Gemahlinnen zwo gezehlet. Die erste/ <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2414">Aricidia, Tertulli</persName></hi> eines edlen Ritters und Leibwacht-Haubtmans  Tochter// starb ohne Kinder. Die andere/ <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2415">Martia Furnilla</persName>,</hi> auch eine edle Römerin/ gebahre ihm eine Tochter/ nach deren Tod/ er sie wieder fahren ließe. Er lebte sonst genau und mässig/ und hielte zwar Gastereyen/ aber ohne grossen Kosten/ und nur zur Ergetzlichkeit.</p>
          <p xml:id="p951.4"><note place="right">Seine Tugenden: Leutseeligkeit/</note> Er ward so leutseelig und freundlich/ daß man ihn <hi rendition="#aq">amorem &amp; delicias humani generis,</hi> die Liebe und Lust des Menschlichen Geschlechts/ genennet. Man vergleicht ihn dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-316 http://d-nb.info/gnd/118505122 http://viaf.org/viaf/18013086">Kaiser <hi rendition="#aq">Augusto</hi></persName>, und sagt von beyden/ daß <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-316 http://d-nb.info/gnd/118505122 http://viaf.org/viaf/18013086">Augustus</persName></hi> von den Römern nie wäre geliebt worden/ wann er kürzer/ und <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Titus</persName>,</hi> wann er länger gelebt hätte. Dann <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-316 http://d-nb.info/gnd/118505122 http://viaf.org/viaf/18013086">Augustus</persName></hi> ware anfangs ein Wütrich/ indem er seine Widersacher verfolgen müssen: nachmals aber hat er langzeit ihme iederman hold und geneigt gemacht. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1024 http://d-nb.info/gnd/118622951 http://viaf.org/viaf/83217593">Titus</persName></hi> hingegen starbe im Flor seiner Tugend/ und wäre vielleicht mit der Zeit ein Wütrich worden/ weil er mehr Glück als Tugend gehabt/ und ob er wol die Laster hinweg geleget/ gleichwol den Stachel und das Wiedergedächtnis davon behalten. Die Frucht seiner Leutseeligkeit ware/ daß er niemand nichts abschluge/ und oft mehr versprache/ als er halten kunte/ und da ihm deswegen von seinen Freunden eingeredet wurde/ gabe er ihnen zur Antwort: Es müße niemand/ von eines Kaisers Ansprache/ betrübt hinweg gehen.</p>
          <p xml:id="p951.5"><note place="right">Mildigkeit/</note> Er war trostreich/ nicht allein mit Worten/ sondern auch mit Wercken/ und thäte iederman gutes. Daher/ als er einsmals bey der Abendmalzeit sich erinnerte/ daß er selbigen Tag niemanden etwas gutes gethan hätte/ ließe er sich dieser Worte vernehmen: Ach meine Freunde! dieser Tag ist mir verlohren gegangen. Das war ja eine göttliche Stimme/ und also solte man alle Fürsten reden hören: die nicht darum von <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">Gott</persName> in diesen Stand erhoben worden/ daß sie nur essen/ trinken/ jagen/
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[II (Skulptur), S. 61]/0089] XI IMP. TITUS CAES. VESPA- SIANUS AUG. Kaiser Titus Vesp. Seine Gestalt und Sitten. Sein Jugend- Frefel. Seine Gemahlin. Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Mildigkeit/ Sanftmut. Untergang des Jüdischen Reichs. Vorzeichen dessen. Jerusalem wird belagert. Eroberung der Neu- und Untern- Stadt/ des Tempels und der Burg Sion. Drey Haubt-Plagen der Juden/ Krieg und Zweytracht/ unerhörte Hungersnoht/ und grausame Pestilenz. Gefangenschaft der Juden. Verwüstung der Stadt Jerusalem. Kais. Titi Triumf. Sein Tod. Sein und seiner Gemahlin Bildnis. Hercules mit Acheloo. Apollo. Die Hoffnung. Sacrificium Salutis. Biga. Desultor. KAiser Titus Vespasianus, des vorigen und Flaviae Domitillae Sohn/ ward gebohren A. C. 43 den 30 Decembr. in einem schlechten Bauer-Haus: gleichwie die Sonne aus der Nacht oder aus dem Gewölke hervorzubrechen pfleget. Britannicus Kaisers Claudii Sohn/ ward zu eben selbiger Zeit gebohren/ und als Metoposcopus von Narcisso, diese beyde Kinder zu sehen/ herbeygeführet worden/ sagte er/ daß Britannicus gar nicht/ aber Titus gewiß regiren würde. Er zeigte/ gleich von Kindheit auf/ sonderbare Leibs- und Gemüts- Gaben/ ware stark und untersezt von Leib/ zugleich liebreich und heroischen Ansehens. Er hatte ein gutes Gedächtnis/ begriffe zeitlich die Staats- und Kriegs-Künste/ lernte wol fechten und reiten/ konte auch ohne Vorbedacht reden/ singen und poetisiren in der Griechischen und Mutter- Sprache. Insonderheit verstunde er wol die Abbreviatur-kunst/ und schriebe oft also mit seinen Schreibern in die Wette/ konte auch alle Schrifften nachmachen/ daher er oft zu sagen pflegte: Er könte/ so er wolte/ den grösten Betrüger abgeben. Er ward mit dem Prinzen Britannico bey Hof erzogen/ und hatten sie beyde einen Belehrer: daher er demselben hernach/ in seinem Palast/ eine güldene Statuam, und wiederum eine von Helfenbein/ aufstellen lassen. Kais. Titus Vesp. Seine Gestalt und Sitten. Vor seiner Regirung machte er sich sehr verhasst/ indem er einen ieden/ der ihm verdächtig gemacht worden/ hervorsuchen und hinrichten ließe: und unter diesen war Aulus Coecinna, welchen er zur Tafel beruffen/ und sobald drausen im Vorgemach/ nachdem er vom Mahl aufgestanden/ vom Leben gefördert. Als auch der König Agrippa aus Judaea nach Rom gekommen/ und seine schöne Schwester die Berenice mitgebracht/ hat er solche zu sich nach Hof genommen/ und gar vertreulich mit ihr gelebt/ also daß man vermeint/ er würde sie ihm vermählen lassen. Aber er ließe sie endlich/ wiewol mit beyderseits Unwillen/ von sich/ als er verspürte/ daß die Römer/ weil die Königin eine Jüdin ware/ hieran keinen Gefallen hatten. Er beflisse sich auch/ wann er weit in die Nacht hinein gezehret/ die Leute auf der Strasse anzutasten/ daher von ihm gesagt wurde/ man würde einen neuen Neronem an ihm haben. Sein Jugend-Frefel. Auser dieser nun/ werden seiner Gemahlinnen zwo gezehlet. Die erste/ Aricidia, Tertulli eines edlen Ritters und Leibwacht-Haubtmans Tochter// starb ohne Kinder. Die andere/ Martia Furnilla, auch eine edle Römerin/ gebahre ihm eine Tochter/ nach deren Tod/ er sie wieder fahren ließe. Er lebte sonst genau und mässig/ und hielte zwar Gastereyen/ aber ohne grossen Kosten/ und nur zur Ergetzlichkeit. Seine Gemahlinnen. Er ward so leutseelig und freundlich/ daß man ihn amorem & delicias humani generis, die Liebe und Lust des Menschlichen Geschlechts/ genennet. Man vergleicht ihn dem Kaiser Augusto, und sagt von beyden/ daß Augustus von den Römern nie wäre geliebt worden/ wann er kürzer/ und Titus, wann er länger gelebt hätte. Dann Augustus ware anfangs ein Wütrich/ indem er seine Widersacher verfolgen müssen: nachmals aber hat er langzeit ihme iederman hold und geneigt gemacht. Titus hingegen starbe im Flor seiner Tugend/ und wäre vielleicht mit der Zeit ein Wütrich worden/ weil er mehr Glück als Tugend gehabt/ und ob er wol die Laster hinweg geleget/ gleichwol den Stachel und das Wiedergedächtnis davon behalten. Die Frucht seiner Leutseeligkeit ware/ daß er niemand nichts abschluge/ und oft mehr versprache/ als er halten kunte/ und da ihm deswegen von seinen Freunden eingeredet wurde/ gabe er ihnen zur Antwort: Es müße niemand/ von eines Kaisers Ansprache/ betrübt hinweg gehen. Seine Tugenden: Leutseeligkeit/ Er war trostreich/ nicht allein mit Worten/ sondern auch mit Wercken/ und thäte iederman gutes. Daher/ als er einsmals bey der Abendmalzeit sich erinnerte/ daß er selbigen Tag niemanden etwas gutes gethan hätte/ ließe er sich dieser Worte vernehmen: Ach meine Freunde! dieser Tag ist mir verlohren gegangen. Das war ja eine göttliche Stimme/ und also solte man alle Fürsten reden hören: die nicht darum von Gott in diesen Stand erhoben worden/ daß sie nur essen/ trinken/ jagen/ Mildigkeit/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/89
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679, S. [II (Skulptur), S. 61]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/89>, abgerufen am 20.04.2024.