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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas hat kein gute Meynung/
daß du armer Tropff eine Ausrichtung bekommest/ und gibt ihme
auch einen Kuß. Es kommt ein Handwercker nach Hoff/ den
empfangt der Printz Absalon gantz freundlich: Willkomm/ mein
lieber Meister/ was Neues? Nichts Neues/ gütigster Herr/ ant-
wortet er/ sondern etwas Altes; Jch hab ein alte Schuld von
diesem und diesem Edelmann zu praetendiren/ und ich kan gar nicht
zur Bezahlung kommen/ ich bin meines Handwercks ein Schmid/
beschlage ihme seine Pferd schon etliche Jahr/ wie ich Vorgestern
das Geld begehrt vor das Beschlagen/ so schlagt er mich die Stie-
gen hinunter/ das ist ja ein unbilliges Verfahren? Freylich/ mein
Meister/ geschicht euch hierinnenfalls ein grosse Unbild/ GOtt
gebs/ daß man euch von Hof und Gericht aus an die Hand gehe/
und gibt ihme auch einen Kuß. Es kommt mehrmal einer mit ei-
nem schrifftlichen Memorial, den grüst der Absalon gantz freundlich:
Was ist euer Anbringen/ mein lieber Mensch? Gnädigster Herr/
antwortet dieser/ es geht mir gar nicht wohl/ es geschicht mir wie
dem Esel/ der mit dem Wolff ist vor Gericht gestanden; weil der
Wolff etlichen Lämmlen den Beltz abgezogen/ und mit dem Fleisch
sein Freß-Wampen gefüllt/ ist er loß und frey gesprochen worden/
der Esel aber/ umb weil er einem Bauren ein Stroh aus dem
Schuh gezogen/ ist zum Todt geführt worden; Man thut halt
die grosse Dieb perdoniren/ und die kleine stranguliren. Jch hab
nur das und das gethan/ da haben sie mich ärger gerupfft/ als der
Geyer eine Henne. Jch hab ein hertzliches Mitleyden mit euch/
sagt der junge Hertzog/ wünsche auch/ daß euch möchte der erlit-
tene Schaden ersetzt werden/ und gibt ihme hierauf auch einen
Kuß. Und das hat der holdseeligste Printz allen und jeden gethan/
wodurch er bey männiglich/ wegen solcher Demuth/ also beliebt
worden/ daß ein jeder in gantz Jsrael sein Leben hätte für ihn ge-
lassen. Eine solche Demuth wird auch ohne Zweiffel in den Au-
gen GOttes einen grossen Werth gefunden haben? Nicht ein Haar
groß/ nicht das geringste Wolgefallen hat GOtt dem HErrn ein
solche Demuth verursacht/ aus Ursach ber bösen Meynung; dann

Absalon

Judas hat kein gute Meynung/
daß du armer Tropff eine Ausrichtung bekommeſt/ und gibt ihme
auch einen Kuß. Es kommt ein Handwercker nach Hoff/ den
empfangt der Printz Abſalon gantz freundlich: Willkomm/ mein
lieber Meiſter/ was Neues? Nichts Neues/ guͤtigſter Herꝛ/ ant-
wortet er/ ſondern etwas Altes; Jch hab ein alte Schuld von
dieſem und dieſem Edelmann zu prætendiren/ und ich kan gar nicht
zur Bezahlung kommen/ ich bin meines Handwercks ein Schmid/
beſchlage ihme ſeine Pferd ſchon etliche Jahr/ wie ich Vorgeſtern
das Geld begehrt vor das Beſchlagen/ ſo ſchlagt er mich die Stie-
gen hinunter/ das iſt ja ein unbilliges Verfahren? Freylich/ mein
Meiſter/ geſchicht euch hierinnenfalls ein groſſe Unbild/ GOtt
gebs/ daß man euch von Hof und Gericht aus an die Hand gehe/
und gibt ihme auch einen Kuß. Es kommt mehrmal einer mit ei-
nem ſchrifftlichen Memorial, den gruͤſt der Abſalon gantz freundlich:
Was iſt euer Anbringen/ mein lieber Menſch? Gnaͤdigſter Herꝛ/
antwortet dieſer/ es geht mir gar nicht wohl/ es geſchicht mir wie
dem Eſel/ der mit dem Wolff iſt vor Gericht geſtanden; weil der
Wolff etlichen Laͤmmlen den Beltz abgezogen/ und mit dem Fleiſch
ſein Freß-Wampen gefuͤllt/ iſt er loß und frey geſprochen worden/
der Eſel aber/ umb weil er einem Bauren ein Stroh aus dem
Schuh gezogen/ iſt zum Todt gefuͤhrt worden; Man thut halt
die groſſe Dieb perdoniren/ und die kleine ſtranguliren. Jch hab
nur das und das gethan/ da haben ſie mich aͤrger gerupfft/ als der
Geyer eine Henne. Jch hab ein hertzliches Mitleyden mit euch/
ſagt der junge Hertzog/ wuͤnſche auch/ daß euch moͤchte der erlit-
tene Schaden erſetzt werden/ und gibt ihme hierauf auch einen
Kuß. Und das hat der holdſeeligſte Printz allen und jeden gethan/
wodurch er bey maͤnniglich/ wegen ſolcher Demuth/ alſo beliebt
worden/ daß ein jeder in gantz Jſrael ſein Leben haͤtte fuͤr ihn ge-
laſſen. Eine ſolche Demuth wird auch ohne Zweiffel in den Au-
gen GOttes einen groſſen Werth gefunden haben? Nicht ein Haar
groß/ nicht das geringſte Wolgefallen hat GOtt dem HErꝛn ein
ſolche Demuth verurſacht/ aus Urſach ber boͤſen Meynung; dann

Abſalon
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[152/0164] Judas hat kein gute Meynung/ daß du armer Tropff eine Ausrichtung bekommeſt/ und gibt ihme auch einen Kuß. Es kommt ein Handwercker nach Hoff/ den empfangt der Printz Abſalon gantz freundlich: Willkomm/ mein lieber Meiſter/ was Neues? Nichts Neues/ guͤtigſter Herꝛ/ ant- wortet er/ ſondern etwas Altes; Jch hab ein alte Schuld von dieſem und dieſem Edelmann zu prætendiren/ und ich kan gar nicht zur Bezahlung kommen/ ich bin meines Handwercks ein Schmid/ beſchlage ihme ſeine Pferd ſchon etliche Jahr/ wie ich Vorgeſtern das Geld begehrt vor das Beſchlagen/ ſo ſchlagt er mich die Stie- gen hinunter/ das iſt ja ein unbilliges Verfahren? Freylich/ mein Meiſter/ geſchicht euch hierinnenfalls ein groſſe Unbild/ GOtt gebs/ daß man euch von Hof und Gericht aus an die Hand gehe/ und gibt ihme auch einen Kuß. Es kommt mehrmal einer mit ei- nem ſchrifftlichen Memorial, den gruͤſt der Abſalon gantz freundlich: Was iſt euer Anbringen/ mein lieber Menſch? Gnaͤdigſter Herꝛ/ antwortet dieſer/ es geht mir gar nicht wohl/ es geſchicht mir wie dem Eſel/ der mit dem Wolff iſt vor Gericht geſtanden; weil der Wolff etlichen Laͤmmlen den Beltz abgezogen/ und mit dem Fleiſch ſein Freß-Wampen gefuͤllt/ iſt er loß und frey geſprochen worden/ der Eſel aber/ umb weil er einem Bauren ein Stroh aus dem Schuh gezogen/ iſt zum Todt gefuͤhrt worden; Man thut halt die groſſe Dieb perdoniren/ und die kleine ſtranguliren. Jch hab nur das und das gethan/ da haben ſie mich aͤrger gerupfft/ als der Geyer eine Henne. Jch hab ein hertzliches Mitleyden mit euch/ ſagt der junge Hertzog/ wuͤnſche auch/ daß euch moͤchte der erlit- tene Schaden erſetzt werden/ und gibt ihme hierauf auch einen Kuß. Und das hat der holdſeeligſte Printz allen und jeden gethan/ wodurch er bey maͤnniglich/ wegen ſolcher Demuth/ alſo beliebt worden/ daß ein jeder in gantz Jſrael ſein Leben haͤtte fuͤr ihn ge- laſſen. Eine ſolche Demuth wird auch ohne Zweiffel in den Au- gen GOttes einen groſſen Werth gefunden haben? Nicht ein Haar groß/ nicht das geringſte Wolgefallen hat GOtt dem HErꝛn ein ſolche Demuth verurſacht/ aus Urſach ber boͤſen Meynung; dann Abſalon

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/164>, abgerufen am 29.03.2024.