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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Beilage XV.
Handlungen aller Art (also unter andern auch im Civil-
prozeß) berechnet war (f). Alle solche Handlungen nämlich,
wohin hauptsächlich die Ausübung obrigkeitlicher Macht
gehörte, konnten verhindert werden durch den bloßen Ein-
spruch sehr vieler einzelnen Personen. Ein solcher Einspruch
hieß intercessio; die Bitte des Einzelnen, zu seinem Schutz
von jener Befugniß Gebrauch zu machen, hieß appellatio.

Berechtigt zu einem solchen Einspruch gegen die
Handlung einer Obrigkeit war zunächst jede andere obrig-
keitliche Person, die einen gleichen, oder einen höheren Rang
hatte, als der Handelnde (par majorve potestas), also
Prätor gegen Prätor, Consul gegen Consul, Consul gegen
Prätor, ohne Rücksicht darauf, ob die einzelne Handlung
mit dem besonderen Geschäftskreise dessen, der den Einspruch
that, Berührung hatte (g).

Ohne Rücksicht auf das Rangverhältniß hatten die
Tribunen ein allgemeines Recht des Einspruchs nach allen
Seiten hin, also auch gegen die Handlungen der Prätoren
und der Consuln (h). Bald übten sie dieses Recht als

(f) Zimmern Rechtsgeschichte
B. 3 § 169. Keller Semestria
Vol. 1 C. 1 § 8 p.
139--170.
(g) Cicero de leg. III. 3. --
Nicht ganz gleichartig ist es, wenn
der Prätor (nach seinem unzweifel-
haften Recht) dem von ihm ernann-
ten Juder den Auftrag entzog (ve-
tare judicare);
wohl aber, wenn
ein Consul diesem Juder den Urtheils-
spruch untersagte. L. 58 de jud.
(5. 1) "Judicium solvitur ve-
tante eo, qui judicare jusserat:
vel etiam eo, qui majus impe-
rium in eadem jurisdictione ha-
bet."
(Eadem jurisdictio
ist hier
im geographischen Sinn zu ver-
stehen). Nach gesprochenem Urtheil
hatte auch selbst der Prätor dar-
über keine Macht. L. 14 de re
jud.
(42. 1).
(h) Cicero de leg. III. 3.

Beilage XV.
Handlungen aller Art (alſo unter andern auch im Civil-
prozeß) berechnet war (f). Alle ſolche Handlungen nämlich,
wohin hauptſächlich die Ausübung obrigkeitlicher Macht
gehörte, konnten verhindert werden durch den bloßen Ein-
ſpruch ſehr vieler einzelnen Perſonen. Ein ſolcher Einſpruch
hieß intercessio; die Bitte des Einzelnen, zu ſeinem Schutz
von jener Befugniß Gebrauch zu machen, hieß appellatio.

Berechtigt zu einem ſolchen Einſpruch gegen die
Handlung einer Obrigkeit war zunächſt jede andere obrig-
keitliche Perſon, die einen gleichen, oder einen höheren Rang
hatte, als der Handelnde (par majorve potestas), alſo
Prätor gegen Prätor, Conſul gegen Conſul, Conſul gegen
Prätor, ohne Rückſicht darauf, ob die einzelne Handlung
mit dem beſonderen Geſchäftskreiſe deſſen, der den Einſpruch
that, Berührung hatte (g).

Ohne Rückſicht auf das Rangverhältniß hatten die
Tribunen ein allgemeines Recht des Einſpruchs nach allen
Seiten hin, alſo auch gegen die Handlungen der Prätoren
und der Conſuln (h). Bald übten ſie dieſes Recht als

(f) Zimmern Rechtsgeſchichte
B. 3 § 169. Keller Semestria
Vol. 1 C. 1 § 8 p.
139—170.
(g) Cicero de leg. III. 3. —
Nicht ganz gleichartig iſt es, wenn
der Prätor (nach ſeinem unzweifel-
haften Recht) dem von ihm ernann-
ten Juder den Auftrag entzog (ve-
tare judicare);
wohl aber, wenn
ein Conſul dieſem Juder den Urtheils-
ſpruch unterſagte. L. 58 de jud.
(5. 1) „Judicium solvitur ve-
tante eo, qui judicare jusserat:
vel etiam eo, qui majus impe-
rium in eadem jurisdictione ha-
bet.“
(Eadem jurisdictio
iſt hier
im geographiſchen Sinn zu ver-
ſtehen). Nach geſprochenem Urtheil
hatte auch ſelbſt der Prätor dar-
über keine Macht. L. 14 de re
jud.
(42. 1).
(h) Cicero de leg. III. 3.
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[488/0506] Beilage XV. Handlungen aller Art (alſo unter andern auch im Civil- prozeß) berechnet war (f). Alle ſolche Handlungen nämlich, wohin hauptſächlich die Ausübung obrigkeitlicher Macht gehörte, konnten verhindert werden durch den bloßen Ein- ſpruch ſehr vieler einzelnen Perſonen. Ein ſolcher Einſpruch hieß intercessio; die Bitte des Einzelnen, zu ſeinem Schutz von jener Befugniß Gebrauch zu machen, hieß appellatio. Berechtigt zu einem ſolchen Einſpruch gegen die Handlung einer Obrigkeit war zunächſt jede andere obrig- keitliche Perſon, die einen gleichen, oder einen höheren Rang hatte, als der Handelnde (par majorve potestas), alſo Prätor gegen Prätor, Conſul gegen Conſul, Conſul gegen Prätor, ohne Rückſicht darauf, ob die einzelne Handlung mit dem beſonderen Geſchäftskreiſe deſſen, der den Einſpruch that, Berührung hatte (g). Ohne Rückſicht auf das Rangverhältniß hatten die Tribunen ein allgemeines Recht des Einſpruchs nach allen Seiten hin, alſo auch gegen die Handlungen der Prätoren und der Conſuln (h). Bald übten ſie dieſes Recht als (f) Zimmern Rechtsgeſchichte B. 3 § 169. Keller Semestria Vol. 1 C. 1 § 8 p. 139—170. (g) Cicero de leg. III. 3. — Nicht ganz gleichartig iſt es, wenn der Prätor (nach ſeinem unzweifel- haften Recht) dem von ihm ernann- ten Juder den Auftrag entzog (ve- tare judicare); wohl aber, wenn ein Conſul dieſem Juder den Urtheils- ſpruch unterſagte. L. 58 de jud. (5. 1) „Judicium solvitur ve- tante eo, qui judicare jusserat: vel etiam eo, qui majus impe- rium in eadem jurisdictione ha- bet.“ (Eadem jurisdictio iſt hier im geographiſchen Sinn zu ver- ſtehen). Nach geſprochenem Urtheil hatte auch ſelbſt der Prätor dar- über keine Macht. L. 14 de re jud. (42. 1). (h) Cicero de leg. III. 3.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/506>, abgerufen am 29.03.2024.