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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Erstes Buch. Land, Leute und Technik.
Wegfallen dieser Stützen, dieses Erziehungsprozesses die Existenz dieser Züge des Cha-
rakters bedrohe. Wir werden annehmen, daß, um je feinere und individuellere Züge
es sich handele, desto weniger die Umbildung in erbliche Eigenschaften gelinge, desto
ausschließlicher die Wirkung des Milieu sei. Aber eine gewisse Grenze haben alle diese
Einflüsse doch. Ribot sagt: Die Erziehung gestaltet um, aber sie schafft nicht; sie wirkt
mehr auf die mittleren, als auf die hoch- und die niedrigstehenden Individuen; sie bleibt
mehr ein Kleid, ein Firnis gegenüber dem Ererbten.

Alle Erziehung, aller Einfluß der Umgebung ist eine neue, nur kurz dauernde
Wirkung; in den ererbten Rasseeigenschaften steckt eine angehäufte, befestigte Wirkung
von Jahrhunderten und Jahrtausenden. Und deshalb ist die Rassenmischung so tief-
greifend, auf die wir nun noch einen Blick werfen. --

Wir verstehen unter Rassenmischung den geschlechtlichen Verkehr, der zwischen
den Mitgliedern verschiedener Rassen und Völker stattfindet und die Erzeugung von
Mischlingen zur Folge hat. Sie findet statt, wo verschiedene Rassen und Völker infolge
von Eroberung und Unterwerfung, von Ein- und Auswanderung durcheinander wohnen,
wo durch Sklaveneinfuhr, durch Raub- und Kaufehe, wo an Grenz- und Handelsplätzen
eine gemischte Bevölkerung vorhanden ist. Sie entfernt sich, wo ganz nahe verwandte
Rassenelemente sich mischen, von der gewöhnlichen Blutsmischung größerer Völker nicht;
denn diese haben stets etwas verschiedene Elemente in sich, wie es z. B. Engländer und
Schotten sind. Wo es sich um die Mischung weit abstehender Rassen handelt wie
z. B. bei der von Kaukasiern mit Negern, Australiern und Indianern, muß sie ganz
andere Folgen haben.

Es ist damit schon ausgesprochen, welche verschiedenen thatsächlichen Verhältnisse
mit dem Worte Rassenkreuzung umfaßt werden. Und es ist damit auch begreiflich,
wenn verschiedene Gelehrte, welche das eine oder das andere Extrem dieser thatsächlichen
Mischungen im Auge haben, über die Folgen so ganz Verschiedenes aussagen. Stets aber
handelt es sich um die Thatsache, daß Menschen verschiedener Rasse oder Volkes, d. h.
also von erheblicher körperlicher und geistiger Verschiedenheit, aus verschiedenen Lebens-
bedingungen, aus verschiedenem Klima ursprünglich stammend, mit sehr verschieden ver-
erblichen Anlagen Kinder zeugen; und es ist klar, daß damit eine Möglichkeit so starker
und rascher Variation entsteht wie sonst niemals. Es werden Menschen geboren, die in
sich einen gemischten Typus darstellen und einen neuen schaffen, wenn die Mischung eine
umfangreiche und fortgesetzte ist. Zugleich ist aber naheliegend, daß Menschen entstehen,
die zunächst mehr oder weniger unausgeglichene körperliche und geistige Gegensätze in
sich vereinigen; und sie sollen nun in einer Gesellschaft leben und wirken, welche
außer ihnen die zwei oder mehr verschiedenen älteren Rassentypen in sich enthält, wo-
durch für alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen die größten Schwierig-
keiten sich ergeben; zu den heterogenen Rassetypen kommen verschiedene sittliche und
geistige Atmosphären. Stets handelt es sich um einen schwierigen, meist lange dauernden
physiologisch-körperlichen und gesellschaftlich-geistigen Verschmelzungsprozeß.

Für beide ist es klar, daß sie um so leichter gelingen, um so rascher zu einem
tüchtigen neuen, ausgeglichenen Rassentypus und Gesellschaftszustand führen können,
wenn der Abstand der gekreuzten Elemente ein geringer war. Die großen historischen
Beispiele günstiger Rassenkreuzung liegen hier: die Mischung der olivenbraunen, mon-
goloiden Malayen mit den negerartigen, schwarzen Papuas hat die kräftigen melane-
sischen Völker, die der Türken mit Tataren und Kaukasiern den kriegstüchtigen Osmanen-
stamm, die von Negern und Arabern im nördlichen Afrika Völker geschaffen, die weit
über den Negern stehen. Im Großrussen ist mongolisches, im Norddeutschen slavisches,
im Nordfranzosen deutsches Blut und nicht zu ihrem Schaden; im Engländer haben
keltische und nordgermanische Elemente eine Herrschernation von seltener Kraft und
Fähigkeit erzeugt. -- Immer darf auch für diese Mischungen nicht übersehen werden,
daß der ausgeglichene neue Völkertypus erst das Werk von vielen Generationen war,
daß lange große Schwierigkeiten, häßliche Zwittererscheinungen, schwere Kämpfe den
günstigen Folgen vorausgingen.

Erſtes Buch. Land, Leute und Technik.
Wegfallen dieſer Stützen, dieſes Erziehungsprozeſſes die Exiſtenz dieſer Züge des Cha-
rakters bedrohe. Wir werden annehmen, daß, um je feinere und individuellere Züge
es ſich handele, deſto weniger die Umbildung in erbliche Eigenſchaften gelinge, deſto
ausſchließlicher die Wirkung des Milieu ſei. Aber eine gewiſſe Grenze haben alle dieſe
Einflüſſe doch. Ribot ſagt: Die Erziehung geſtaltet um, aber ſie ſchafft nicht; ſie wirkt
mehr auf die mittleren, als auf die hoch- und die niedrigſtehenden Individuen; ſie bleibt
mehr ein Kleid, ein Firnis gegenüber dem Ererbten.

Alle Erziehung, aller Einfluß der Umgebung iſt eine neue, nur kurz dauernde
Wirkung; in den ererbten Raſſeeigenſchaften ſteckt eine angehäufte, befeſtigte Wirkung
von Jahrhunderten und Jahrtauſenden. Und deshalb iſt die Raſſenmiſchung ſo tief-
greifend, auf die wir nun noch einen Blick werfen. —

Wir verſtehen unter Raſſenmiſchung den geſchlechtlichen Verkehr, der zwiſchen
den Mitgliedern verſchiedener Raſſen und Völker ſtattfindet und die Erzeugung von
Miſchlingen zur Folge hat. Sie findet ſtatt, wo verſchiedene Raſſen und Völker infolge
von Eroberung und Unterwerfung, von Ein- und Auswanderung durcheinander wohnen,
wo durch Sklaveneinfuhr, durch Raub- und Kaufehe, wo an Grenz- und Handelsplätzen
eine gemiſchte Bevölkerung vorhanden iſt. Sie entfernt ſich, wo ganz nahe verwandte
Raſſenelemente ſich miſchen, von der gewöhnlichen Blutsmiſchung größerer Völker nicht;
denn dieſe haben ſtets etwas verſchiedene Elemente in ſich, wie es z. B. Engländer und
Schotten ſind. Wo es ſich um die Miſchung weit abſtehender Raſſen handelt wie
z. B. bei der von Kaukaſiern mit Negern, Auſtraliern und Indianern, muß ſie ganz
andere Folgen haben.

Es iſt damit ſchon ausgeſprochen, welche verſchiedenen thatſächlichen Verhältniſſe
mit dem Worte Raſſenkreuzung umfaßt werden. Und es iſt damit auch begreiflich,
wenn verſchiedene Gelehrte, welche das eine oder das andere Extrem dieſer thatſächlichen
Miſchungen im Auge haben, über die Folgen ſo ganz Verſchiedenes ausſagen. Stets aber
handelt es ſich um die Thatſache, daß Menſchen verſchiedener Raſſe oder Volkes, d. h.
alſo von erheblicher körperlicher und geiſtiger Verſchiedenheit, aus verſchiedenen Lebens-
bedingungen, aus verſchiedenem Klima urſprünglich ſtammend, mit ſehr verſchieden ver-
erblichen Anlagen Kinder zeugen; und es iſt klar, daß damit eine Möglichkeit ſo ſtarker
und raſcher Variation entſteht wie ſonſt niemals. Es werden Menſchen geboren, die in
ſich einen gemiſchten Typus darſtellen und einen neuen ſchaffen, wenn die Miſchung eine
umfangreiche und fortgeſetzte iſt. Zugleich iſt aber naheliegend, daß Menſchen entſtehen,
die zunächſt mehr oder weniger unausgeglichene körperliche und geiſtige Gegenſätze in
ſich vereinigen; und ſie ſollen nun in einer Geſellſchaft leben und wirken, welche
außer ihnen die zwei oder mehr verſchiedenen älteren Raſſentypen in ſich enthält, wo-
durch für alle geſellſchaftlichen und wirtſchaftlichen Einrichtungen die größten Schwierig-
keiten ſich ergeben; zu den heterogenen Raſſetypen kommen verſchiedene ſittliche und
geiſtige Atmoſphären. Stets handelt es ſich um einen ſchwierigen, meiſt lange dauernden
phyſiologiſch-körperlichen und geſellſchaftlich-geiſtigen Verſchmelzungsprozeß.

Für beide iſt es klar, daß ſie um ſo leichter gelingen, um ſo raſcher zu einem
tüchtigen neuen, ausgeglichenen Raſſentypus und Geſellſchaftszuſtand führen können,
wenn der Abſtand der gekreuzten Elemente ein geringer war. Die großen hiſtoriſchen
Beiſpiele günſtiger Raſſenkreuzung liegen hier: die Miſchung der olivenbraunen, mon-
goloiden Malayen mit den negerartigen, ſchwarzen Papuas hat die kräftigen melane-
ſiſchen Völker, die der Türken mit Tataren und Kaukaſiern den kriegstüchtigen Osmanen-
ſtamm, die von Negern und Arabern im nördlichen Afrika Völker geſchaffen, die weit
über den Negern ſtehen. Im Großruſſen iſt mongoliſches, im Norddeutſchen ſlaviſches,
im Nordfranzoſen deutſches Blut und nicht zu ihrem Schaden; im Engländer haben
keltiſche und nordgermaniſche Elemente eine Herrſchernation von ſeltener Kraft und
Fähigkeit erzeugt. — Immer darf auch für dieſe Miſchungen nicht überſehen werden,
daß der ausgeglichene neue Völkertypus erſt das Werk von vielen Generationen war,
daß lange große Schwierigkeiten, häßliche Zwittererſcheinungen, ſchwere Kämpfe den
günſtigen Folgen vorausgingen.

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[146/0162] Erſtes Buch. Land, Leute und Technik. Wegfallen dieſer Stützen, dieſes Erziehungsprozeſſes die Exiſtenz dieſer Züge des Cha- rakters bedrohe. Wir werden annehmen, daß, um je feinere und individuellere Züge es ſich handele, deſto weniger die Umbildung in erbliche Eigenſchaften gelinge, deſto ausſchließlicher die Wirkung des Milieu ſei. Aber eine gewiſſe Grenze haben alle dieſe Einflüſſe doch. Ribot ſagt: Die Erziehung geſtaltet um, aber ſie ſchafft nicht; ſie wirkt mehr auf die mittleren, als auf die hoch- und die niedrigſtehenden Individuen; ſie bleibt mehr ein Kleid, ein Firnis gegenüber dem Ererbten. Alle Erziehung, aller Einfluß der Umgebung iſt eine neue, nur kurz dauernde Wirkung; in den ererbten Raſſeeigenſchaften ſteckt eine angehäufte, befeſtigte Wirkung von Jahrhunderten und Jahrtauſenden. Und deshalb iſt die Raſſenmiſchung ſo tief- greifend, auf die wir nun noch einen Blick werfen. — Wir verſtehen unter Raſſenmiſchung den geſchlechtlichen Verkehr, der zwiſchen den Mitgliedern verſchiedener Raſſen und Völker ſtattfindet und die Erzeugung von Miſchlingen zur Folge hat. Sie findet ſtatt, wo verſchiedene Raſſen und Völker infolge von Eroberung und Unterwerfung, von Ein- und Auswanderung durcheinander wohnen, wo durch Sklaveneinfuhr, durch Raub- und Kaufehe, wo an Grenz- und Handelsplätzen eine gemiſchte Bevölkerung vorhanden iſt. Sie entfernt ſich, wo ganz nahe verwandte Raſſenelemente ſich miſchen, von der gewöhnlichen Blutsmiſchung größerer Völker nicht; denn dieſe haben ſtets etwas verſchiedene Elemente in ſich, wie es z. B. Engländer und Schotten ſind. Wo es ſich um die Miſchung weit abſtehender Raſſen handelt wie z. B. bei der von Kaukaſiern mit Negern, Auſtraliern und Indianern, muß ſie ganz andere Folgen haben. Es iſt damit ſchon ausgeſprochen, welche verſchiedenen thatſächlichen Verhältniſſe mit dem Worte Raſſenkreuzung umfaßt werden. Und es iſt damit auch begreiflich, wenn verſchiedene Gelehrte, welche das eine oder das andere Extrem dieſer thatſächlichen Miſchungen im Auge haben, über die Folgen ſo ganz Verſchiedenes ausſagen. Stets aber handelt es ſich um die Thatſache, daß Menſchen verſchiedener Raſſe oder Volkes, d. h. alſo von erheblicher körperlicher und geiſtiger Verſchiedenheit, aus verſchiedenen Lebens- bedingungen, aus verſchiedenem Klima urſprünglich ſtammend, mit ſehr verſchieden ver- erblichen Anlagen Kinder zeugen; und es iſt klar, daß damit eine Möglichkeit ſo ſtarker und raſcher Variation entſteht wie ſonſt niemals. Es werden Menſchen geboren, die in ſich einen gemiſchten Typus darſtellen und einen neuen ſchaffen, wenn die Miſchung eine umfangreiche und fortgeſetzte iſt. Zugleich iſt aber naheliegend, daß Menſchen entſtehen, die zunächſt mehr oder weniger unausgeglichene körperliche und geiſtige Gegenſätze in ſich vereinigen; und ſie ſollen nun in einer Geſellſchaft leben und wirken, welche außer ihnen die zwei oder mehr verſchiedenen älteren Raſſentypen in ſich enthält, wo- durch für alle geſellſchaftlichen und wirtſchaftlichen Einrichtungen die größten Schwierig- keiten ſich ergeben; zu den heterogenen Raſſetypen kommen verſchiedene ſittliche und geiſtige Atmoſphären. Stets handelt es ſich um einen ſchwierigen, meiſt lange dauernden phyſiologiſch-körperlichen und geſellſchaftlich-geiſtigen Verſchmelzungsprozeß. Für beide iſt es klar, daß ſie um ſo leichter gelingen, um ſo raſcher zu einem tüchtigen neuen, ausgeglichenen Raſſentypus und Geſellſchaftszuſtand führen können, wenn der Abſtand der gekreuzten Elemente ein geringer war. Die großen hiſtoriſchen Beiſpiele günſtiger Raſſenkreuzung liegen hier: die Miſchung der olivenbraunen, mon- goloiden Malayen mit den negerartigen, ſchwarzen Papuas hat die kräftigen melane- ſiſchen Völker, die der Türken mit Tataren und Kaukaſiern den kriegstüchtigen Osmanen- ſtamm, die von Negern und Arabern im nördlichen Afrika Völker geſchaffen, die weit über den Negern ſtehen. Im Großruſſen iſt mongoliſches, im Norddeutſchen ſlaviſches, im Nordfranzoſen deutſches Blut und nicht zu ihrem Schaden; im Engländer haben keltiſche und nordgermaniſche Elemente eine Herrſchernation von ſeltener Kraft und Fähigkeit erzeugt. — Immer darf auch für dieſe Miſchungen nicht überſehen werden, daß der ausgeglichene neue Völkertypus erſt das Werk von vielen Generationen war, daß lange große Schwierigkeiten, häßliche Zwittererſcheinungen, ſchwere Kämpfe den günſtigen Folgen vorausgingen.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/162>, abgerufen am 19.04.2024.