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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
neben den provinziellen Gesetzen, in Provinzialgesetzbüchern
zusammengestellt werden. Was hier nicht aufgenommen
wäre, sollte nur gelten, insoferne das Landrecht entweder
in einzelnen Stellen auf Ortsgewohnheiten verwiese, oder
dadurch ergänzt würde (c). Über die künftige Entstehung
eines neuen Gewohnheitsrechts ist Nichts bestimmt; ohne
Zweifel sollte auch dieses nur unter den zwey erwähnten
alternativen Voraussetzungen, also auch nur als partiku-
läres Recht zulässig seyn. -- Endlich über das wissen-
schaftliche Recht wird gesagt: "Auf Meynungen der Rechts-
lehrer, oder ältere Aussprüche der Richter, soll, bey künf-
tigen Entscheidungen, keine Rücksicht genommen wer-
den (d)." Unter den Aussprüchen der Richter sind hier
gewiß die Präjudicien, nicht die rechtskräftigen Urtheile
gemeynt, obgleich der Ausdruck auf beide Arten der Ein-
wirkung bezogen werden könnte. Daß darauf, so wie
auf die Meynungen der Rechtslehrer, keine Rücksicht ge-
nommen werden soll, hat gewiß nur den Sinn, daß ihnen
keine bindende, den Gesetzen ähnliche Kraft beyzulegen ist;
denn den Einfluß auf die Ansicht und Überzeugung des
künftigen Richters, also die (vielleicht unbewußte) Rück-
sicht darauf kann ja kein Gesetz verhindern.

Das Französische Gesetzbuch enthält, eben so con-
sequent, über diese Gegenstände keine directe Bestimmung,
da es sich überhaupt nicht auf das öffentliche Recht

(c) Publikationspatent § 7. -- L. R. Einleitung § 3. 4.
(d) L. R. Einleitung § 6.

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
neben den provinziellen Geſetzen, in Provinzialgeſetzbüchern
zuſammengeſtellt werden. Was hier nicht aufgenommen
wäre, ſollte nur gelten, inſoferne das Landrecht entweder
in einzelnen Stellen auf Ortsgewohnheiten verwieſe, oder
dadurch ergänzt würde (c). Über die künftige Entſtehung
eines neuen Gewohnheitsrechts iſt Nichts beſtimmt; ohne
Zweifel ſollte auch dieſes nur unter den zwey erwähnten
alternativen Vorausſetzungen, alſo auch nur als partiku-
läres Recht zuläſſig ſeyn. — Endlich über das wiſſen-
ſchaftliche Recht wird geſagt: „Auf Meynungen der Rechts-
lehrer, oder ältere Ausſprüche der Richter, ſoll, bey künf-
tigen Entſcheidungen, keine Rückſicht genommen wer-
den (d).“ Unter den Ausſprüchen der Richter ſind hier
gewiß die Präjudicien, nicht die rechtskräftigen Urtheile
gemeynt, obgleich der Ausdruck auf beide Arten der Ein-
wirkung bezogen werden könnte. Daß darauf, ſo wie
auf die Meynungen der Rechtslehrer, keine Rückſicht ge-
nommen werden ſoll, hat gewiß nur den Sinn, daß ihnen
keine bindende, den Geſetzen ähnliche Kraft beyzulegen iſt;
denn den Einfluß auf die Anſicht und Überzeugung des
künftigen Richters, alſo die (vielleicht unbewußte) Rück-
ſicht darauf kann ja kein Geſetz verhindern.

Das Franzöſiſche Geſetzbuch enthält, eben ſo con-
ſequent, über dieſe Gegenſtände keine directe Beſtimmung,
da es ſich überhaupt nicht auf das öffentliche Recht

(c) Publikationspatent § 7. — L. R. Einleitung § 3. 4.
(d) L. R. Einleitung § 6.
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[198/0254] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. neben den provinziellen Geſetzen, in Provinzialgeſetzbüchern zuſammengeſtellt werden. Was hier nicht aufgenommen wäre, ſollte nur gelten, inſoferne das Landrecht entweder in einzelnen Stellen auf Ortsgewohnheiten verwieſe, oder dadurch ergänzt würde (c). Über die künftige Entſtehung eines neuen Gewohnheitsrechts iſt Nichts beſtimmt; ohne Zweifel ſollte auch dieſes nur unter den zwey erwähnten alternativen Vorausſetzungen, alſo auch nur als partiku- läres Recht zuläſſig ſeyn. — Endlich über das wiſſen- ſchaftliche Recht wird geſagt: „Auf Meynungen der Rechts- lehrer, oder ältere Ausſprüche der Richter, ſoll, bey künf- tigen Entſcheidungen, keine Rückſicht genommen wer- den (d).“ Unter den Ausſprüchen der Richter ſind hier gewiß die Präjudicien, nicht die rechtskräftigen Urtheile gemeynt, obgleich der Ausdruck auf beide Arten der Ein- wirkung bezogen werden könnte. Daß darauf, ſo wie auf die Meynungen der Rechtslehrer, keine Rückſicht ge- nommen werden ſoll, hat gewiß nur den Sinn, daß ihnen keine bindende, den Geſetzen ähnliche Kraft beyzulegen iſt; denn den Einfluß auf die Anſicht und Überzeugung des künftigen Richters, alſo die (vielleicht unbewußte) Rück- ſicht darauf kann ja kein Geſetz verhindern. Das Franzöſiſche Geſetzbuch enthält, eben ſo con- ſequent, über dieſe Gegenſtände keine directe Beſtimmung, da es ſich überhaupt nicht auf das öffentliche Recht (c) Publikationspatent § 7. — L. R. Einleitung § 3. 4. (d) L. R. Einleitung § 6.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/254>, abgerufen am 29.03.2024.