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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die andere Geistliche Lection
ware/ den HErrn gleichwohl lobete) lieben und von Hertzen sagen:
Job. 13. v.
15.
Wann Er mich schon tödten wird/ so will ich doch
auff ihn hoffen.
Jst aber nun dieser einfältige und beständige
Diener GOttes in seiner Hoffnung betrogen worden? gantz und zu-
mahlen nicht: dann er hat nicht allein das verlohrne wiederbekommen/
sonderu hat auch wegen seiner langwirigen Gedult viel mehrere und grös-
sere Wolthaten von GOtt empfangen. Zu dessen genugsamer Bekräff-
tigung/ neben unzahlbahren anderen Geschichten und Exemplen/ die-
net uns der H. Joachim und Anna/ welche so viele Jahr lang mit viel-
fältigen Gelübten/ unauffhörlichem Gebett/ und anderen andächtigen
Wercken die cheliche Leibs-Frucht von GOtt inständiglich begehrt ha-
ben und gleichwohl hat GOtt sothanen seines liebsten Dieners und Die-
nerinnen immer währendes Anhalten zu erhören/ biß in die zwantzig Jah-
ren dergestalt auffgeschoben; daß selbige gleichsamb vor verfluchte/
und wegen ihrer grossen Sünden von dem gerechten GOtt gestraffte
Ehe - Leuth nicht allein öffentlich gehalten worden; sondern auch neben
diesem/ von jederman viele Schmach haben leyden müssen. Weilen
aber diese heiligste Eheleuth die tröstliche Hoffnung zu GOTT ves[t-]
gehalten; derhalben seynd sie nicht allein gewürdiget worden/ auch in
ihrem Alterthumb/ der gewünschten Ehe-Frucht zu geniessen; sondern
auch die/ durch so vieler Seeligen Alt- Vättern hertzliche Begierden
verlangte/ und durch so vieler H. H. Propheten Weissagungen/ der
Welt verkündigte allerheiligste Jungfrau/ nemblich die aller - glorwür-
digste Mutter GOTTES MARJAM zu gebähren und also mit
dem verfleischten WORT in sehr nahe Blus- Verwandschafft zu
gelangen. Hierauß ist nun klärlich zu ersehen/ wie viel daran gelegen
seye/ daß man ein vestes und beständiges Vertrauen auff GOTT
habe. Wie aber schließlich ein Ancker an ein Seyl gehäfftet/ in den
Grund deß Meers hinab gelassen wird; also muß die Hoffnung an das
Seyl der Göttlichen Liebe gebunden/ und in den unermeßlichen Fluß
der unendlichen Gütigkeit GOttes hinein gesencket werden.

5. Auff diese vorgesetzte Erklährung wollen wir nun sehen/
was vor einen Nutzen dieser Ancker schaffe: meines Erachtens wer-
den wir verstehen/ daß selbiger das Schifflein unseres Hertzens vor
den Wällen der Versuchungen unverletzt erhalte. Derhalben sagt der
heiliger Vatter Augustinus: Diese Hoffnung haben wir in das heilige

Land

Die andere Geiſtliche Lection
ware/ den HErrn gleichwohl lobete) lieben und von Hertzen ſagen:
Job. 13. v.
15.
Wann Er mich ſchon toͤdten wird/ ſo will ich doch
auff ihn hoffen.
Jſt aber nun dieſer einfaͤltige und beſtaͤndige
Diener GOttes in ſeiner Hoffnung betrogen worden? gantz und zu-
mahlen nicht: dann er hat nicht allein das verlohrne wiederbekommen/
ſonderu hat auch wegen ſeiner langwirigen Gedult viel mehrere und groͤſ-
ſere Wolthaten von GOtt empfangen. Zu deſſen genugſamer Bekraͤff-
tigung/ neben unzahlbahren anderen Geſchichten und Exemplen/ die-
net uns der H. Joachim und Anna/ welche ſo viele Jahr lang mit viel-
faͤltigen Geluͤbten/ unauffhoͤrlichem Gebett/ und anderen andaͤchtigen
Wercken die cheliche Leibs-Frucht von GOtt inſtaͤndiglich begehrt ha-
ben und gleichwohl hat GOtt ſothanen ſeines liebſten Dieners und Die-
nerinnen immer waͤhrendes Anhalten zu erhoͤren/ biß in die zwantzig Jah-
ren dergeſtalt auffgeſchoben; daß ſelbige gleichſamb vor verfluchte/
und wegen ihrer groſſen Suͤnden von dem gerechten GOtt geſtraffte
Ehe - Leuth nicht allein oͤffentlich gehalten worden; ſondern auch neben
dieſem/ von jederman viele Schmach haben leyden muͤſſen. Weilen
aber dieſe heiligſte Eheleuth die troͤſtliche Hoffnung zu GOTT veſ[t-]
gehalten; derhalben ſeynd ſie nicht allein gewuͤrdiget worden/ auch in
ihrem Alterthumb/ der gewuͤnſchten Ehe-Frucht zu genieſſen; ſondern
auch die/ durch ſo vieler Seeligen Alt- Vaͤttern hertzliche Begierden
verlangte/ und durch ſo vieler H. H. Propheten Weiſſagungen/ der
Welt verkuͤndigte allerheiligſte Jungfrau/ nemblich die aller - glorwuͤr-
digſte Mutter GOTTES MARJAM zu gebaͤhren und alſo mit
dem verfleiſchten WORT in ſehr nahe Blus- Verwandſchafft zu
gelangen. Hierauß iſt nun klaͤrlich zu erſehen/ wie viel daran gelegen
ſeye/ daß man ein veſtes und beſtaͤndiges Vertrauen auff GOTT
habe. Wie aber ſchließlich ein Ancker an ein Seyl gehaͤfftet/ in den
Grund deß Meers hinab gelaſſen wird; alſo muß die Hoffnung an das
Seyl der Goͤttlichen Liebe gebunden/ und in den unermeßlichen Fluß
der unendlichen Guͤtigkeit GOttes hinein geſencket werden.

5. Auff dieſe vorgeſetzte Erklaͤhrung wollen wir nun ſehen/
was vor einen Nutzen dieſer Ancker ſchaffe: meines Erachtens wer-
den wir verſtehen/ daß ſelbiger das Schifflein unſeres Hertzens vor
den Waͤllen der Verſuchungen unverletzt erhalte. Derhalben ſagt der
heiliger Vatter Auguſtinus: Dieſe Hoffnung haben wir in das heilige

Land
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[14/0042] Die andere Geiſtliche Lection ware/ den HErrn gleichwohl lobete) lieben und von Hertzen ſagen: Wann Er mich ſchon toͤdten wird/ ſo will ich doch auff ihn hoffen. Jſt aber nun dieſer einfaͤltige und beſtaͤndige Diener GOttes in ſeiner Hoffnung betrogen worden? gantz und zu- mahlen nicht: dann er hat nicht allein das verlohrne wiederbekommen/ ſonderu hat auch wegen ſeiner langwirigen Gedult viel mehrere und groͤſ- ſere Wolthaten von GOtt empfangen. Zu deſſen genugſamer Bekraͤff- tigung/ neben unzahlbahren anderen Geſchichten und Exemplen/ die- net uns der H. Joachim und Anna/ welche ſo viele Jahr lang mit viel- faͤltigen Geluͤbten/ unauffhoͤrlichem Gebett/ und anderen andaͤchtigen Wercken die cheliche Leibs-Frucht von GOtt inſtaͤndiglich begehrt ha- ben und gleichwohl hat GOtt ſothanen ſeines liebſten Dieners und Die- nerinnen immer waͤhrendes Anhalten zu erhoͤren/ biß in die zwantzig Jah- ren dergeſtalt auffgeſchoben; daß ſelbige gleichſamb vor verfluchte/ und wegen ihrer groſſen Suͤnden von dem gerechten GOtt geſtraffte Ehe - Leuth nicht allein oͤffentlich gehalten worden; ſondern auch neben dieſem/ von jederman viele Schmach haben leyden muͤſſen. Weilen aber dieſe heiligſte Eheleuth die troͤſtliche Hoffnung zu GOTT veſt- gehalten; derhalben ſeynd ſie nicht allein gewuͤrdiget worden/ auch in ihrem Alterthumb/ der gewuͤnſchten Ehe-Frucht zu genieſſen; ſondern auch die/ durch ſo vieler Seeligen Alt- Vaͤttern hertzliche Begierden verlangte/ und durch ſo vieler H. H. Propheten Weiſſagungen/ der Welt verkuͤndigte allerheiligſte Jungfrau/ nemblich die aller - glorwuͤr- digſte Mutter GOTTES MARJAM zu gebaͤhren und alſo mit dem verfleiſchten WORT in ſehr nahe Blus- Verwandſchafft zu gelangen. Hierauß iſt nun klaͤrlich zu erſehen/ wie viel daran gelegen ſeye/ daß man ein veſtes und beſtaͤndiges Vertrauen auff GOTT habe. Wie aber ſchließlich ein Ancker an ein Seyl gehaͤfftet/ in den Grund deß Meers hinab gelaſſen wird; alſo muß die Hoffnung an das Seyl der Goͤttlichen Liebe gebunden/ und in den unermeßlichen Fluß der unendlichen Guͤtigkeit GOttes hinein geſencket werden. Job. 13. v. 15. 5. Auff dieſe vorgeſetzte Erklaͤhrung wollen wir nun ſehen/ was vor einen Nutzen dieſer Ancker ſchaffe: meines Erachtens wer- den wir verſtehen/ daß ſelbiger das Schifflein unſeres Hertzens vor den Waͤllen der Verſuchungen unverletzt erhalte. Derhalben ſagt der heiliger Vatter Auguſtinus: Dieſe Hoffnung haben wir in das heilige Land

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/42>, abgerufen am 19.04.2024.