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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] Geschäfften. Da hingegen/ sehr selten etwas Besonders zu hoffen/ von denen/ welche die Lehrsatz- und die Theoriam, aus Ungedult/ oder Trägkeit/ vorbey gehen/ und nur/ durch einen einfältigen Gebrauch/ oder flüchtige Practic, auf die Treue Warnung wider den bösen Irrweg. Kunst blind und unbedachtsam zuplatzen. Welcher verderblicher Irrweg/ sonderlich bey uns Teutschen/ viel mehr/ als einiger andern Nation/ bewandlet wird. Diesem nach habe ich eine hohe Nothdurfft erachtet/ alle solche Irrende/ wieder zuruck zuruffen/ vermittels kurtzer/ doch treuer Anweisung des nächsten Weges/ und gründlicher Bedeutung/ wie man zuvorderst/ durch die theoretische Lehr-Fassung/ zu der Ubung tretten müsse; und wann solche Ubung mit dem unermütedem Fleiß vermählet wird/ als denn endlich/ zu der Vollkommenheit der edlen Mahler-Kunst ohnzweiflich gelangen könne. Allermassen ich/ allen dieser edlen Kunst Wolgönnern/ Liebhabern/ und Beflissenen/ zu vermeintem Gefallen/ wie auch der ruhmwürdigen Kunst selbsten zu Ehren/ und grösserem Flor/ mich entschlossen/ einen ordentlichen Aufsatz zu machen; auch zu diesem/ in unserm ersten Buch der Teutschen Academie/ bereits den Anfang gemacht habe. Des Absehens/ muß allhie zuvörderst wiederholet werden/ daß die Zeichenkunst/ die Zeichen-Kunst ist die Seugamme aller dieser dreyer freyen Künste. (als die bey den Alten/ Reissen genandt war) die rechte und einige Mutter und Nährerin unserer dreyer Künsten ist/ und aus der Vernunfft/ durch gewisse imagination, oder Einbildung/ in dem Verstand/ zuvorderst alles formirt, was hernacher durch die Hand zu Papier gebracht wird. Dieser erkenntliche Entwurff/ und concept unserer Ideae, oder Sinn-Musters/ welches wir/ im Gemüt [Spaltenumbruch] Einer sauberen Manier zu Anfangs sich befleissen/ und die raue Wildigkeit meiden. gleichsam ausgebreitet vor Augen stellen/ soll vor allem befördert werden/ also; daß man gleich anfangs einer zierlichen saubern Zeichen-Manir und Handlung/ es sey gleich mit der Feder/ Kreiden/ oder Pensel/ zu dieser edlen Zeichenkunst/ sich An den nackenden Bilderen sol man anfangen/ erstlich nach Kupferstichen/ Handrissen und stilstehenden Bildern. Hernacher zu den lebendigen Dingen/ auch der Academie schreiten. befleisse und gewöhne/ dardurch vor allem erlerne/ die Bilder als allerhöchste Schul/erkennen/ den Anfang machen nach guten Kupferstichen und Handrissen/ ferner nach erhabenen runden und stillstehenden Bildern/ oder Statuen von Marmel/ Gyps und folgends nach dem Leben selbst/ so wol der nackenden als bekleidten Leiber.

Gleichwie einer nun/ durch die Academische Ubung/ die Wolerfahrenheit hierinne suchen muß: also wird hierzu sonderlich erfordert daß man alle Stellungen/ Maß/ und Ordnung eines gerechten Bildes erfahre/ auch das grosse und mittelere Liecht/ samt dem Schatten und Wiederschein/ vernünfftig ergreiffe: Als vermittelst dessen sich der Verstand mehret; Wann zumal solche Erfahrung/ bey Beobachtung mehr gedachter Regeln/ durch vielfältiges nach dem Leben-Zeichnen/ gestärcket wird. Denn auf solche Weise stellet allein ein wahrer Progreß zu hoffen. Wobey doch gleichwol auch die Erkänntnüs der Zergliederungs- (oder Anatomie.) Kunst/ Wohnung und Form/ der Mäuse (oder Musculen) Maß und Gestalt des Gebeins/ oder Sceletons/ mit in Betrachtung kommt. Solcher Gestalt muß der Verstand immer mit im Spiel seyn/ um alle vor Augen kommende natürliche Dinge wol zu überlegen/ und zu beurtheilen: Damit man sich hernach/ zu selbsteigener Invention/ beqvem machen könne. Gestaltsam dieses ohngezweiffelt der rechte Weg ist.

Das II. Capitel.
Darinn die Kunst-Regeln/ nebenst behö-
riger Proportion menschlichen Leibes/ und dessen
Glieder/ wie sie in der Mahlerey zu beobach-
ten/ gezeiget werden.

Innhalt.

Kunst-Regeln/ von Proportion des Menschen Leibs. Nach den Angesichtern abzumessen. Der Hand und Kopffs. Stirn/ Nasen und Kinn/ des Fusses/ der Brust. Der Nabel ist der Mittel-Punct. Die Antichen bestättigen also des Menschen Maß. Allzuviel messen ist schädlich. Ein gerechtes Augenmaß ist der beste Zirckel. Wie nach des Haupts-Länge der Leib abzumessen sey. Proportion der weiblichen Leiber/ und der Kinder. Merckliche Ursachen warum in der proportion viel zu veränderen sey. Dessen Exempel in den Armen/ Füssen/ wie auch im Leibe. Alle Unform ist zu vermeiden. Diese Gratie ist eine sonderbare Gabe Gottes.

[Spaltenumbruch]

Kunst-Regeln von Proportion.DEn Anfang der Lehrsätze/ oder Regeln/ worauf diese Kunst hauptsächlich gegründet/ und die ihr zur Richtschnur dienen müssen/ wann und Regeln des Menschen Leibs/ und dessen Proportion. sie einem verständigem Auge gnug thun soll/ machen wir hochnöthiger Massen/ in der Proportion eines wolgestalten Menschen/dessen[Spaltenumbruch] Gestalt an Gliedern/ Maß und Form zier- und vollkömmlich ausgebildet sey/ und für das rechte Meisterstuck zu halten/ weil/ aus dieser Wissenschafft/ alles andere gar leicht einen offenen Weg Nach den Angesichtern abzumessen. findet. Es bestehet aber diese Maaß- Ordnung in folgendem. Man misset/ von dem Ort/ wo des Haupts/ oder Stirns Haar zu wachsen anfängt/ ab/ bis unter das Kinn: dieses ist die Masse des

[Spaltenumbruch] Geschäfften. Da hingegen/ sehr selten etwas Besonders zu hoffen/ von denen/ welche die Lehrsatz- und die Theoriam, aus Ungedult/ oder Trägkeit/ vorbey gehen/ und nur/ durch einen einfältigen Gebrauch/ oder flüchtige Practic, auf die Treue Warnung wider den bösen Irrweg. Kunst blind und unbedachtsam zuplatzen. Welcher verderblicher Irrweg/ sonderlich bey uns Teutschen/ viel mehr/ als einiger andern Nation/ bewandlet wird. Diesem nach habe ich eine hohe Nothdurfft erachtet/ alle solche Irrende/ wieder zuruck zuruffen/ vermittels kurtzer/ doch treuer Anweisung des nächsten Weges/ und gründlicher Bedeutung/ wie man zuvorderst/ durch die theoretische Lehr-Fassung/ zu der Ubung tretten müsse; und wann solche Ubung mit dem unermütedem Fleiß vermählet wird/ als denn endlich/ zu der Vollkommenheit der edlen Mahler-Kunst ohnzweiflich gelangen könne. Allermassen ich/ allen dieser edlen Kunst Wolgönnern/ Liebhabern/ und Beflissenen/ zu vermeintem Gefallen/ wie auch der ruhmwürdigen Kunst selbsten zu Ehren/ und grösserem Flor/ mich entschlossen/ einen ordentlichen Aufsatz zu machen; auch zu diesem/ in unserm ersten Buch der Teutschen Academie/ bereits den Anfang gemacht habe. Des Absehens/ muß allhie zuvörderst wiederholet werden/ daß die Zeichenkunst/ die Zeichen-Kunst ist die Seugamme aller dieser dreyer freyen Künste. (als die bey den Alten/ Reissen genandt war) die rechte und einige Mutter und Nährerin unserer dreyer Künsten ist/ und aus der Vernunfft/ durch gewisse imagination, oder Einbildung/ in dem Verstand/ zuvorderst alles formirt, was hernacher durch die Hand zu Papier gebracht wird. Dieser erkenntliche Entwurff/ und concept unserer Ideae, oder Sinn-Musters/ welches wir/ im Gemüt [Spaltenumbruch] Einer sauberen Manier zu Anfangs sich befleissen/ und die raue Wildigkeit meiden. gleichsam ausgebreitet vor Augen stellen/ soll vor allem befördert werden/ also; daß man gleich anfangs einer zierlichen saubern Zeichen-Manir und Handlung/ es sey gleich mit der Feder/ Kreiden/ oder Pensel/ zu dieser edlen Zeichenkunst/ sich An den nackenden Bilderen sol man anfangen/ erstlich nach Kupferstichen/ Handrissen und stilstehenden Bildern. Hernacher zu den lebendigen Dingen/ auch der Academie schreiten. befleisse und gewöhne/ dardurch vor allem erlerne/ die Bilder als allerhöchste Schul/erkennen/ den Anfang machen nach guten Kupferstichen und Handrissen/ ferner nach erhabenen runden und stillstehenden Bildern/ oder Statuen von Marmel/ Gyps und folgends nach dem Leben selbst/ so wol der nackenden als bekleidten Leiber.

Gleichwie einer nun/ durch die Academische Ubung/ die Wolerfahrenheit hierinne suchen muß: also wird hierzu sonderlich erfordert daß man alle Stellungen/ Maß/ und Ordnung eines gerechten Bildes erfahre/ auch das grosse und mittelere Liecht/ samt dem Schatten und Wiederschein/ vernünfftig ergreiffe: Als vermittelst dessen sich der Verstand mehret; Wann zumal solche Erfahrung/ bey Beobachtung mehr gedachter Regeln/ durch vielfältiges nach dem Leben-Zeichnen/ gestärcket wird. Denn auf solche Weise stellet allein ein wahrer Progreß zu hoffen. Wobey doch gleichwol auch die Erkänntnüs der Zergliederungs- (oder Anatomie.) Kunst/ Wohnung und Form/ der Mäuse (oder Musculen) Maß und Gestalt des Gebeins/ oder Sceletons/ mit in Betrachtung kommt. Solcher Gestalt muß der Verstand immer mit im Spiel seyn/ um alle vor Augen kommende natürliche Dinge wol zu überlegen/ und zu beurtheilen: Damit man sich hernach/ zu selbsteigener Invention/ beqvem machen könne. Gestaltsam dieses ohngezweiffelt der rechte Weg ist.

Das II. Capitel.
Darinn die Kunst-Regeln/ nebenst behö-
riger Proportion menschlichen Leibes/ und dessen
Glieder/ wie sie in der Mahlerey zu beobach-
ten/ gezeiget werden.

Innhalt.

Kunst-Regeln/ von Proportion des Menschen Leibs. Nach den Angesichtern abzumessen. Der Hand und Kopffs. Stirn/ Nasen und Kinn/ des Fusses/ der Brust. Der Nabel ist der Mittel-Punct. Die Antichen bestättigen also des Menschen Maß. Allzuviel messen ist schädlich. Ein gerechtes Augenmaß ist der beste Zirckel. Wie nach des Haupts-Länge der Leib abzumessen sey. Proportion der weiblichen Leiber/ und der Kinder. Merckliche Ursachen warum in der proportion viel zu veränderen sey. Dessen Exempel in den Armen/ Füssen/ wie auch im Leibe. Alle Unform ist zu vermeiden. Diese Gratie ist eine sonderbare Gabe Gottes.

[Spaltenumbruch]

Kunst-Regeln von Proportion.DEn Anfang der Lehrsätze/ oder Regeln/ worauf diese Kunst hauptsächlich gegründet/ und die ihr zur Richtschnur dienen müssen/ wann und Regeln des Menschen Leibs/ und dessen Proportion. sie einem verständigem Auge gnug thun soll/ machen wir hochnöthiger Massen/ in der Proportion eines wolgestalten Menschen/dessen[Spaltenumbruch] Gestalt an Gliedern/ Maß und Form zier- und vollkömmlich ausgebildet sey/ und für das rechte Meisterstuck zu halten/ weil/ aus dieser Wissenschafft/ alles andere gar leicht einen offenen Weg Nach den Angesichtern abzumessen. findet. Es bestehet aber diese Maaß- Ordnung in folgendem. Man misset/ von dem Ort/ wo des Haupts/ oder Stirns Haar zu wachsen anfängt/ ab/ bis unter das Kinn: dieses ist die Masse des

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Allermassen ich/ allen dieser edlen Kunst Wolgönnern/ Liebhabern/ und Beflissenen/ zu vermeintem Gefallen/ wie auch der ruhmwürdigen Kunst selbsten zu Ehren/ und grösserem Flor/ mich entschlossen/ einen ordentlichen Aufsatz zu machen; auch zu diesem/ in unserm ersten Buch der Teutschen Academie/ bereits den Anfang gemacht habe. Des Absehens/ muß allhie zuvörderst wiederholet werden/ daß die Zeichenkunst/ (als die bey den Alten/ Reissen genandt war) die rechte und einige Mutter und Nährerin unserer dreyer Künsten ist/ und aus der Vernunfft/ durch gewisse imagination, oder Einbildung/ in dem Verstand/ zuvorderst alles formirt, was hernacher durch die Hand zu Papier gebracht wird. Dieser erkenntliche Entwurff/ und concept unserer Ideae, oder Sinn-Musters/ welches wir/ im Gemüt gleichsam ausgebreitet vor Augen stellen/ soll vor allem befördert werden/ also; daß man gleich anfangs einer zierlichen saubern Zeichen-Manir und Handlung/ es sey gleich mit der Feder/ Kreiden/ oder Pensel/ zu dieser edlen Zeichenkunst/ sich befleisse und gewöhne/ dardurch vor allem erlerne/ die Bilder als allerhöchste Schul/erkennen/ den Anfang machen nach guten Kupferstichen und Handrissen/ ferner nach erhabenen runden und stillstehenden Bildern/ oder Statuen von Marmel/ Gyps und folgends nach dem Leben selbst/ so wol der nackenden als bekleidten Leiber. Treue Warnung wider den bösen Irrweg. die Zeichen-Kunst ist die Seugamme aller dieser dreyer freyen Künste. Einer sauberen Manier zu Anfangs sich befleissen/ und die raue Wildigkeit meiden. An den nackenden Bilderen sol man anfangen/ erstlich nach Kupferstichen/ Handrissen und stilstehenden Bildern. Hernacher zu den lebendigen Dingen/ auch der Academie schreiten. Gleichwie einer nun/ durch die Academische Ubung/ die Wolerfahrenheit hierinne suchen muß: also wird hierzu sonderlich erfordert daß man alle Stellungen/ Maß/ und Ordnung eines gerechten Bildes erfahre/ auch das grosse und mittelere Liecht/ samt dem Schatten und Wiederschein/ vernünfftig ergreiffe: Als vermittelst dessen sich der Verstand mehret; Wann zumal solche Erfahrung/ bey Beobachtung mehr gedachter Regeln/ durch vielfältiges nach dem Leben-Zeichnen/ gestärcket wird. Denn auf solche Weise stellet allein ein wahrer Progreß zu hoffen. Wobey doch gleichwol auch die Erkänntnüs der Zergliederungs- (oder Anatomie.) Kunst/ Wohnung und Form/ der Mäuse (oder Musculen) Maß und Gestalt des Gebeins/ oder Sceletons/ mit in Betrachtung kommt. Solcher Gestalt muß der Verstand immer mit im Spiel seyn/ um alle vor Augen kommende natürliche Dinge wol zu überlegen/ und zu beurtheilen: Damit man sich hernach/ zu selbsteigener Invention/ beqvem machen könne. Gestaltsam dieses ohngezweiffelt der rechte Weg ist. Das II. Capitel. Darinn die Kunst-Regeln/ nebenst behö- riger Proportion menschlichen Leibes/ und dessen Glieder/ wie sie in der Mahlerey zu beobach- ten/ gezeiget werden. Innhalt. Kunst-Regeln/ von Proportion des Menschen Leibs. Nach den Angesichtern abzumessen. Der Hand und Kopffs. Stirn/ Nasen und Kinn/ des Fusses/ der Brust. Der Nabel ist der Mittel-Punct. Die Antichen bestättigen also des Menschen Maß. Allzuviel messen ist schädlich. Ein gerechtes Augenmaß ist der beste Zirckel. Wie nach des Haupts-Länge der Leib abzumessen sey. Proportion der weiblichen Leiber/ und der Kinder. Merckliche Ursachen warum in der proportion viel zu veränderen sey. Dessen Exempel in den Armen/ Füssen/ wie auch im Leibe. Alle Unform ist zu vermeiden. Diese Gratie ist eine sonderbare Gabe Gottes. DEn Anfang der Lehrsätze/ oder Regeln/ worauf diese Kunst hauptsächlich gegründet/ und die ihr zur Richtschnur dienen müssen/ wann sie einem verständigem Auge gnug thun soll/ machen wir hochnöthiger Massen/ in der Proportion eines wolgestalten Menschen/dessen Gestalt an Gliedern/ Maß und Form zier- und vollkömmlich ausgebildet sey/ und für das rechte Meisterstuck zu halten/ weil/ aus dieser Wissenschafft/ alles andere gar leicht einen offenen Weg findet. Es bestehet aber diese Maaß- Ordnung in folgendem. Man misset/ von dem Ort/ wo des Haupts/ oder Stirns Haar zu wachsen anfängt/ ab/ bis unter das Kinn: dieses ist die Masse des Kunst-Regeln von Proportion. und Regeln des Menschen Leibs/ und dessen Proportion. Nach den Angesichtern abzumessen.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [III (Malerei), S. 12]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/16>, abgerufen am 19.04.2024.