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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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wir für aufrichtige Bekehrungs-Zeichen denen, die vormals andere seltsame
Dinge von diesem Manne gehöret auch wol an ihm gesehen haben, aufrich-
tig erzehlen können. Anbey gieng seine Klage mit offtmahliger Wieder-
holung aus seinem Munde: Ach die Damm-Mühle! die Damm-Mühle
thut mir den Tod! wäre ich von Zigeunern geblieben, würde mirs so sauer
nicht worden seyn, als mirs jetzo wird.

§. 168.

Er konnte nun auch gute Lehr- und Warnungs-Worte aus-
sprechen, sagte auch zu andern, daß sie sich für solchen schädlichen Zigeuner-
Geschleppe hüten möchten, denn unter solchem Volcke wären Greuel, die un-
menschlich heissen könnten, ein rechter Saame zu allerley Unglück, und hätte
er Mühe gehabt, von dem Mühlen-Raube ihnen die 8. Thlr. auszupressen,
daß er selbst dabey mit Gefahr seines Lebens gestanden, da er ihnen solches
Geld abgefodert hatte.

§. 169.

Mit solcher Hertzens-Fassung blieb er beständig biß an sei-
nem Ende. Denn da wir ihn am Tage der Ausführung besuchten, und
bald darauf mit allen vieren in der Gerichts-Stube stunden, das noch be-
stättigte Urthel zu hören, bedanckte er sich mit Darreichung seiner Hand an
jeden derer versammleten Herren Räthe, küssete sich vor aller Augen mit
Fixeln, und da er noch einige Meubles hinterließ, und eine eben nicht übel ge-
bildete Tochter von etwa 11. Jahren, dachte er derselben sein Erbgut zu,
weil er leicht erachten konnte, daß sein Weib so wenig, als seine andere Kin-
der herkommen und es abfodern würden, begehrte derowegen und bath, daß
sich jemand des Kindes als Vorsprach annehmen möchte, darauf von
dem Herrn Geh. Rath Mylio und Geh. Rath Bergern gefraget, wen
er zum Vormund derselben setzen und selbst erwehlen wolle, wandte er sich
rückwehrts, und sagte, der alte Herr Schmid soll es seyn.

§. 170.

Jch war auch nicht schwürig, ohngeachtet dieses meine erste
Vormundschafst in dieser Welt werden würde, nahm das arme Kind bey
der Hand, und bezeugte derselben meine Treue, daß sie Vater an mir finden
solte.

§. 171.

Damit gab Kranichfeld abermals ein Zeichen eines gutge-
setzten und umgekehrten Hertzens, indem er in vorigen Zeiten mit keinem
weniger als mit mir auskommen konnte, nunmehro aber deutlich gnug be-
zeugete, daß ich ihme nicht schädlich gewesen, wenn ich demselben zu seiner
verkehrten Willens-Freyheit den Weg allewege zu verlegen suchen müssen.
Jch preise diese seine Tochter auch hiemit jedermann an, der mit Elenden

auch
O

wir fuͤr aufrichtige Bekehrungs-Zeichen denen, die vormals andere ſeltſame
Dinge von dieſem Manne gehoͤret auch wol an ihm geſehen haben, aufrich-
tig erzehlen koͤnnen. Anbey gieng ſeine Klage mit offtmahliger Wieder-
holung aus ſeinem Munde: Ach die Damm-Muͤhle! die Damm-Muͤhle
thut mir den Tod! waͤre ich von Zigeunern geblieben, wuͤrde mirs ſo ſauer
nicht worden ſeyn, als mirs jetzo wird.

§. 168.

Er konnte nun auch gute Lehr- und Warnungs-Worte aus-
ſprechen, ſagte auch zu andern, daß ſie ſich fuͤr ſolchen ſchaͤdlichen Zigeuner-
Geſchleppe huͤten moͤchten, denn unter ſolchem Volcke waͤren Greuel, die un-
menſchlich heiſſen koͤnnten, ein rechter Saame zu allerley Ungluͤck, und haͤtte
er Muͤhe gehabt, von dem Muͤhlen-Raube ihnen die 8. Thlr. auszupreſſen,
daß er ſelbſt dabey mit Gefahr ſeines Lebens geſtanden, da er ihnen ſolches
Geld abgefodert hatte.

§. 169.

Mit ſolcher Hertzens-Faſſung blieb er beſtaͤndig biß an ſei-
nem Ende. Denn da wir ihn am Tage der Ausfuͤhrung beſuchten, und
bald darauf mit allen vieren in der Gerichts-Stube ſtunden, das noch be-
ſtaͤttigte Urthel zu hoͤren, bedanckte er ſich mit Darreichung ſeiner Hand an
jeden derer verſammleten Herren Raͤthe, kuͤſſete ſich vor aller Augen mit
Fixeln, und da er noch einige Meubles hinterließ, und eine eben nicht uͤbel ge-
bildete Tochter von etwa 11. Jahren, dachte er derſelben ſein Erbgut zu,
weil er leicht erachten konnte, daß ſein Weib ſo wenig, als ſeine andere Kin-
der herkommen und es abfodern wuͤrden, begehrte derowegen und bath, daß
ſich jemand des Kindes als Vorſprach annehmen moͤchte, darauf von
dem Herrn Geh. Rath Mylio und Geh. Rath Bergern gefraget, wen
er zum Vormund derſelben ſetzen und ſelbſt erwehlen wolle, wandte er ſich
ruͤckwehrts, und ſagte, der alte Herr Schmid ſoll es ſeyn.

§. 170.

Jch war auch nicht ſchwuͤrig, ohngeachtet dieſes meine erſte
Vormundſchafſt in dieſer Welt werden wuͤrde, nahm das arme Kind bey
der Hand, und bezeugte derſelben meine Treue, daß ſie Vater an mir finden
ſolte.

§. 171.

Damit gab Kranichfeld abermals ein Zeichen eines gutge-
ſetzten und umgekehrten Hertzens, indem er in vorigen Zeiten mit keinem
weniger als mit mir auskommen konnte, nunmehro aber deutlich gnug be-
zeugete, daß ich ihme nicht ſchaͤdlich geweſen, wenn ich demſelben zu ſeiner
verkehrten Willens-Freyheit den Weg allewege zu verlegen ſuchen muͤſſen.
Jch preiſe dieſe ſeine Tochter auch hiemit jedermann an, der mit Elenden

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[105[103]/0111] wir fuͤr aufrichtige Bekehrungs-Zeichen denen, die vormals andere ſeltſame Dinge von dieſem Manne gehoͤret auch wol an ihm geſehen haben, aufrich- tig erzehlen koͤnnen. Anbey gieng ſeine Klage mit offtmahliger Wieder- holung aus ſeinem Munde: Ach die Damm-Muͤhle! die Damm-Muͤhle thut mir den Tod! waͤre ich von Zigeunern geblieben, wuͤrde mirs ſo ſauer nicht worden ſeyn, als mirs jetzo wird. §. 168. Er konnte nun auch gute Lehr- und Warnungs-Worte aus- ſprechen, ſagte auch zu andern, daß ſie ſich fuͤr ſolchen ſchaͤdlichen Zigeuner- Geſchleppe huͤten moͤchten, denn unter ſolchem Volcke waͤren Greuel, die un- menſchlich heiſſen koͤnnten, ein rechter Saame zu allerley Ungluͤck, und haͤtte er Muͤhe gehabt, von dem Muͤhlen-Raube ihnen die 8. Thlr. auszupreſſen, daß er ſelbſt dabey mit Gefahr ſeines Lebens geſtanden, da er ihnen ſolches Geld abgefodert hatte. §. 169. Mit ſolcher Hertzens-Faſſung blieb er beſtaͤndig biß an ſei- nem Ende. Denn da wir ihn am Tage der Ausfuͤhrung beſuchten, und bald darauf mit allen vieren in der Gerichts-Stube ſtunden, das noch be- ſtaͤttigte Urthel zu hoͤren, bedanckte er ſich mit Darreichung ſeiner Hand an jeden derer verſammleten Herren Raͤthe, kuͤſſete ſich vor aller Augen mit Fixeln, und da er noch einige Meubles hinterließ, und eine eben nicht uͤbel ge- bildete Tochter von etwa 11. Jahren, dachte er derſelben ſein Erbgut zu, weil er leicht erachten konnte, daß ſein Weib ſo wenig, als ſeine andere Kin- der herkommen und es abfodern wuͤrden, begehrte derowegen und bath, daß ſich jemand des Kindes als Vorſprach annehmen moͤchte, darauf von dem Herrn Geh. Rath Mylio und Geh. Rath Bergern gefraget, wen er zum Vormund derſelben ſetzen und ſelbſt erwehlen wolle, wandte er ſich ruͤckwehrts, und ſagte, der alte Herr Schmid ſoll es ſeyn. §. 170. Jch war auch nicht ſchwuͤrig, ohngeachtet dieſes meine erſte Vormundſchafſt in dieſer Welt werden wuͤrde, nahm das arme Kind bey der Hand, und bezeugte derſelben meine Treue, daß ſie Vater an mir finden ſolte. §. 171. Damit gab Kranichfeld abermals ein Zeichen eines gutge- ſetzten und umgekehrten Hertzens, indem er in vorigen Zeiten mit keinem weniger als mit mir auskommen konnte, nunmehro aber deutlich gnug be- zeugete, daß ich ihme nicht ſchaͤdlich geweſen, wenn ich demſelben zu ſeiner verkehrten Willens-Freyheit den Weg allewege zu verlegen ſuchen muͤſſen. Jch preiſe dieſe ſeine Tochter auch hiemit jedermann an, der mit Elenden auch O

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 105[103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/111>, abgerufen am 28.03.2024.