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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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bald mit diesem, bald mit einem andern es gehalten, biß sie endlich das un-
mündige Blut den Fixel an sich gezogen und in seinem Verderben reiff ma-
chen helffen, wie einer aus ihrer Bande (der Schieffer-Decker) denselben
selber beklaget, daß er an euch als an einem grundbösen Weibs-Stücke ge-
rathen sey, die schon so viel Mutter-Kinder verführet hätte. Was Bande?
Was Bande? sprach sie, meine Sünde, die ich mein Lebe-Tage begangen,
will ich schon bey GOtt verantworten. Und was gehe ich ihnen an, da ha-
ben sie ihre Lutherische arme Sünder, suchen sie dieselbe nur zurechte zu
bringen.

§. 97.

Der Jammer überlieff uns, daß wir diesem bösen Geiste
nicht länger stehen mochten. Doch ehe wir noch von dannen giengen, war
ihro Excellentz von Katsch aufs Hoff-Gerichte kommen, der nebst andern
Delinquenten auch diesen Scheussal vorsodern und hinauf führen ließ. Ob
der Heilige GOtt noch dieselbe an diesem Abend nebst ihren andern Con-
sort
en erweichen wolte, liessen wir ihm heimgestellet seyn, die wir weiter
nichts ausrichten konnten, sondern von ihnen an Leib und Seele abgemattet
uns nach Hause verfügeten.

§. 98.

Wir giengen aber sonderlich dem Gerichte aus dem Wege,
weil wir besorgeten, sie würden der Kranichfeldtin, so nichts gestanden vom
corpore delicti, und der Fixelin, die ihr Geständniß unverschämt revocirte,
die Tortur appliciren. Befehl dazu hatte man von Jhro Majestät in Hän-
den; allein des andern Tages erfuhren wir, wie man mit solchen frechen
und unverschämten Leuten sich weitere Mühe zu machen, Bedencken getra-
gen, und solche freche Seelen, die ihrer Büberey gnugsam überzeuget wa-
ren, nicht würdig achtete, ihnen mehr Ehre anzuthun, sie zu befragen und
die Warheit zu forschen, indem sie je länger je verstockter wurden.

§. 99.

Der Kranichfeld lag uns immer im Hertzen, und da wir
biß anhero auf Erkänntniß seiner Sünden, und Reue darüber anzurichten
mehr denn Pferde-Arbeit gehabt, aber wenig gefruchtet hatten, fasten wir
den Rath, die in Gerichten ihme zuerkandte Sünde des falschen Brand-
Bettelns, des Bruder-Mordes, so viele er daran sich mit schuldig finden
möchte, der Schande mit seines ermordeten Bruders-Weibe, der Mühlen-
Plünderung, der Lügen, des Fluchens und Lästerung des Nahmens GOt-
tes ihn inständig zu erinnern, und darüber zur Reue zu bringen, und die übrige
Zeit zum Gebeth mit ihme anzuwenden, machten auch also Sonnabends
Nachmittage den Anfang, verhüteten solchergestalt, daß er nicht so viele

Wi-

bald mit dieſem, bald mit einem andern es gehalten, biß ſie endlich das un-
muͤndige Blut den Fixel an ſich gezogen und in ſeinem Verderben reiff ma-
chen helffen, wie einer aus ihrer Bande (der Schieffer-Decker) denſelben
ſelber beklaget, daß er an euch als an einem grundboͤſen Weibs-Stuͤcke ge-
rathen ſey, die ſchon ſo viel Mutter-Kinder verfuͤhret haͤtte. Was Bande?
Was Bande? ſprach ſie, meine Suͤnde, die ich mein Lebe-Tage begangen,
will ich ſchon bey GOtt verantworten. Und was gehe ich ihnen an, da ha-
ben ſie ihre Lutheriſche arme Suͤnder, ſuchen ſie dieſelbe nur zurechte zu
bringen.

§. 97.

Der Jammer uͤberlieff uns, daß wir dieſem boͤſen Geiſte
nicht laͤnger ſtehen mochten. Doch ehe wir noch von dannen giengen, war
ihro Excellentz von Katſch aufs Hoff-Gerichte kommen, der nebſt andern
Delinquenten auch dieſen Scheuſſal vorſodern und hinauf fuͤhren ließ. Ob
der Heilige GOtt noch dieſelbe an dieſem Abend nebſt ihren andern Con-
ſort
en erweichen wolte, lieſſen wir ihm heimgeſtellet ſeyn, die wir weiter
nichts ausrichten konnten, ſondern von ihnen an Leib und Seele abgemattet
uns nach Hauſe verfuͤgeten.

§. 98.

Wir giengen aber ſonderlich dem Gerichte aus dem Wege,
weil wir beſorgeten, ſie wuͤrden der Kranichfeldtin, ſo nichts geſtanden vom
corpore delicti, und der Fixelin, die ihr Geſtaͤndniß unverſchaͤmt revocirte,
die Tortur appliciren. Befehl dazu hatte man von Jhro Majeſtaͤt in Haͤn-
den; allein des andern Tages erfuhren wir, wie man mit ſolchen frechen
und unverſchaͤmten Leuten ſich weitere Muͤhe zu machen, Bedencken getra-
gen, und ſolche freche Seelen, die ihrer Buͤberey gnugſam uͤberzeuget wa-
ren, nicht wuͤrdig achtete, ihnen mehr Ehre anzuthun, ſie zu befragen und
die Warheit zu forſchen, indem ſie je laͤnger je verſtockter wurden.

§. 99.

Der Kranichfeld lag uns immer im Hertzen, und da wir
biß anhero auf Erkaͤnntniß ſeiner Suͤnden, und Reue daruͤber anzurichten
mehr denn Pferde-Arbeit gehabt, aber wenig gefruchtet hatten, faſten wir
den Rath, die in Gerichten ihme zuerkandte Suͤnde des falſchen Brand-
Bettelns, des Bruder-Mordes, ſo viele er daran ſich mit ſchuldig finden
moͤchte, der Schande mit ſeines ermordeten Bruders-Weibe, der Muͤhlen-
Pluͤnderung, der Luͤgen, des Fluchens und Laͤſterung des Nahmens GOt-
tes ihn inſtaͤndig zu erinnern, und daruͤber zur Reue zu bringen, und die uͤbrige
Zeit zum Gebeth mit ihme anzuwenden, machten auch alſo Sonnabends
Nachmittage den Anfang, verhuͤteten ſolchergeſtalt, daß er nicht ſo viele

Wi-
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[82[80]/0088] bald mit dieſem, bald mit einem andern es gehalten, biß ſie endlich das un- muͤndige Blut den Fixel an ſich gezogen und in ſeinem Verderben reiff ma- chen helffen, wie einer aus ihrer Bande (der Schieffer-Decker) denſelben ſelber beklaget, daß er an euch als an einem grundboͤſen Weibs-Stuͤcke ge- rathen ſey, die ſchon ſo viel Mutter-Kinder verfuͤhret haͤtte. Was Bande? Was Bande? ſprach ſie, meine Suͤnde, die ich mein Lebe-Tage begangen, will ich ſchon bey GOtt verantworten. Und was gehe ich ihnen an, da ha- ben ſie ihre Lutheriſche arme Suͤnder, ſuchen ſie dieſelbe nur zurechte zu bringen. §. 97. Der Jammer uͤberlieff uns, daß wir dieſem boͤſen Geiſte nicht laͤnger ſtehen mochten. Doch ehe wir noch von dannen giengen, war ihro Excellentz von Katſch aufs Hoff-Gerichte kommen, der nebſt andern Delinquenten auch dieſen Scheuſſal vorſodern und hinauf fuͤhren ließ. Ob der Heilige GOtt noch dieſelbe an dieſem Abend nebſt ihren andern Con- ſorten erweichen wolte, lieſſen wir ihm heimgeſtellet ſeyn, die wir weiter nichts ausrichten konnten, ſondern von ihnen an Leib und Seele abgemattet uns nach Hauſe verfuͤgeten. §. 98. Wir giengen aber ſonderlich dem Gerichte aus dem Wege, weil wir beſorgeten, ſie wuͤrden der Kranichfeldtin, ſo nichts geſtanden vom corpore delicti, und der Fixelin, die ihr Geſtaͤndniß unverſchaͤmt revocirte, die Tortur appliciren. Befehl dazu hatte man von Jhro Majeſtaͤt in Haͤn- den; allein des andern Tages erfuhren wir, wie man mit ſolchen frechen und unverſchaͤmten Leuten ſich weitere Muͤhe zu machen, Bedencken getra- gen, und ſolche freche Seelen, die ihrer Buͤberey gnugſam uͤberzeuget wa- ren, nicht wuͤrdig achtete, ihnen mehr Ehre anzuthun, ſie zu befragen und die Warheit zu forſchen, indem ſie je laͤnger je verſtockter wurden. §. 99. Der Kranichfeld lag uns immer im Hertzen, und da wir biß anhero auf Erkaͤnntniß ſeiner Suͤnden, und Reue daruͤber anzurichten mehr denn Pferde-Arbeit gehabt, aber wenig gefruchtet hatten, faſten wir den Rath, die in Gerichten ihme zuerkandte Suͤnde des falſchen Brand- Bettelns, des Bruder-Mordes, ſo viele er daran ſich mit ſchuldig finden moͤchte, der Schande mit ſeines ermordeten Bruders-Weibe, der Muͤhlen- Pluͤnderung, der Luͤgen, des Fluchens und Laͤſterung des Nahmens GOt- tes ihn inſtaͤndig zu erinnern, und daruͤber zur Reue zu bringen, und die uͤbrige Zeit zum Gebeth mit ihme anzuwenden, machten auch alſo Sonnabends Nachmittage den Anfang, verhuͤteten ſolchergeſtalt, daß er nicht ſo viele Wi-

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 82[80]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/88>, abgerufen am 28.03.2024.