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Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725.

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§. 106.

Weil der eine Pater im Gerichte ausgesaget, die Fixelin
hätte ihme bekandt, ich hätte sie von Catholischer Religion herabbringen
wollen, mit den von ihr erlogenen Worten: Wenn sie Catholisch stürbe,
führe sie zum Teuffel; Ließ ich sie hierüber Gerichtlich vernehmen und ihre
Aussage protocolliren, die also hieß: Jch hätte sie gefraget, warum sie von
der Lutherischen Religion abgefallen, da sie doch, wie Fixel gesprochen, zwey-
mal bey Lutheranern communiciret, und in Halle unter Waisen Kindern
von dem Becken-Amte genandt, wäre erzogen worden? so hätte ich, nach
ihrem bezeugten und unbußfertigen Hertzen zu ihr gesaget, sonderlich da sie,
die Gerichte sowol, als Fixeln, so hart verfluchet, daß dieser so beständig wider
sie deponirte, jene aber solchem unmündigen Tropffe mehr als ihr glaubeten:
Mensch, wo ihr euch nicht bekehret (ohn Zusatz von Catholischer Religion)
so fahret ihr zum Teuffel: So repetirte ich ihr meinen gesprochenen Satz
nochmals im Judicio, und der Herr Geh. Rath Mylius sowol, als der Herr
Geh. Rath Berger thaten desgleichen, setzten hinzu: Jhr Pater wäre auch
heute droben gewesen, und nichts anders als dieses Urthel von ihrer beharr-
lichen Unbußfertigkeit gesprochen.

§. 107.

Dem Kranichfeld benahmen wir den häuffigen Zulauff
in seinem neuen Gefängniß ferner damit, daß Herr Kriegs-Rath Annisius
selbst die Schlüssel dem Schliesser abnahm, und sie dem Unter-Officier von
der Wachte gab der sie ihm alle 2. Stunden abfodern ließ, wenn neue Schild-
wacht hinein gelassen wurde, oder wenn wir Prediger kamen, damit
Schiefser-Decker zum Toback, Brandtwein und Bier nicht übriges Geld
bekäme. Und solches that ihme anfänglich wehe, daher er sich auf die Erde
hinstreckete und den gantzen Tag zu liegen blieb. Wir funden ihn auch
überaus morös, daß er nach dem Grunde seines Hertzens befraget zu wer-
den, nicht leiden wolte. Jedoch wars uns lieber, ihn in der Stille zu
lassen, ob er mit seinen Gedancken vielleicht näher zur Erkänntniß sein selbst
kommen möchte.

§. 108.

Am Abend wollen die Gerichte mit der Tortur ihr der Fixelin
einen Ernst machen, nehmen sie in der Audientz nochmals besonders vor, sie aber
wills dazu nicht kommen lassen, sondern bekennet ihre böse That nach allen
bereits ausgesagten Umständen, und leget sich auss Bitten, sie nur eine gnädige
Todes-Straffe leiden zu lassen. Hie ward abermals uns allen eine neue
Hoffnung gebohren, als würde es aufrichtiger mit ihr zur Bekehrung gehen,
und einmal Beständigkeit bleiben.

§. 109.
L 3
§. 106.

Weil der eine Pater im Gerichte ausgeſaget, die Fixelin
haͤtte ihme bekandt, ich haͤtte ſie von Catholiſcher Religion herabbringen
wollen, mit den von ihr erlogenen Worten: Wenn ſie Catholiſch ſtuͤrbe,
fuͤhre ſie zum Teuffel; Ließ ich ſie hieruͤber Gerichtlich vernehmen und ihre
Ausſage protocolliren, die alſo hieß: Jch haͤtte ſie gefraget, warum ſie von
der Lutheriſchen Religion abgefallen, da ſie doch, wie Fixel geſprochen, zwey-
mal bey Lutheranern communiciret, und in Halle unter Waiſen Kindern
von dem Becken-Amte genandt, waͤre erzogen worden? ſo haͤtte ich, nach
ihrem bezeugten und unbußfertigen Hertzen zu ihr geſaget, ſonderlich da ſie,
die Gerichte ſowol, als Fixeln, ſo hart verfluchet, daß dieſer ſo beſtaͤndig wider
ſie deponirte, jene aber ſolchem unmuͤndigen Tropffe mehr als ihr glaubeten:
Menſch, wo ihr euch nicht bekehret (ohn Zuſatz von Catholiſcher Religion)
ſo fahret ihr zum Teuffel: So repetirte ich ihr meinen geſprochenen Satz
nochmals im Judicio, und der Herr Geh. Rath Mylius ſowol, als der Herr
Geh. Rath Berger thaten desgleichen, ſetzten hinzu: Jhr Pater waͤre auch
heute droben geweſen, und nichts anders als dieſes Urthel von ihrer beharr-
lichen Unbußfertigkeit geſprochen.

§. 107.

Dem Kranichfeld benahmen wir den haͤuffigen Zulauff
in ſeinem neuen Gefaͤngniß ferner damit, daß Herr Kriegs-Rath Anniſius
ſelbſt die Schluͤſſel dem Schlieſſer abnahm, und ſie dem Unter-Officier von
der Wachte gab der ſie ihm alle 2. Stunden abfodern ließ, wenn neue Schild-
wacht hinein gelaſſen wurde, oder wenn wir Prediger kamen, damit
Schiefſer-Decker zum Toback, Brandtwein und Bier nicht uͤbriges Geld
bekaͤme. Und ſolches that ihme anfaͤnglich wehe, daher er ſich auf die Erde
hinſtreckete und den gantzen Tag zu liegen blieb. Wir funden ihn auch
uͤberaus morös, daß er nach dem Grunde ſeines Hertzens befraget zu wer-
den, nicht leiden wolte. Jedoch wars uns lieber, ihn in der Stille zu
laſſen, ob er mit ſeinen Gedancken vielleicht naͤher zur Erkaͤnntniß ſein ſelbſt
kommen moͤchte.

§. 108.

Am Abend wollen die Gerichte mit der Tortur ihr der Fixelin
einen Ernſt machen, nehmen ſie in der Audientz nochmals beſonders vor, ſie aber
wills dazu nicht kommen laſſen, ſondern bekennet ihre boͤſe That nach allen
bereits ausgeſagten Umſtaͤnden, und leget ſich auſs Bitten, ſie nur eine gnaͤdige
Todes-Straffe leiden zu laſſen. Hie ward abermals uns allen eine neue
Hoffnung gebohren, als wuͤrde es aufrichtiger mit ihr zur Bekehrung gehen,
und einmal Beſtaͤndigkeit bleiben.

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[85[83]/0091] §. 106. Weil der eine Pater im Gerichte ausgeſaget, die Fixelin haͤtte ihme bekandt, ich haͤtte ſie von Catholiſcher Religion herabbringen wollen, mit den von ihr erlogenen Worten: Wenn ſie Catholiſch ſtuͤrbe, fuͤhre ſie zum Teuffel; Ließ ich ſie hieruͤber Gerichtlich vernehmen und ihre Ausſage protocolliren, die alſo hieß: Jch haͤtte ſie gefraget, warum ſie von der Lutheriſchen Religion abgefallen, da ſie doch, wie Fixel geſprochen, zwey- mal bey Lutheranern communiciret, und in Halle unter Waiſen Kindern von dem Becken-Amte genandt, waͤre erzogen worden? ſo haͤtte ich, nach ihrem bezeugten und unbußfertigen Hertzen zu ihr geſaget, ſonderlich da ſie, die Gerichte ſowol, als Fixeln, ſo hart verfluchet, daß dieſer ſo beſtaͤndig wider ſie deponirte, jene aber ſolchem unmuͤndigen Tropffe mehr als ihr glaubeten: Menſch, wo ihr euch nicht bekehret (ohn Zuſatz von Catholiſcher Religion) ſo fahret ihr zum Teuffel: So repetirte ich ihr meinen geſprochenen Satz nochmals im Judicio, und der Herr Geh. Rath Mylius ſowol, als der Herr Geh. Rath Berger thaten desgleichen, ſetzten hinzu: Jhr Pater waͤre auch heute droben geweſen, und nichts anders als dieſes Urthel von ihrer beharr- lichen Unbußfertigkeit geſprochen. §. 107. Dem Kranichfeld benahmen wir den haͤuffigen Zulauff in ſeinem neuen Gefaͤngniß ferner damit, daß Herr Kriegs-Rath Anniſius ſelbſt die Schluͤſſel dem Schlieſſer abnahm, und ſie dem Unter-Officier von der Wachte gab der ſie ihm alle 2. Stunden abfodern ließ, wenn neue Schild- wacht hinein gelaſſen wurde, oder wenn wir Prediger kamen, damit Schiefſer-Decker zum Toback, Brandtwein und Bier nicht uͤbriges Geld bekaͤme. Und ſolches that ihme anfaͤnglich wehe, daher er ſich auf die Erde hinſtreckete und den gantzen Tag zu liegen blieb. Wir funden ihn auch uͤberaus morös, daß er nach dem Grunde ſeines Hertzens befraget zu wer- den, nicht leiden wolte. Jedoch wars uns lieber, ihn in der Stille zu laſſen, ob er mit ſeinen Gedancken vielleicht naͤher zur Erkaͤnntniß ſein ſelbſt kommen moͤchte. §. 108. Am Abend wollen die Gerichte mit der Tortur ihr der Fixelin einen Ernſt machen, nehmen ſie in der Audientz nochmals beſonders vor, ſie aber wills dazu nicht kommen laſſen, ſondern bekennet ihre boͤſe That nach allen bereits ausgeſagten Umſtaͤnden, und leget ſich auſs Bitten, ſie nur eine gnaͤdige Todes-Straffe leiden zu laſſen. Hie ward abermals uns allen eine neue Hoffnung gebohren, als wuͤrde es aufrichtiger mit ihr zur Bekehrung gehen, und einmal Beſtaͤndigkeit bleiben. §. 109. L 3

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Zitationshilfe: Schmidt, Andreas: Das Uber vier Malefitz-Personen ergangene Justitz-Rad. Berlin, 1725, S. 85[83]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmid_justitzrad_1725/91>, abgerufen am 28.03.2024.