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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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Koketten sinken in Ohnmacht. Womit wirst Du dich
rechtfertigen Unschuld -- Auch Mäzen sinken in
Ohnmacht.

Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie
hat meine ganze Seele gesehn. Mein Herz trat beim
Erröthen des ersten Kusses sichtbar in meine Augen
-- und sie empfand nichts? Empfand vielleicht nur
den Triumph ihrer Kunst? -- Da mein glüklicher
Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr zu umspannen
wähnte? Meine wildesten Wünsche schwiegen? Vor
meinem Gemüth stand kein Gedanke als die Ewig-
keit und das Mädchen -- Gott! da empfand sie nichts?
Fühlte nichts, als ihren Anschlag gelungen? Nichts,
als ihre Reize geschmeichelt? Tod und Rache! Nichts,
als daß ich betrogen sei?

Dritte Szene.
Der Hofmarschall und Ferdinand.
Hofmarschall. (ins Zimmer trippelnd) Sie haben
den Wunsch bliken lassen, mein Bester --

Ferdinand. (vor sich hinmurmelnd) Einem
Schurken den Hals zu brechen. (laut) Marschall,
dieser Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Ta-
sche gefallen seyn -- und ich (mit boshaftem Lachen)
war zum Glük noch der Finder.

Hofmarschall. Sie?
Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Ma-
chen Sie's mit der Allmacht aus.
Hofmar-

Koketten ſinken in Ohnmacht. Womit wirſt Du dich
rechtfertigen Unſchuld — Auch Maͤzen ſinken in
Ohnmacht.

Sie weiß, was ſie aus mir gemacht hat. Sie
hat meine ganze Seele geſehn. Mein Herz trat beim
Erroͤthen des erſten Kuſſes ſichtbar in meine Augen
— und ſie empfand nichts? Empfand vielleicht nur
den Triumph ihrer Kunſt? — Da mein gluͤklicher
Wahnſinn den ganzen Himmel in ihr zu umſpannen
waͤhnte? Meine wildeſten Wuͤnſche ſchwiegen? Vor
meinem Gemuͤth ſtand kein Gedanke als die Ewig-
keit und das Maͤdchen — Gott! da empfand ſie nichts?
Fuͤhlte nichts, als ihren Anſchlag gelungen? Nichts,
als ihre Reize geſchmeichelt? Tod und Rache! Nichts,
als daß ich betrogen ſei?

Dritte Szene.
Der Hofmarſchall und Ferdinand.
Hofmarſchall. (ins Zimmer trippelnd) Sie haben
den Wunſch bliken laſſen, mein Beſter —

Ferdinand. (vor ſich hinmurmelnd) Einem
Schurken den Hals zu brechen. (laut) Marſchall,
dieſer Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Ta-
ſche gefallen ſeyn — und ich (mit boshaftem Lachen)
war zum Gluͤk noch der Finder.

Hofmarſchall. Sie?
Ferdinand. Durch den luſtigſten Zufall. Ma-
chen Sie's mit der Allmacht aus.
Hofmar-
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[102/0106] Koketten ſinken in Ohnmacht. Womit wirſt Du dich rechtfertigen Unſchuld — Auch Maͤzen ſinken in Ohnmacht. Sie weiß, was ſie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele geſehn. Mein Herz trat beim Erroͤthen des erſten Kuſſes ſichtbar in meine Augen — und ſie empfand nichts? Empfand vielleicht nur den Triumph ihrer Kunſt? — Da mein gluͤklicher Wahnſinn den ganzen Himmel in ihr zu umſpannen waͤhnte? Meine wildeſten Wuͤnſche ſchwiegen? Vor meinem Gemuͤth ſtand kein Gedanke als die Ewig- keit und das Maͤdchen — Gott! da empfand ſie nichts? Fuͤhlte nichts, als ihren Anſchlag gelungen? Nichts, als ihre Reize geſchmeichelt? Tod und Rache! Nichts, als daß ich betrogen ſei? Dritte Szene. Der Hofmarſchall und Ferdinand. Hofmarſchall. (ins Zimmer trippelnd) Sie haben den Wunſch bliken laſſen, mein Beſter — Ferdinand. (vor ſich hinmurmelnd) Einem Schurken den Hals zu brechen. (laut) Marſchall, dieſer Brief muß Ihnen bei der Parade aus der Ta- ſche gefallen ſeyn — und ich (mit boshaftem Lachen) war zum Gluͤk noch der Finder. Hofmarſchall. Sie? Ferdinand. Durch den luſtigſten Zufall. Ma- chen Sie's mit der Allmacht aus. Hofmar-

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/106>, abgerufen am 28.03.2024.