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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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seph Kranichfeld, der mit seiner gantzen Familie, zween Brüdern, Mut-
ter und Stieff-Vater, und mitgeführten Kindern einen grossen Schwarm
machete: da sie zusammen in Havelberg Ablage hatten, verzürnet sich die-
ser Joseph mit seinem andern Bruder Valentin, von dem er seines unnützen
Mundes wegen eine Maulschelle bekommen: Da sie, die Gebrüdere hin-
aus vor dem Havelbergischen Dohm gehen, ersticht jener diesen mit einem
Brod-Messer heimtückisch, welches der erstochene, so noch 9. Tage gelebet,
auf ihn und seinen jüngern Bruder Christoph, det nunmehro bald vorkom-
men soll, wie Acta daher besagten, bekannt hat.

§. 41.

Nach verübter Mordthat lauffen die beyden Brüder davon,
die Rache GOttes aber hinter sie her: Denn da zu Naugardt in Pom-
mern eine Plünderung geschahe, wird von der Stargardischen Regierung
Visitation angestellet, da ebenmäßig alle verdächtige Personen in der Gegend
und in den Schencken daselbst aufgesuchet werden. Unter solchen kommt auch
dieser Kranichfeld, als ein daselbst unbekannter Bruder-Mörder und diese
seine Anna Maria herbey, machen sich mit ihren falschen Brieffen verdäch-
tig, daß sie beyde über dem Naugartschen Raub mit in peinliche Anfrage
gezogen und torquiret werden, das Weib mit Daum-Schrauben und
Schnüren, der Mann aber mag einen höhern Grad der Tortur erlitten haben,
also daß er ihme auf der Folter-Bancke in Hertzens-Härtigkeit, ohne Er-
kannt- und Bekanntniß, ohne Reue und Leid unter der Hand des Nachrich-
ters seinen boßhafftigen Geist auspressen lassen.

§. 42.

Wo dieß sein hinterlassenes Weib mit ihren Kindern die
Weile gestecket, und mit welchen Greueln sie ihre Zeit zugebracht, ist uns
nicht wissend worden. Nach vielen Jahren aber geräth sie an diesem Hoff-
mann, thut keine andere Dinge, weder sie zuvor gelernet und meisterlich
practisiret hatte, mochte es auch wol höher schon getrieben haben, nachdem
sie zu Stargard die Probe ihrer Beständigkeit auf der Folter gemachet:
Zum wenigsten würde sie vom Mitgange zur Mühlen-Plünderung sich nicht
ausgesaget, noch davon entfernet haben, wenn sie nicht hoch schwanger ge-
wesen wäre, und da sie annoch in solchem Zustande vors Verhör muste, ist es
die Ursache, daß die Tortur für sie übergieng, sonst es sie so leicht als die
Schiefferdeckerin hätte treffen können, indem sie keine Nachricht von dieser
geschehenen Plünderung wissen wollen, da sie doch bey der Verabredung
unter den Zigeunern gewesen, die übrige drey gesehen dahin lauffen, und der
einen ihr Kind wehrender Zeit verwahren wollen, wie Anfangs, da unter

ihnen

ſeph Kranichfeld, der mit ſeiner gantzen Familie, zween Bruͤdern, Mut-
ter und Stieff-Vater, und mitgefuͤhrten Kindern einen groſſen Schwarm
machete: da ſie zuſammen in Havelberg Ablage hatten, verzuͤrnet ſich die-
ſer Joſeph mit ſeinem andern Bruder Valentin, von dem er ſeines unnuͤtzen
Mundes wegen eine Maulſchelle bekommen: Da ſie, die Gebruͤdere hin-
aus vor dem Havelbergiſchen Dohm gehen, erſticht jener dieſen mit einem
Brod-Meſſer heimtuͤckiſch, welches der erſtochene, ſo noch 9. Tage gelebet,
auf ihn und ſeinen juͤngern Bruder Chriſtoph, det nunmehro bald vorkom-
men ſoll, wie Acta daher beſagten, bekannt hat.

§. 41.

Nach veruͤbter Mordthat lauffen die beyden Bruͤder davon,
die Rache GOttes aber hinter ſie her: Denn da zu Naugardt in Pom-
mern eine Pluͤnderung geſchahe, wird von der Stargardiſchen Regierung
Viſitation angeſtellet, da ebenmaͤßig alle verdaͤchtige Perſonen in der Gegend
und in den Schencken daſelbſt aufgeſuchet werden. Unter ſolchen kommt auch
dieſer Kranichfeld, als ein daſelbſt unbekannter Bruder-Moͤrder und dieſe
ſeine Anna Maria herbey, machen ſich mit ihren falſchen Brieffen verdaͤch-
tig, daß ſie beyde uͤber dem Naugartſchen Raub mit in peinliche Anfrage
gezogen und torquiret werden, das Weib mit Daum-Schrauben und
Schnuͤren, der Mann aber mag einen hoͤhern Grad der Tortur erlitten haben,
alſo daß er ihme auf der Folter-Bancke in Hertzens-Haͤrtigkeit, ohne Er-
kannt- und Bekanntniß, ohne Reue und Leid unter der Hand des Nachrich-
ters ſeinen boßhafftigen Geiſt auspreſſen laſſen.

§. 42.

Wo dieß ſein hinterlaſſenes Weib mit ihren Kindern die
Weile geſtecket, und mit welchen Greueln ſie ihre Zeit zugebracht, iſt uns
nicht wiſſend worden. Nach vielen Jahren aber geraͤth ſie an dieſem Hoff-
mann, thut keine andere Dinge, weder ſie zuvor gelernet und meiſterlich
practiſiret hatte, mochte es auch wol hoͤher ſchon getrieben haben, nachdem
ſie zu Stargard die Probe ihrer Beſtaͤndigkeit auf der Folter gemachet:
Zum wenigſten wuͤrde ſie vom Mitgange zur Muͤhlen-Pluͤnderung ſich nicht
ausgeſaget, noch davon entfernet haben, wenn ſie nicht hoch ſchwanger ge-
weſen waͤre, und da ſie annoch in ſolchem Zuſtande vors Verhoͤr muſte, iſt es
die Urſache, daß die Tortur fuͤr ſie uͤbergieng, ſonſt es ſie ſo leicht als die
Schiefferdeckerin haͤtte treffen koͤnnen, indem ſie keine Nachricht von dieſer
geſchehenen Pluͤnderung wiſſen wollen, da ſie doch bey der Verabredung
unter den Zigeunern geweſen, die uͤbrige drey geſehen dahin lauffen, und der
einen ihr Kind wehrender Zeit verwahren wollen, wie Anfangs, da unter

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[34[32]/0032] ſeph Kranichfeld, der mit ſeiner gantzen Familie, zween Bruͤdern, Mut- ter und Stieff-Vater, und mitgefuͤhrten Kindern einen groſſen Schwarm machete: da ſie zuſammen in Havelberg Ablage hatten, verzuͤrnet ſich die- ſer Joſeph mit ſeinem andern Bruder Valentin, von dem er ſeines unnuͤtzen Mundes wegen eine Maulſchelle bekommen: Da ſie, die Gebruͤdere hin- aus vor dem Havelbergiſchen Dohm gehen, erſticht jener dieſen mit einem Brod-Meſſer heimtuͤckiſch, welches der erſtochene, ſo noch 9. Tage gelebet, auf ihn und ſeinen juͤngern Bruder Chriſtoph, det nunmehro bald vorkom- men ſoll, wie Acta daher beſagten, bekannt hat. §. 41.Nach veruͤbter Mordthat lauffen die beyden Bruͤder davon, die Rache GOttes aber hinter ſie her: Denn da zu Naugardt in Pom- mern eine Pluͤnderung geſchahe, wird von der Stargardiſchen Regierung Viſitation angeſtellet, da ebenmaͤßig alle verdaͤchtige Perſonen in der Gegend und in den Schencken daſelbſt aufgeſuchet werden. Unter ſolchen kommt auch dieſer Kranichfeld, als ein daſelbſt unbekannter Bruder-Moͤrder und dieſe ſeine Anna Maria herbey, machen ſich mit ihren falſchen Brieffen verdaͤch- tig, daß ſie beyde uͤber dem Naugartſchen Raub mit in peinliche Anfrage gezogen und torquiret werden, das Weib mit Daum-Schrauben und Schnuͤren, der Mann aber mag einen hoͤhern Grad der Tortur erlitten haben, alſo daß er ihme auf der Folter-Bancke in Hertzens-Haͤrtigkeit, ohne Er- kannt- und Bekanntniß, ohne Reue und Leid unter der Hand des Nachrich- ters ſeinen boßhafftigen Geiſt auspreſſen laſſen. §. 42.Wo dieß ſein hinterlaſſenes Weib mit ihren Kindern die Weile geſtecket, und mit welchen Greueln ſie ihre Zeit zugebracht, iſt uns nicht wiſſend worden. Nach vielen Jahren aber geraͤth ſie an dieſem Hoff- mann, thut keine andere Dinge, weder ſie zuvor gelernet und meiſterlich practiſiret hatte, mochte es auch wol hoͤher ſchon getrieben haben, nachdem ſie zu Stargard die Probe ihrer Beſtaͤndigkeit auf der Folter gemachet: Zum wenigſten wuͤrde ſie vom Mitgange zur Muͤhlen-Pluͤnderung ſich nicht ausgeſaget, noch davon entfernet haben, wenn ſie nicht hoch ſchwanger ge- weſen waͤre, und da ſie annoch in ſolchem Zuſtande vors Verhoͤr muſte, iſt es die Urſache, daß die Tortur fuͤr ſie uͤbergieng, ſonſt es ſie ſo leicht als die Schiefferdeckerin haͤtte treffen koͤnnen, indem ſie keine Nachricht von dieſer geſchehenen Pluͤnderung wiſſen wollen, da ſie doch bey der Verabredung unter den Zigeunern geweſen, die uͤbrige drey geſehen dahin lauffen, und der einen ihr Kind wehrender Zeit verwahren wollen, wie Anfangs, da unter ihnen

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 34[32]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/32>, abgerufen am 23.04.2024.