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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Das 58. Capitel.

Wer zu Gevattern stehen soll/ und
hat sich schon angezogen/ zur Kirchen zu ge-
hen/ der soll nicht erst s.v. das Wasser ab-
schlagen/ sonst thut das Pathgen der-
gleichen ins Bett.

WEnn ich aber das Gegentheil statuirte/
und spräche: Wenn die Pathen nicht erst
ihr Wasser abschlagen/ ehe sie in die Kirche
zur heiligen Tauffe gehen/ so thut das Kind der-
gleichen ins Bette; wie woltet ihr Abergläubi-
schen mir wohl mit Grund wiedersprechen/ und
eure Meynung dargegen richtig behaupten und
erweisen? Es dürffte versichert so schwer zu-
gehen/ daß ihr mir eher würdet gewonnen geben.
Es sind alle Kinder in der gantzen Welt/ ehe sie
ein Jahr erlebet/ auch offte wohl länger/ mit der-
gleichen Fehler und Schwachheit behafftet; Was
sie nun über Jahr und Tag gewohnet sind/ das
continuiren sie gemeiniglich so lange/ biß sie ent-
weder durch Beschämen/ Schelten/ oder auch
Schläge/ davon entwähnet werden. Zum E-
xempel/ fast alle Kinder pflegen erst auff ein Jahr
an der Mutter Brust zu trincken/ und nach ei-
nem Jahre entwöhnet zu werden/ also/ daß nach
zweyen Jahren ein solch Kind nicht viel nähme/
und sich wieder an der Mutter Brust legte. A-

ber
G 2
Weibern hochgehaltenen Aberglauben.
Das 58. Capitel.

Wer zu Gevattern ſtehen ſoll/ und
hat ſich ſchon angezogen/ zur Kirchen zu ge-
hen/ der ſoll nicht erſt ſ.v. das Waſſer ab-
ſchlagen/ ſonſt thut das Pathgen der-
gleichen ins Bett.

WEnn ich aber das Gegentheil ſtatuirte/
und ſpraͤche: Wenn die Pathen nicht erſt
ihr Waſſer abſchlagen/ ehe ſie in die Kirche
zur heiligen Tauffe gehen/ ſo thut das Kind der-
gleichen ins Bette; wie woltet ihr Aberglaͤubi-
ſchen mir wohl mit Grund wiederſprechen/ und
eure Meynung dargegen richtig behaupten und
erweiſen? Es duͤrffte verſichert ſo ſchwer zu-
gehen/ daß ihr mir eher wuͤrdet gewonnen geben.
Es ſind alle Kinder in der gantzen Welt/ ehe ſie
ein Jahr erlebet/ auch offte wohl laͤnger/ mit der-
gleichen Fehler und Schwachheit behafftet; Was
ſie nun uͤber Jahr und Tag gewohnet ſind/ das
continuiren ſie gemeiniglich ſo lange/ biß ſie ent-
weder durch Beſchaͤmen/ Schelten/ oder auch
Schlaͤge/ davon entwaͤhnet werden. Zum E-
xempel/ faſt alle Kinder pflegen erſt auff ein Jahr
an der Mutter Bruſt zu trincken/ und nach ei-
nem Jahre entwoͤhnet zu werden/ alſo/ daß nach
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[99/0121] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Das 58. Capitel. Wer zu Gevattern ſtehen ſoll/ und hat ſich ſchon angezogen/ zur Kirchen zu ge- hen/ der ſoll nicht erſt ſ.v. das Waſſer ab- ſchlagen/ ſonſt thut das Pathgen der- gleichen ins Bett. WEnn ich aber das Gegentheil ſtatuirte/ und ſpraͤche: Wenn die Pathen nicht erſt ihr Waſſer abſchlagen/ ehe ſie in die Kirche zur heiligen Tauffe gehen/ ſo thut das Kind der- gleichen ins Bette; wie woltet ihr Aberglaͤubi- ſchen mir wohl mit Grund wiederſprechen/ und eure Meynung dargegen richtig behaupten und erweiſen? Es duͤrffte verſichert ſo ſchwer zu- gehen/ daß ihr mir eher wuͤrdet gewonnen geben. Es ſind alle Kinder in der gantzen Welt/ ehe ſie ein Jahr erlebet/ auch offte wohl laͤnger/ mit der- gleichen Fehler und Schwachheit behafftet; Was ſie nun uͤber Jahr und Tag gewohnet ſind/ das continuiren ſie gemeiniglich ſo lange/ biß ſie ent- weder durch Beſchaͤmen/ Schelten/ oder auch Schlaͤge/ davon entwaͤhnet werden. Zum E- xempel/ faſt alle Kinder pflegen erſt auff ein Jahr an der Mutter Bruſt zu trincken/ und nach ei- nem Jahre entwoͤhnet zu werden/ alſo/ daß nach zweyen Jahren ein ſolch Kind nicht viel naͤhme/ und ſich wieder an der Mutter Bruſt legte. A- ber G 2

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/121>, abgerufen am 28.03.2024.