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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Breite von Berlin hinauf reift keine Traube mehr. In
Schonen und auf der südlichsten Spitze Norwegens erreicht
die Buche ihren nördlichsten Standort. Von Biornoe, nörd-
lich von Drontheim, zieht sich eine Linie quer durch Nor-
wegen, durch Jämtland und Herjedalen, welche im nörd-
lichen Theil von Gefleborg die Ostküste von Schweden schnei-
det und dem Anbau des Weizens nach Norden eine unübersteig-
liche Schranke setzt. Höher hinauf bildet die Kiefer die Baumvege-
tation, aber wo selbst die genügsame Birke zuletzt nicht mehr gedeiht,
da erlaubt noch ein kurzer, aber wenigstens zuweilen warmer Som-
mer die Cultur der rasch wachsenden Gerste. Für diese ganze Reihe
von Thatsachen ist es nicht schwer die Erklärungen aufzufinden, sie
sind durchaus abhängig von klimatischen Einflüssen und schon allein
eine genaue Untersuchung der Temperaturverhältnisse genügt, um von
allen diesen Thatsachen erklärende Rechenschaft ablegen zu können. --

Ganz anders verhält es sich mit den folgenden Erscheinungen. Von
der Südspitze von Africa bis zum Nordcap auf Mageroe ziehen
sich durch die ganze alte Welt die Haidepflanzen, nur die eigentli-
chen Tropengegenden überspringend. In gleichen Breiten, bei gleichem
Clima, gleichen Bodenverhältnissen finden wir in ganz America nicht
eine einzige ächte Haideart. Andere ihnen verwandte Pflanzen ver-
treten ihre Stelle, Pflanzen, die wenigstens derselben Familie (den
Ericeen) angehören; gehen wir aber nach Australien, so finden
wir unter entsprechenden Verhältnissen auch nicht einmal eine Ericee,
an deren Stelle eine andere zwar verwandte, aber doch ganz eigen-
thümliche Pflanzenfamilie der Epacrideen, auftritt. In einem
kleinen Winkel Asiens wächst die Theestaude und gewiß ist es nicht
der Mangel an entsprechenden climatischen Einflüssen in der ganzen
übrigen Welt, der den Thee auf China beschränkt. Ein schmaler
Gürtel an den Anden der nördlichen Hälfte von Südamerica wächst
das Geschlecht der Chinarindenbäume, sollte die ganze Erde
weiter keinen Fleck aufzuweisen haben, auf welchem gleiche Tempera-

Breite von Berlin hinauf reift keine Traube mehr. In
Schonen und auf der ſüdlichſten Spitze Norwegens erreicht
die Buche ihren nördlichſten Standort. Von Biornoe, nörd-
lich von Drontheim, zieht ſich eine Linie quer durch Nor-
wegen, durch Jämtland und Herjedalen, welche im nörd-
lichen Theil von Gefleborg die Oſtküſte von Schweden ſchnei-
det und dem Anbau des Weizens nach Norden eine unüberſteig-
liche Schranke ſetzt. Höher hinauf bildet die Kiefer die Baumvege-
tation, aber wo ſelbſt die genügſame Birke zuletzt nicht mehr gedeiht,
da erlaubt noch ein kurzer, aber wenigſtens zuweilen warmer Som-
mer die Cultur der raſch wachſenden Gerſte. Für dieſe ganze Reihe
von Thatſachen iſt es nicht ſchwer die Erklärungen aufzufinden, ſie
ſind durchaus abhängig von klimatiſchen Einflüſſen und ſchon allein
eine genaue Unterſuchung der Temperaturverhältniſſe genügt, um von
allen dieſen Thatſachen erklärende Rechenſchaft ablegen zu können. —

Ganz anders verhält es ſich mit den folgenden Erſcheinungen. Von
der Südſpitze von Africa bis zum Nordcap auf Mageroe ziehen
ſich durch die ganze alte Welt die Haidepflanzen, nur die eigentli-
chen Tropengegenden überſpringend. In gleichen Breiten, bei gleichem
Clima, gleichen Bodenverhältniſſen finden wir in ganz America nicht
eine einzige ächte Haideart. Andere ihnen verwandte Pflanzen ver-
treten ihre Stelle, Pflanzen, die wenigſtens derſelben Familie (den
Ericeen) angehören; gehen wir aber nach Auſtralien, ſo finden
wir unter entſprechenden Verhältniſſen auch nicht einmal eine Ericee,
an deren Stelle eine andere zwar verwandte, aber doch ganz eigen-
thümliche Pflanzenfamilie der Epacrideen, auftritt. In einem
kleinen Winkel Aſiens wächſt die Theeſtaude und gewiß iſt es nicht
der Mangel an entſprechenden climatiſchen Einflüſſen in der ganzen
übrigen Welt, der den Thee auf China beſchränkt. Ein ſchmaler
Gürtel an den Anden der nördlichen Hälfte von Südamerica wächſt
das Geſchlecht der Chinarindenbäume, ſollte die ganze Erde
weiter keinen Fleck aufzuweiſen haben, auf welchem gleiche Tempera-

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[223/0239] Breite von Berlin hinauf reift keine Traube mehr. In Schonen und auf der ſüdlichſten Spitze Norwegens erreicht die Buche ihren nördlichſten Standort. Von Biornoe, nörd- lich von Drontheim, zieht ſich eine Linie quer durch Nor- wegen, durch Jämtland und Herjedalen, welche im nörd- lichen Theil von Gefleborg die Oſtküſte von Schweden ſchnei- det und dem Anbau des Weizens nach Norden eine unüberſteig- liche Schranke ſetzt. Höher hinauf bildet die Kiefer die Baumvege- tation, aber wo ſelbſt die genügſame Birke zuletzt nicht mehr gedeiht, da erlaubt noch ein kurzer, aber wenigſtens zuweilen warmer Som- mer die Cultur der raſch wachſenden Gerſte. Für dieſe ganze Reihe von Thatſachen iſt es nicht ſchwer die Erklärungen aufzufinden, ſie ſind durchaus abhängig von klimatiſchen Einflüſſen und ſchon allein eine genaue Unterſuchung der Temperaturverhältniſſe genügt, um von allen dieſen Thatſachen erklärende Rechenſchaft ablegen zu können. — Ganz anders verhält es ſich mit den folgenden Erſcheinungen. Von der Südſpitze von Africa bis zum Nordcap auf Mageroe ziehen ſich durch die ganze alte Welt die Haidepflanzen, nur die eigentli- chen Tropengegenden überſpringend. In gleichen Breiten, bei gleichem Clima, gleichen Bodenverhältniſſen finden wir in ganz America nicht eine einzige ächte Haideart. Andere ihnen verwandte Pflanzen ver- treten ihre Stelle, Pflanzen, die wenigſtens derſelben Familie (den Ericeen) angehören; gehen wir aber nach Auſtralien, ſo finden wir unter entſprechenden Verhältniſſen auch nicht einmal eine Ericee, an deren Stelle eine andere zwar verwandte, aber doch ganz eigen- thümliche Pflanzenfamilie der Epacrideen, auftritt. In einem kleinen Winkel Aſiens wächſt die Theeſtaude und gewiß iſt es nicht der Mangel an entſprechenden climatiſchen Einflüſſen in der ganzen übrigen Welt, der den Thee auf China beſchränkt. Ein ſchmaler Gürtel an den Anden der nördlichen Hälfte von Südamerica wächſt das Geſchlecht der Chinarindenbäume, ſollte die ganze Erde weiter keinen Fleck aufzuweiſen haben, auf welchem gleiche Tempera-

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/239>, abgerufen am 29.03.2024.