Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Beilage XV.
benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung
derselben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu
lassen.

Diese Analogie führt zu der sehr wahrscheinlichen Ver-
muthung, daß auch jener Instanzenzug an die oben er-
wähnten alten Institute (provocatio und appellatio), als
neue Entwickelung derselben, wird angeknüpft worden seyn,
und es fragt sich dann zunächst, an welches unter diesen
beiden Instituten.

Manche haben die provocatio der alten Verfassung als
Grundlage der neuen Instanzen angenommen, und es scheint
dafür der Umstand zu sprechen, daß in der provocatio in
der That ein wahrer Instanzenzug enthalten war. Dennoch
muß ich dieser Annahme entschieden widersprechen. Erstlich,
weil die alte provocatio nur auf Criminalsachen, nie auf
den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der
Annahme einer provocatio an den Kaiser die förmliche
Gleichstellung der kaiserlichen Gewalt mit der Gewalt des
alten populus gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit
hindurch sehr sorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiser
nur obrigkeitliche, von dem populus übertragene, Gewalten
auszuüben scheinen wollten.

XI.

Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Instanzen-
zuges an die provocatio auf, so bleibt nur noch die appel-
latio
als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in

Beilage XV.
benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung
derſelben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu
laſſen.

Dieſe Analogie führt zu der ſehr wahrſcheinlichen Ver-
muthung, daß auch jener Inſtanzenzug an die oben er-
wähnten alten Inſtitute (provocatio und appellatio), als
neue Entwickelung derſelben, wird angeknüpft worden ſeyn,
und es fragt ſich dann zunächſt, an welches unter dieſen
beiden Inſtituten.

Manche haben die provocatio der alten Verfaſſung als
Grundlage der neuen Inſtanzen angenommen, und es ſcheint
dafür der Umſtand zu ſprechen, daß in der provocatio in
der That ein wahrer Inſtanzenzug enthalten war. Dennoch
muß ich dieſer Annahme entſchieden widerſprechen. Erſtlich,
weil die alte provocatio nur auf Criminalſachen, nie auf
den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der
Annahme einer provocatio an den Kaiſer die förmliche
Gleichſtellung der kaiſerlichen Gewalt mit der Gewalt des
alten populus gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit
hindurch ſehr ſorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiſer
nur obrigkeitliche, von dem populus übertragene, Gewalten
auszuüben ſcheinen wollten.

XI.

Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Inſtanzen-
zuges an die provocatio auf, ſo bleibt nur noch die appel-
latio
als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0514" n="496"/><fw place="top" type="header">Beilage <hi rendition="#aq">XV.</hi></fw><lb/>
benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung<lb/>
der&#x017F;elben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Analogie führt zu der &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlichen Ver-<lb/>
muthung, daß auch jener In&#x017F;tanzenzug an die oben er-<lb/>
wähnten alten In&#x017F;titute (<hi rendition="#aq">provocatio</hi> und <hi rendition="#aq">appellatio</hi>), als<lb/>
neue Entwickelung der&#x017F;elben, wird angeknüpft worden &#x017F;eyn,<lb/>
und es fragt &#x017F;ich dann zunäch&#x017F;t, an welches unter die&#x017F;en<lb/>
beiden In&#x017F;tituten.</p><lb/>
            <p>Manche haben die <hi rendition="#aq">provocatio</hi> der alten Verfa&#x017F;&#x017F;ung als<lb/>
Grundlage der neuen In&#x017F;tanzen angenommen, und es &#x017F;cheint<lb/>
dafür der Um&#x017F;tand zu &#x017F;prechen, daß in der <hi rendition="#aq">provocatio</hi> in<lb/>
der That ein wahrer In&#x017F;tanzenzug enthalten war. Dennoch<lb/>
muß ich die&#x017F;er Annahme ent&#x017F;chieden wider&#x017F;prechen. Er&#x017F;tlich,<lb/>
weil die alte <hi rendition="#aq">provocatio</hi> nur auf Criminal&#x017F;achen, nie auf<lb/>
den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der<lb/>
Annahme einer <hi rendition="#aq">provocatio</hi> an den Kai&#x017F;er die förmliche<lb/>
Gleich&#x017F;tellung der kai&#x017F;erlichen Gewalt mit der Gewalt des<lb/>
alten <hi rendition="#aq">populus</hi> gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit<lb/>
hindurch &#x017F;ehr &#x017F;orgfältig vermieden wurde, indem die Kai&#x017F;er<lb/>
nur obrigkeitliche, von dem <hi rendition="#aq">populus</hi> übertragene, Gewalten<lb/>
auszuüben &#x017F;cheinen wollten.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">XI.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Giebt man nun die Anknüpfung des neuen In&#x017F;tanzen-<lb/>
zuges an die <hi rendition="#aq">provocatio</hi> auf, &#x017F;o bleibt nur noch die <hi rendition="#aq">appel-<lb/>
latio</hi> als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[496/0514] Beilage XV. benutzen, um aus der bisher ungewohnten Verbindung derſelben das wahrhaft Neue unbemerkt hervorgehen zu laſſen. Dieſe Analogie führt zu der ſehr wahrſcheinlichen Ver- muthung, daß auch jener Inſtanzenzug an die oben er- wähnten alten Inſtitute (provocatio und appellatio), als neue Entwickelung derſelben, wird angeknüpft worden ſeyn, und es fragt ſich dann zunächſt, an welches unter dieſen beiden Inſtituten. Manche haben die provocatio der alten Verfaſſung als Grundlage der neuen Inſtanzen angenommen, und es ſcheint dafür der Umſtand zu ſprechen, daß in der provocatio in der That ein wahrer Inſtanzenzug enthalten war. Dennoch muß ich dieſer Annahme entſchieden widerſprechen. Erſtlich, weil die alte provocatio nur auf Criminalſachen, nie auf den Civilprozeß, angewendet wurde. Zweitens, weil in der Annahme einer provocatio an den Kaiſer die förmliche Gleichſtellung der kaiſerlichen Gewalt mit der Gewalt des alten populus gelegen hätte, deren Schein noch lange Zeit hindurch ſehr ſorgfältig vermieden wurde, indem die Kaiſer nur obrigkeitliche, von dem populus übertragene, Gewalten auszuüben ſcheinen wollten. XI. Giebt man nun die Anknüpfung des neuen Inſtanzen- zuges an die provocatio auf, ſo bleibt nur noch die appel- latio als Grundlage der neuen Einrichtung übrig, und in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/514
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/514>, abgerufen am 28.03.2024.