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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Die Technik des 16.--17. Jahrhunderts. Das Maschinenzeitalter.
Mehrzahl der Gewerbe, der Austausch von Stadt und Land bewegten sich noch in den
alten Geleisen. Aber die Eisenproduktion, die kriegerische Technik, der Handel, die
zunehmende Geld- und Finanzwirtschaft und die administrative Technik hatten schon
erheblich sich geändert; sie hatten zusammen mit einer Reihe anderer Ursachen aus den
stadtwirtschaftlichen die territorial- und volkswirtschaftlichen Körper und Staaten machen
helfen, die stehenden Heere und das Beamtentum ermöglicht. Die Entdeckung der neuen
Welt und die neuen Seewege hatten die Gewürze und Perlen des Orients leichter und
billiger zu uns gebracht, hatten uns mit Thee, Kaffee, Tabak, Mais, Opium, mit einer
Reihe neuer Pflanzen und auch einigen neuen Tieren bekannt gemacht. Die Wirkung
hievon beginnt langsam von 1600, stärker von 1700 an. Es war so der Menschheit ein
unermeßlicher Horizont nach außen eröffnet, wie ihn die Reformation und das Wieder-
erwachen der Geistes- und Naturwissenschaft nach innen hin schufen.

Und doch wird man sagen müssen: die Mittelstaaten des 14.--17., die größeren
Nationalstaaten des 16.--18. Jahrhunderts seien nur in beschränktem Sinne ein Er-
gebnis der neuen Technik, so wenig wie das römische Reich auf technische Ursachen
zurückzuführen sei. In einem großen Teile Europas erhalten sich trotz der damaligen
technischen Fortschritte die kleinen stadt- und territorialwirtschaftlichen Körper: Holland,
Deutschland, die Schweiz, Italien sind ein Beweis dafür. Und zu wirklich großen
Einheitsstaaten mit ganz freiem inneren Markt haben auch England und Frankreich,
vollends Deutschland, Österreich, Rußland, die Vereinigten Staaten sich erst im 19. Jahr-
hundert, jetzt allerdings wesentlich durch den Einfluß der neuen Technik, hauptsächlich
des neuen Verkehrs entwickelt.

84. Das moderne westeuropäisch-amerikanische Maschinenzeit-
alter: Beschreibung
. Die seit den Tagen der Renaissance begonnene Umbildung
der Technik erhielt durch die Fortschritte der Naturerkenntnis ihren wichtigsten Impuls:
Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Euler, Laplace, Lavoisier, James Watt, Galvani
und Volta, Liebig und Wöhler, Faraday und Maxwell, Gauß und Weber, Stephenson
und Bessemer, Helmholtz und Siemens vollendeten ein System des realistischen
Wissens, wie es die Menschheit bisher nicht gekannt, sie schufen damit auch praktisch
eine ganz neue Epoche des technisch-wirtschaftlichen Lebens. Das Zeitalter der persön-
lichen technischen Routine und Meisterschaft ging in das der rationellen Bemeisterung
der technischen Aufgaben durch vollendete Erkenntnis ihrer Ursachen über. Und an die
großen führenden Geister, die hauptsächlich 1770--1870 wirkten, schloß sich von 1830--40
an eine ganz andere Art der Verbreitung der technischen Kenntnisse durch die Universi-
täten, polytechnischen und Gewerbeschulen. Noch im 18. Jahrhundert spielen Barbiere
und Pfarrer, Tausendkünstler und gewöhnliche begabte Arbeiter eine große Rolle auf
dem Gebiete der technischen Neuerungen; heute sind es nur die wissenschaftlich speciell
geschulten Kräfte, die freilich auch bis in die Werkmeister- und Arbeiterwelt hineinreichen.

Suchen wir zunächst mit wenigen Worten eine Anschauung der technischen Revo-
lution hervorzurufen, welche mit der Spinn- und Dampfmaschine und den Coakshochöfen
1768--1800 einsetzt, durch die Kriegszeit und ihre Folgen bis 1830 gehemmt wird, nun
mit dem Beginne des Eisenbahnbaues 1840--60 energischer einsetzt, aber doch erst mit
den wirtschaftlichen Aufschwungsperioden 1850--73 und 1880--1900 voll durchbricht.
Die ganz andere Anwendung der bewegenden Naturkräfte, die Ausbildung der Textil-,
Eisen- und Maschinenindustrie sind die Hauptpunkte, bei denen wir etwas verweilen.

Neben der intelligentesten aber schwächsten wirtschaftlichen Kraft, der des Menschen,
hat man seit Jahrtausenden die tierische, seit vielen Jahrhunderten die des Windes
und des Wassers, aber bis in unser Jahrhundert in technisch sehr unvollkommener
Weise, benutzt. Auch das Feuer hat erst in unseren Tagen als Kraftquelle seine volle
Bedeutung erhalten; es hat uns den Dampf geliefert, der in der Dampfmaschine die
wichtigste neuere mechanische Kraft wurde. Ihr gesellte sich seit den letzten 20 Jahren
die Elektricität hinzu, welche vielleicht noch größere wirtschaftliche Veränderungen als
der Dampf erzeugen wird. Um die verschiedenen Kraftquellen vergleichbar zu machen,
hat man sich gewöhnt, sie auf sogenannte Pferdekräfte, d. h. Einheiten, zurückzuführen,

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Die Technik des 16.—17. Jahrhunderts. Das Maſchinenzeitalter.
Mehrzahl der Gewerbe, der Austauſch von Stadt und Land bewegten ſich noch in den
alten Geleiſen. Aber die Eiſenproduktion, die kriegeriſche Technik, der Handel, die
zunehmende Geld- und Finanzwirtſchaft und die adminiſtrative Technik hatten ſchon
erheblich ſich geändert; ſie hatten zuſammen mit einer Reihe anderer Urſachen aus den
ſtadtwirtſchaftlichen die territorial- und volkswirtſchaftlichen Körper und Staaten machen
helfen, die ſtehenden Heere und das Beamtentum ermöglicht. Die Entdeckung der neuen
Welt und die neuen Seewege hatten die Gewürze und Perlen des Orients leichter und
billiger zu uns gebracht, hatten uns mit Thee, Kaffee, Tabak, Mais, Opium, mit einer
Reihe neuer Pflanzen und auch einigen neuen Tieren bekannt gemacht. Die Wirkung
hievon beginnt langſam von 1600, ſtärker von 1700 an. Es war ſo der Menſchheit ein
unermeßlicher Horizont nach außen eröffnet, wie ihn die Reformation und das Wieder-
erwachen der Geiſtes- und Naturwiſſenſchaft nach innen hin ſchufen.

Und doch wird man ſagen müſſen: die Mittelſtaaten des 14.—17., die größeren
Nationalſtaaten des 16.—18. Jahrhunderts ſeien nur in beſchränktem Sinne ein Er-
gebnis der neuen Technik, ſo wenig wie das römiſche Reich auf techniſche Urſachen
zurückzuführen ſei. In einem großen Teile Europas erhalten ſich trotz der damaligen
techniſchen Fortſchritte die kleinen ſtadt- und territorialwirtſchaftlichen Körper: Holland,
Deutſchland, die Schweiz, Italien ſind ein Beweis dafür. Und zu wirklich großen
Einheitsſtaaten mit ganz freiem inneren Markt haben auch England und Frankreich,
vollends Deutſchland, Öſterreich, Rußland, die Vereinigten Staaten ſich erſt im 19. Jahr-
hundert, jetzt allerdings weſentlich durch den Einfluß der neuen Technik, hauptſächlich
des neuen Verkehrs entwickelt.

84. Das moderne weſteuropäiſch-amerikaniſche Maſchinenzeit-
alter: Beſchreibung
. Die ſeit den Tagen der Renaiſſance begonnene Umbildung
der Technik erhielt durch die Fortſchritte der Naturerkenntnis ihren wichtigſten Impuls:
Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Euler, Laplace, Lavoiſier, James Watt, Galvani
und Volta, Liebig und Wöhler, Faraday und Maxwell, Gauß und Weber, Stephenſon
und Beſſemer, Helmholtz und Siemens vollendeten ein Syſtem des realiſtiſchen
Wiſſens, wie es die Menſchheit bisher nicht gekannt, ſie ſchufen damit auch praktiſch
eine ganz neue Epoche des techniſch-wirtſchaftlichen Lebens. Das Zeitalter der perſön-
lichen techniſchen Routine und Meiſterſchaft ging in das der rationellen Bemeiſterung
der techniſchen Aufgaben durch vollendete Erkenntnis ihrer Urſachen über. Und an die
großen führenden Geiſter, die hauptſächlich 1770—1870 wirkten, ſchloß ſich von 1830—40
an eine ganz andere Art der Verbreitung der techniſchen Kenntniſſe durch die Univerſi-
täten, polytechniſchen und Gewerbeſchulen. Noch im 18. Jahrhundert ſpielen Barbiere
und Pfarrer, Tauſendkünſtler und gewöhnliche begabte Arbeiter eine große Rolle auf
dem Gebiete der techniſchen Neuerungen; heute ſind es nur die wiſſenſchaftlich ſpeciell
geſchulten Kräfte, die freilich auch bis in die Werkmeiſter- und Arbeiterwelt hineinreichen.

Suchen wir zunächſt mit wenigen Worten eine Anſchauung der techniſchen Revo-
lution hervorzurufen, welche mit der Spinn- und Dampfmaſchine und den Coakshochöfen
1768—1800 einſetzt, durch die Kriegszeit und ihre Folgen bis 1830 gehemmt wird, nun
mit dem Beginne des Eiſenbahnbaues 1840—60 energiſcher einſetzt, aber doch erſt mit
den wirtſchaftlichen Aufſchwungsperioden 1850—73 und 1880—1900 voll durchbricht.
Die ganz andere Anwendung der bewegenden Naturkräfte, die Ausbildung der Textil-,
Eiſen- und Maſchineninduſtrie ſind die Hauptpunkte, bei denen wir etwas verweilen.

Neben der intelligenteſten aber ſchwächſten wirtſchaftlichen Kraft, der des Menſchen,
hat man ſeit Jahrtauſenden die tieriſche, ſeit vielen Jahrhunderten die des Windes
und des Waſſers, aber bis in unſer Jahrhundert in techniſch ſehr unvollkommener
Weiſe, benutzt. Auch das Feuer hat erſt in unſeren Tagen als Kraftquelle ſeine volle
Bedeutung erhalten; es hat uns den Dampf geliefert, der in der Dampfmaſchine die
wichtigſte neuere mechaniſche Kraft wurde. Ihr geſellte ſich ſeit den letzten 20 Jahren
die Elektricität hinzu, welche vielleicht noch größere wirtſchaftliche Veränderungen als
der Dampf erzeugen wird. Um die verſchiedenen Kraftquellen vergleichbar zu machen,
hat man ſich gewöhnt, ſie auf ſogenannte Pferdekräfte, d. h. Einheiten, zurückzuführen,

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[211/0227] Die Technik des 16.—17. Jahrhunderts. Das Maſchinenzeitalter. Mehrzahl der Gewerbe, der Austauſch von Stadt und Land bewegten ſich noch in den alten Geleiſen. Aber die Eiſenproduktion, die kriegeriſche Technik, der Handel, die zunehmende Geld- und Finanzwirtſchaft und die adminiſtrative Technik hatten ſchon erheblich ſich geändert; ſie hatten zuſammen mit einer Reihe anderer Urſachen aus den ſtadtwirtſchaftlichen die territorial- und volkswirtſchaftlichen Körper und Staaten machen helfen, die ſtehenden Heere und das Beamtentum ermöglicht. Die Entdeckung der neuen Welt und die neuen Seewege hatten die Gewürze und Perlen des Orients leichter und billiger zu uns gebracht, hatten uns mit Thee, Kaffee, Tabak, Mais, Opium, mit einer Reihe neuer Pflanzen und auch einigen neuen Tieren bekannt gemacht. Die Wirkung hievon beginnt langſam von 1600, ſtärker von 1700 an. Es war ſo der Menſchheit ein unermeßlicher Horizont nach außen eröffnet, wie ihn die Reformation und das Wieder- erwachen der Geiſtes- und Naturwiſſenſchaft nach innen hin ſchufen. Und doch wird man ſagen müſſen: die Mittelſtaaten des 14.—17., die größeren Nationalſtaaten des 16.—18. Jahrhunderts ſeien nur in beſchränktem Sinne ein Er- gebnis der neuen Technik, ſo wenig wie das römiſche Reich auf techniſche Urſachen zurückzuführen ſei. In einem großen Teile Europas erhalten ſich trotz der damaligen techniſchen Fortſchritte die kleinen ſtadt- und territorialwirtſchaftlichen Körper: Holland, Deutſchland, die Schweiz, Italien ſind ein Beweis dafür. Und zu wirklich großen Einheitsſtaaten mit ganz freiem inneren Markt haben auch England und Frankreich, vollends Deutſchland, Öſterreich, Rußland, die Vereinigten Staaten ſich erſt im 19. Jahr- hundert, jetzt allerdings weſentlich durch den Einfluß der neuen Technik, hauptſächlich des neuen Verkehrs entwickelt. 84. Das moderne weſteuropäiſch-amerikaniſche Maſchinenzeit- alter: Beſchreibung. Die ſeit den Tagen der Renaiſſance begonnene Umbildung der Technik erhielt durch die Fortſchritte der Naturerkenntnis ihren wichtigſten Impuls: Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton, Euler, Laplace, Lavoiſier, James Watt, Galvani und Volta, Liebig und Wöhler, Faraday und Maxwell, Gauß und Weber, Stephenſon und Beſſemer, Helmholtz und Siemens vollendeten ein Syſtem des realiſtiſchen Wiſſens, wie es die Menſchheit bisher nicht gekannt, ſie ſchufen damit auch praktiſch eine ganz neue Epoche des techniſch-wirtſchaftlichen Lebens. Das Zeitalter der perſön- lichen techniſchen Routine und Meiſterſchaft ging in das der rationellen Bemeiſterung der techniſchen Aufgaben durch vollendete Erkenntnis ihrer Urſachen über. Und an die großen führenden Geiſter, die hauptſächlich 1770—1870 wirkten, ſchloß ſich von 1830—40 an eine ganz andere Art der Verbreitung der techniſchen Kenntniſſe durch die Univerſi- täten, polytechniſchen und Gewerbeſchulen. Noch im 18. Jahrhundert ſpielen Barbiere und Pfarrer, Tauſendkünſtler und gewöhnliche begabte Arbeiter eine große Rolle auf dem Gebiete der techniſchen Neuerungen; heute ſind es nur die wiſſenſchaftlich ſpeciell geſchulten Kräfte, die freilich auch bis in die Werkmeiſter- und Arbeiterwelt hineinreichen. Suchen wir zunächſt mit wenigen Worten eine Anſchauung der techniſchen Revo- lution hervorzurufen, welche mit der Spinn- und Dampfmaſchine und den Coakshochöfen 1768—1800 einſetzt, durch die Kriegszeit und ihre Folgen bis 1830 gehemmt wird, nun mit dem Beginne des Eiſenbahnbaues 1840—60 energiſcher einſetzt, aber doch erſt mit den wirtſchaftlichen Aufſchwungsperioden 1850—73 und 1880—1900 voll durchbricht. Die ganz andere Anwendung der bewegenden Naturkräfte, die Ausbildung der Textil-, Eiſen- und Maſchineninduſtrie ſind die Hauptpunkte, bei denen wir etwas verweilen. Neben der intelligenteſten aber ſchwächſten wirtſchaftlichen Kraft, der des Menſchen, hat man ſeit Jahrtauſenden die tieriſche, ſeit vielen Jahrhunderten die des Windes und des Waſſers, aber bis in unſer Jahrhundert in techniſch ſehr unvollkommener Weiſe, benutzt. Auch das Feuer hat erſt in unſeren Tagen als Kraftquelle ſeine volle Bedeutung erhalten; es hat uns den Dampf geliefert, der in der Dampfmaſchine die wichtigſte neuere mechaniſche Kraft wurde. Ihr geſellte ſich ſeit den letzten 20 Jahren die Elektricität hinzu, welche vielleicht noch größere wirtſchaftliche Veränderungen als der Dampf erzeugen wird. Um die verſchiedenen Kraftquellen vergleichbar zu machen, hat man ſich gewöhnt, ſie auf ſogenannte Pferdekräfte, d. h. Einheiten, zurückzuführen, 14*

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/227>, abgerufen am 25.04.2024.