Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

so dass also die Geweihten die Wiedergeborenen, die Neugeborenen, die Zweimalgeborenen sind, wie sie dieses bei den Aegyptern, bei den Indern und Persern, bei den Griechen und Kelten u. s. w. gewiss waren. Der maurerische Kultus, der Kultus der Bauleute als ein Klage- und Todtendienst mit endlichem Freudenfeste über das Wiederfinden und Wiederauferstehen stellt sich dadurch den übrigen Mysteriendiensten des Alterthums erst gleich, oder wird nur dadurch zu einem Mysteriendienste. Das Werden, Vergehen und Wiedererstehen des Natur- und Sonnenlebens als ein Bild des menschlichen und geistigen Lebens ist das einzige, aber vielgestaltige Mysterium der Urmenschheit, niedergelegt in der Sprache und Dichtkunst, in den Religionen oder Mythologieen und den Mysterien aller Völker und aller Zeiten; der Gott- und Unsterblichkeitsglaube als Sittengesetz ist das der Menschheit Gemeinsame und Unzerstörbare, aber ausserordentlich verschieden sind die Formen seines Erscheinens und seiner Aeusserung. Das Symbol der Wiedergeburt und des ewigen Lebens ist der Baum, die Akazie1) oder Kassia, und die Geweihten waren insofern Deudrophoren, im christlichen Mittelalter vielleicht Kassia genannt. Als Bauende, als Bauleute hiessen sie im Mittelalter wohl Tubalkain, wozu später auch der Name Giblim, vielleicht entsprechend den beiden Säulen Jakin und Boaz, gekommen sein mag. Der Name Tubalkain ist der alterthümliche, der weltgeschichtliche und biblische, während der Name Giblim nur von einem tyrischen, nach I. Könige 5, 18 beim salomonischen Tempelbaue beschäftigten Volksstamme entlehnt ist.2) Ganz bedeutungslos und nur ein Erzeugniss der neueren Zeit ist der dem Meister auch beigelegte Name Gabaon (der Ort, wo die Israeliten in Kriegszeiten die Bundeslade verbargen.3) Ragon, a. a. O., S. 204, sagt, dass der Meister, indem er den Namen Gabaon, hebr.

1) Vergl. auch noch Ragon , a. a. O. , S. 148 ff., welcher die Dornakazie mit der Dornenkrone Christi in Verbindung und Vergleichung bringt.
2) Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Giblim; Winzer a. a. O., S. 127.
3) Vergl. Lenning, a. a. O., unter Gabaon.

so dass also die Geweihten die Wiedergeborenen, die Neugeborenen, die Zweimalgeborenen sind, wie sie dieses bei den Aegyptern, bei den Indern und Persern, bei den Griechen und Kelten u. s. w. gewiss waren. Der maurerische Kultus, der Kultus der Bauleute als ein Klage- und Todtendienst mit endlichem Freudenfeste über das Wiederfinden und Wiederauferstehen stellt sich dadurch den übrigen Mysteriendiensten des Alterthums erst gleich, oder wird nur dadurch zu einem Mysteriendienste. Das Werden, Vergehen und Wiedererstehen des Natur- und Sonnenlebens als ein Bild des menschlichen und geistigen Lebens ist das einzige, aber vielgestaltige Mysterium der Urmenschheit, niedergelegt in der Sprache und Dichtkunst, in den Religionen oder Mythologieen und den Mysterien aller Völker und aller Zeiten; der Gott- und Unsterblichkeitsglaube als Sittengesetz ist das der Menschheit Gemeinsame und Unzerstörbare, aber ausserordentlich verschieden sind die Formen seines Erscheinens und seiner Aeusserung. Das Symbol der Wiedergeburt und des ewigen Lebens ist der Baum, die Akazie1) oder Kassia, und die Geweihten waren insofern Deudrophoren, im christlichen Mittelalter vielleicht Kassia genannt. Als Bauende, als Bauleute hiessen sie im Mittelalter wohl Tubalkain, wozu später auch der Name Giblim, vielleicht entsprechend den beiden Säulen Jakin und Boaz, gekommen sein mag. Der Name Tubalkain ist der alterthümliche, der weltgeschichtliche und biblische, während der Name Giblim nur von einem tyrischen, nach I. Könige 5, 18 beim salomonischen Tempelbaue beschäftigten Volksstamme entlehnt ist.2) Ganz bedeutungslos und nur ein Erzeugniss der neueren Zeit ist der dem Meister auch beigelegte Name Gabaon (der Ort, wo die Israeliten in Kriegszeiten die Bundeslade verbargen.3) Ragon, a. a. O., S. 204, sagt, dass der Meister, indem er den Namen Gabaon, hebr.

1) Vergl. auch noch Ragon , a. a. O. , S. 148 ff., welcher die Dornakazie mit der Dornenkrone Christi in Verbindung und Vergleichung bringt.
2) Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Giblim; Winzer a. a. O., S. 127.
3) Vergl. Lenning, a. a. O., unter Gabaon.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0244" n="224"/>
        <p>
     so dass also die Geweihten die <hi rendition="#g">Wiedergeborenen</hi>, die <hi rendition="#g">Neugeborenen</hi>, die <hi rendition="#g">Zweimalgeborenen</hi> sind, wie sie dieses bei den Aegyptern, bei den Indern und Persern, bei den Griechen und Kelten u. s. w. gewiss waren. Der maurerische Kultus, der Kultus der Bauleute als ein Klage- und Todtendienst mit endlichem Freudenfeste über das Wiederfinden und Wiederauferstehen stellt sich dadurch den übrigen Mysteriendiensten des Alterthums erst gleich, oder wird nur dadurch zu einem Mysteriendienste. Das Werden, Vergehen und Wiedererstehen des Natur- und Sonnenlebens als ein Bild des menschlichen und geistigen Lebens ist das einzige, aber vielgestaltige Mysterium der Urmenschheit, niedergelegt in der Sprache und Dichtkunst, in den Religionen oder Mythologieen und den Mysterien aller Völker und aller Zeiten; der Gott- und Unsterblichkeitsglaube als Sittengesetz ist das der Menschheit Gemeinsame und Unzerstörbare, aber ausserordentlich verschieden sind die Formen seines Erscheinens und seiner Aeusserung. Das Symbol der Wiedergeburt und des ewigen Lebens ist der Baum, die Akazie<note place="foot" n="1)">Vergl. auch noch Ragon , a. a. O. , S. 148 ff., welcher die Dornakazie mit der Dornenkrone Christi in Verbindung und Vergleichung bringt.<lb/></note> oder Kassia, und die Geweihten waren insofern Deudrophoren, im christlichen Mittelalter vielleicht Kassia genannt. Als Bauende, als Bauleute hiessen sie im Mittelalter wohl Tubalkain, wozu später auch der Name Giblim, vielleicht entsprechend den beiden Säulen Jakin und Boaz, gekommen sein mag. Der Name Tubalkain ist der alterthümliche, der weltgeschichtliche und biblische, während der Name Giblim nur von einem tyrischen, nach I. Könige 5, 18 beim salomonischen Tempelbaue beschäftigten Volksstamme entlehnt ist.<note place="foot" n="2)">Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Giblim; Winzer a. a. O., S. 127.<lb/></note> Ganz bedeutungslos und nur ein Erzeugniss der neueren Zeit ist der dem Meister auch beigelegte Name Gabaon (der Ort, wo die Israeliten in Kriegszeiten die Bundeslade verbargen.<note place="foot" n="3)">Vergl. Lenning, a. a. O., unter Gabaon.<lb/></note> Ragon, a. a. O., S. 204, sagt, dass der Meister, indem er den Namen Gabaon, hebr.
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0244] so dass also die Geweihten die Wiedergeborenen, die Neugeborenen, die Zweimalgeborenen sind, wie sie dieses bei den Aegyptern, bei den Indern und Persern, bei den Griechen und Kelten u. s. w. gewiss waren. Der maurerische Kultus, der Kultus der Bauleute als ein Klage- und Todtendienst mit endlichem Freudenfeste über das Wiederfinden und Wiederauferstehen stellt sich dadurch den übrigen Mysteriendiensten des Alterthums erst gleich, oder wird nur dadurch zu einem Mysteriendienste. Das Werden, Vergehen und Wiedererstehen des Natur- und Sonnenlebens als ein Bild des menschlichen und geistigen Lebens ist das einzige, aber vielgestaltige Mysterium der Urmenschheit, niedergelegt in der Sprache und Dichtkunst, in den Religionen oder Mythologieen und den Mysterien aller Völker und aller Zeiten; der Gott- und Unsterblichkeitsglaube als Sittengesetz ist das der Menschheit Gemeinsame und Unzerstörbare, aber ausserordentlich verschieden sind die Formen seines Erscheinens und seiner Aeusserung. Das Symbol der Wiedergeburt und des ewigen Lebens ist der Baum, die Akazie 1) oder Kassia, und die Geweihten waren insofern Deudrophoren, im christlichen Mittelalter vielleicht Kassia genannt. Als Bauende, als Bauleute hiessen sie im Mittelalter wohl Tubalkain, wozu später auch der Name Giblim, vielleicht entsprechend den beiden Säulen Jakin und Boaz, gekommen sein mag. Der Name Tubalkain ist der alterthümliche, der weltgeschichtliche und biblische, während der Name Giblim nur von einem tyrischen, nach I. Könige 5, 18 beim salomonischen Tempelbaue beschäftigten Volksstamme entlehnt ist. 2) Ganz bedeutungslos und nur ein Erzeugniss der neueren Zeit ist der dem Meister auch beigelegte Name Gabaon (der Ort, wo die Israeliten in Kriegszeiten die Bundeslade verbargen. 3) Ragon, a. a. O., S. 204, sagt, dass der Meister, indem er den Namen Gabaon, hebr. 1) Vergl. auch noch Ragon , a. a. O. , S. 148 ff., welcher die Dornakazie mit der Dornenkrone Christi in Verbindung und Vergleichung bringt. 2) Vergl. Lenning, Encyklopädie, unter Giblim; Winzer a. a. O., S. 127. 3) Vergl. Lenning, a. a. O., unter Gabaon.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/244
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/244>, abgerufen am 25.04.2024.