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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Zweytes Buch.

Der Entschluß, welchen Ferdinand jezt faßte, gab dem Krieg eine ganz andre Richtung, einen andern Schauplaz und andre Spiele. Aus einer Rebellion in Böhmen und einem Exekutionszug gegen Rebellen wurde ein Deutscher und bald ein Europäischer Krieg. Jezt also ist es Zeit, einen Blick auf Deutschland und das übrige Europa zu werfen.

So ungleich der Grund und Boden des Deutschen Reichs und die Vorrechte seiner Glieder unter Katholiken und Protestanten vertheilt waren, so durfte jede Parthey nur ihre eigenthümlichen Vortheile nuzen, nur in staatskluger Eintracht zusammen halten, um ihrer Gegenparthey hinlänglich gewachsen zu bleiben. Wenn die katholische die überlegene Zahl für sich hatte, und von der Reichsconstitution mehr begünstigt war, so besaß die protestantische eine zusammenhängende Strecke volkreicher Länder, streitbare Fürsten, einen kriegerischen Adel, zahlreiche Armeen, wohlhabende Reichsstädte, die Herrschaft des Meers, und auf den schlimmsten Fall einen zuverlässigen Anhang in den Ländern katholischer Fürsten. Wenn die katholische Spanien und Italien zu ihrem Beystand bewaffnen konnte, so öffneten die Republicken Venedig, Holland und England der protestantischen ihre Schäze, so fand sie die Staaten des Nordens und die furchtbare Türkische Macht zu schneller Hülfe bereit. Brandenburg, Sachsen und Pfalz sezten den drey geistlichen Stimmen im Churfürstenrathe drey bedeutende protestantische Stimmen entgegen, und für den Churfürsten von Böhmen, wie für den Erzherzog von Oesterreich, war die Kaiserwürde eine Fessel, wenn die protestantischen Reichsstände ihre Wichtigkeit zu benuzen verstanden. Das Schwert der Union konnte das Schwert der Ligue in der Scheide halten, oder doch den Ausschlag des

Zweytes Buch.

Der Entschluß, welchen Ferdinand jezt faßte, gab dem Krieg eine ganz andre Richtung, einen andern Schauplaz und andre Spiele. Aus einer Rebellion in Böhmen und einem Exekutionszug gegen Rebellen wurde ein Deutscher und bald ein Europäischer Krieg. Jezt also ist es Zeit, einen Blick auf Deutschland und das übrige Europa zu werfen.

So ungleich der Grund und Boden des Deutschen Reichs und die Vorrechte seiner Glieder unter Katholiken und Protestanten vertheilt waren, so durfte jede Parthey nur ihre eigenthümlichen Vortheile nuzen, nur in staatskluger Eintracht zusammen halten, um ihrer Gegenparthey hinlänglich gewachsen zu bleiben. Wenn die katholische die überlegene Zahl für sich hatte, und von der Reichsconstitution mehr begünstigt war, so besaß die protestantische eine zusammenhängende Strecke volkreicher Länder, streitbare Fürsten, einen kriegerischen Adel, zahlreiche Armeen, wohlhabende Reichsstädte, die Herrschaft des Meers, und auf den schlimmsten Fall einen zuverlässigen Anhang in den Ländern katholischer Fürsten. Wenn die katholische Spanien und Italien zu ihrem Beystand bewaffnen konnte, so öffneten die Republicken Venedig, Holland und England der protestantischen ihre Schäze, so fand sie die Staaten des Nordens und die furchtbare Türkische Macht zu schneller Hülfe bereit. Brandenburg, Sachsen und Pfalz sezten den drey geistlichen Stimmen im Churfürstenrathe drey bedeutende protestantische Stimmen entgegen, und für den Churfürsten von Böhmen, wie für den Erzherzog von Oesterreich, war die Kaiserwürde eine Fessel, wenn die protestantischen Reichsstände ihre Wichtigkeit zu benuzen verstanden. Das Schwert der Union konnte das Schwert der Ligue in der Scheide halten, oder doch den Ausschlag des

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[105/0113] Zweytes Buch. Der Entschluß, welchen Ferdinand jezt faßte, gab dem Krieg eine ganz andre Richtung, einen andern Schauplaz und andre Spiele. Aus einer Rebellion in Böhmen und einem Exekutionszug gegen Rebellen wurde ein Deutscher und bald ein Europäischer Krieg. Jezt also ist es Zeit, einen Blick auf Deutschland und das übrige Europa zu werfen. So ungleich der Grund und Boden des Deutschen Reichs und die Vorrechte seiner Glieder unter Katholiken und Protestanten vertheilt waren, so durfte jede Parthey nur ihre eigenthümlichen Vortheile nuzen, nur in staatskluger Eintracht zusammen halten, um ihrer Gegenparthey hinlänglich gewachsen zu bleiben. Wenn die katholische die überlegene Zahl für sich hatte, und von der Reichsconstitution mehr begünstigt war, so besaß die protestantische eine zusammenhängende Strecke volkreicher Länder, streitbare Fürsten, einen kriegerischen Adel, zahlreiche Armeen, wohlhabende Reichsstädte, die Herrschaft des Meers, und auf den schlimmsten Fall einen zuverlässigen Anhang in den Ländern katholischer Fürsten. Wenn die katholische Spanien und Italien zu ihrem Beystand bewaffnen konnte, so öffneten die Republicken Venedig, Holland und England der protestantischen ihre Schäze, so fand sie die Staaten des Nordens und die furchtbare Türkische Macht zu schneller Hülfe bereit. Brandenburg, Sachsen und Pfalz sezten den drey geistlichen Stimmen im Churfürstenrathe drey bedeutende protestantische Stimmen entgegen, und für den Churfürsten von Böhmen, wie für den Erzherzog von Oesterreich, war die Kaiserwürde eine Fessel, wenn die protestantischen Reichsstände ihre Wichtigkeit zu benuzen verstanden. Das Schwert der Union konnte das Schwert der Ligue in der Scheide halten, oder doch den Ausschlag des

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/113>, abgerufen am 24.04.2024.