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Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900.

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Individualität und Gesamtinteresse, Reform und Revolution in der Eigentumsordnung.
die ganze Gesellschaftsverfassung beherrschende Einrichtung wie das Eigentum müsse auf
einen einzigen Gedanken sich historisch oder begrifflich zurückführen lassen. Sie über-
sehen, daß das Wesen des Eigentums sich nur erschöpft in den gesamten vielgestaltigen
socialen und wirtschaftlichen Institutionen, in den gesamten Beziehungen zwischen
Individuum und Staat, in den großen historischen Veränderungen, welche die darauf
bezüglichen Einrichtungen durchgemacht haben und immer wieder durchmachen.

Das private und das öffentliche Eigentum sind entstanden und gewachsen in dem
Maße, wie das Individuum und die gesellschaftlichen Organe sich ausbildeten. Der
Schutz des nach den Anschauungen der Zeit wohlerworbenen Eigentums wurde die Vor-
aussetzung des Friedens in der Gesellschaft, der höheren Gesittung, der komplizierteren
auf Arbeitsteilung und Geldverkehr beruhenden Verfassung. Gewiß konnten die Gerichte
und eine stets unvollkommen bleibende Gesetzgebung nicht jeden unrechten Erwerb
hindern; jeder verjährte Besitz mußte als unangreifbar hingestellt werden, sollte nicht
ein Rückfall in barbarische Roheit eintreten. So konnten immer wieder zeitweise
ungesunde Eigentumsverhältnisse entstehen; und niemals ist auch eine an sich gesunde
Eigentumsverteilung von allen als solche gleichmäßig anerkannt worden. Wo große
Veränderungen der Technik, der gesellschaftlichen Organisation einzelne oder ganze Klassen
emporhoben, andere herabdrückten, entstand immer wieder die Frage, ist das Resultat
der veränderten Eigentumsverteilung ein gutes, ein gerechtes? Wo ungerechte Privilegien
und Vorrechte sich zu lange hielten, blieb auch der Sturm der Revolution nicht aus
und suchte kühn und plötzlich in das bestehende Eigentum einzugreifen und zu bessern.
Meist nicht mit gutem Erfolg für die Bedrückten, häufig nur zu Gunsten weniger.
Jedenfalls nur in ganz rohen und einfachen Zuständen konnten Neuverteilungen des
Bodens z. B. denen zum Segen gereichen, die so ausgestattet wurden. Oft wurden
durch gewaltsame Ausbrüche, durch Beraubungen der Besitzenden, durch Schulderlasse
und Ähnliches die Zustände schlimmer als vorher, wurde durch sie die Kultur des
betreffenden Volkes begraben.

Damit soll nicht behauptet werden, die Widersprüche zwischen Ideal und harter
Wirklichkeit ließen sich immer friedlich lösen. Auch die Eigentumsordnung kommt
zeitweise an Punkte, wo die Friedensdämme brechen, und für die veränderten Strömungen
neue Dämme der Ordnung im Sturm der Revolution gebaut werden müssen. Aber
auch in solchen Stürmen wird der Neubau nur gelingen, wenn ein genialer Diktator
den entfesselten Gewalten Halt gebietet, die neuen Eigentumslinien unter Schonung des
Bestehenden zieht. Besser wird die Reform meist durchgeführt, wenn eine feste monarchische
Gewalt sie in die Hand nimmt, dabei die Pole alles gesellschaftlichen Lebens, Einzel-
und Gesamtinteressen, gleichmäßig und als das wichtigste Ziel das im Auge behält,
daß nicht sowohl die plötzliche Besserung, als die künftig gerechtere Neuordnung der
Eigentumsverteilung anzustreben sei. Keine irdische Gewalt kann jemals direkt eine
ganz gerechte Verteilung herbeiführen, sie erhalten, sie immer von neuem herbeiführen.
Nicht die direkten, sondern die indirekten Wege führen, wie so oft, auch hier zum Ziele.
Die Rechtsordnung muß versittlicht, die Zugänge zum Eigentum, die rechtlich zulässigen
Erwerbsarten müssen so geordnet werden, daß daraus eine bessere Eigentumsverteilung
nach und nach von selbst entsteht. Nicht im Umsturz des bestehenden Rechtes, sondern
in der praktischen, auf das Mögliche gerichteten, an die besseren Triebe der Menschen,
an die bessere Sitte appellierenden, von großen Idealen geleiteten Reformarbeit im
einzelnen liegt das Ziel. Alles vorhandene Eigentum ist dabei heilig zu halten.

6. Die gesellschaftliche Klassenbildung.
Allgemeines: Ferguson, Versuch über die Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft. 1768. --
Bensen, Die Proletarier. 1847. -- A. Widmann, Die Gesetze der socialen Bewegung. 1851. --
Riehl, Die bürgerliche Gesellschaft. 1851 ff. -- Mundt, Geschichte der Gesellschaft. 1856. --
v. Stein, Gesellschaftslehre. 1856. -- Roßbach, Geschichte der Gesellschaft. 8 Bde. 1868--1875. --
H. Spencer, Principien der Sociologie. 4 Bde. Deutsch 1877 ff. -- Schäffle, Bau und Leben

Individualität und Geſamtintereſſe, Reform und Revolution in der Eigentumsordnung.
die ganze Geſellſchaftsverfaſſung beherrſchende Einrichtung wie das Eigentum müſſe auf
einen einzigen Gedanken ſich hiſtoriſch oder begrifflich zurückführen laſſen. Sie über-
ſehen, daß das Weſen des Eigentums ſich nur erſchöpft in den geſamten vielgeſtaltigen
ſocialen und wirtſchaftlichen Inſtitutionen, in den geſamten Beziehungen zwiſchen
Individuum und Staat, in den großen hiſtoriſchen Veränderungen, welche die darauf
bezüglichen Einrichtungen durchgemacht haben und immer wieder durchmachen.

Das private und das öffentliche Eigentum ſind entſtanden und gewachſen in dem
Maße, wie das Individuum und die geſellſchaftlichen Organe ſich ausbildeten. Der
Schutz des nach den Anſchauungen der Zeit wohlerworbenen Eigentums wurde die Vor-
ausſetzung des Friedens in der Geſellſchaft, der höheren Geſittung, der komplizierteren
auf Arbeitsteilung und Geldverkehr beruhenden Verfaſſung. Gewiß konnten die Gerichte
und eine ſtets unvollkommen bleibende Geſetzgebung nicht jeden unrechten Erwerb
hindern; jeder verjährte Beſitz mußte als unangreifbar hingeſtellt werden, ſollte nicht
ein Rückfall in barbariſche Roheit eintreten. So konnten immer wieder zeitweiſe
ungeſunde Eigentumsverhältniſſe entſtehen; und niemals iſt auch eine an ſich geſunde
Eigentumsverteilung von allen als ſolche gleichmäßig anerkannt worden. Wo große
Veränderungen der Technik, der geſellſchaftlichen Organiſation einzelne oder ganze Klaſſen
emporhoben, andere herabdrückten, entſtand immer wieder die Frage, iſt das Reſultat
der veränderten Eigentumsverteilung ein gutes, ein gerechtes? Wo ungerechte Privilegien
und Vorrechte ſich zu lange hielten, blieb auch der Sturm der Revolution nicht aus
und ſuchte kühn und plötzlich in das beſtehende Eigentum einzugreifen und zu beſſern.
Meiſt nicht mit gutem Erfolg für die Bedrückten, häufig nur zu Gunſten weniger.
Jedenfalls nur in ganz rohen und einfachen Zuſtänden konnten Neuverteilungen des
Bodens z. B. denen zum Segen gereichen, die ſo ausgeſtattet wurden. Oft wurden
durch gewaltſame Ausbrüche, durch Beraubungen der Beſitzenden, durch Schulderlaſſe
und Ähnliches die Zuſtände ſchlimmer als vorher, wurde durch ſie die Kultur des
betreffenden Volkes begraben.

Damit ſoll nicht behauptet werden, die Widerſprüche zwiſchen Ideal und harter
Wirklichkeit ließen ſich immer friedlich löſen. Auch die Eigentumsordnung kommt
zeitweiſe an Punkte, wo die Friedensdämme brechen, und für die veränderten Strömungen
neue Dämme der Ordnung im Sturm der Revolution gebaut werden müſſen. Aber
auch in ſolchen Stürmen wird der Neubau nur gelingen, wenn ein genialer Diktator
den entfeſſelten Gewalten Halt gebietet, die neuen Eigentumslinien unter Schonung des
Beſtehenden zieht. Beſſer wird die Reform meiſt durchgeführt, wenn eine feſte monarchiſche
Gewalt ſie in die Hand nimmt, dabei die Pole alles geſellſchaftlichen Lebens, Einzel-
und Geſamtintereſſen, gleichmäßig und als das wichtigſte Ziel das im Auge behält,
daß nicht ſowohl die plötzliche Beſſerung, als die künftig gerechtere Neuordnung der
Eigentumsverteilung anzuſtreben ſei. Keine irdiſche Gewalt kann jemals direkt eine
ganz gerechte Verteilung herbeiführen, ſie erhalten, ſie immer von neuem herbeiführen.
Nicht die direkten, ſondern die indirekten Wege führen, wie ſo oft, auch hier zum Ziele.
Die Rechtsordnung muß verſittlicht, die Zugänge zum Eigentum, die rechtlich zuläſſigen
Erwerbsarten müſſen ſo geordnet werden, daß daraus eine beſſere Eigentumsverteilung
nach und nach von ſelbſt entſteht. Nicht im Umſturz des beſtehenden Rechtes, ſondern
in der praktiſchen, auf das Mögliche gerichteten, an die beſſeren Triebe der Menſchen,
an die beſſere Sitte appellierenden, von großen Idealen geleiteten Reformarbeit im
einzelnen liegt das Ziel. Alles vorhandene Eigentum iſt dabei heilig zu halten.

6. Die geſellſchaftliche Klaſſenbildung.
Allgemeines: Ferguſon, Verſuch über die Geſchichte der bürgerlichen Geſellſchaft. 1768. —
Benſen, Die Proletarier. 1847. — A. Widmann, Die Geſetze der ſocialen Bewegung. 1851. —
Riehl, Die bürgerliche Geſellſchaft. 1851 ff. — Mundt, Geſchichte der Geſellſchaft. 1856. —
v. Stein, Geſellſchaftslehre. 1856. — Roßbach, Geſchichte der Geſellſchaft. 8 Bde. 1868—1875. —
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[391/0407] Individualität und Geſamtintereſſe, Reform und Revolution in der Eigentumsordnung. die ganze Geſellſchaftsverfaſſung beherrſchende Einrichtung wie das Eigentum müſſe auf einen einzigen Gedanken ſich hiſtoriſch oder begrifflich zurückführen laſſen. Sie über- ſehen, daß das Weſen des Eigentums ſich nur erſchöpft in den geſamten vielgeſtaltigen ſocialen und wirtſchaftlichen Inſtitutionen, in den geſamten Beziehungen zwiſchen Individuum und Staat, in den großen hiſtoriſchen Veränderungen, welche die darauf bezüglichen Einrichtungen durchgemacht haben und immer wieder durchmachen. Das private und das öffentliche Eigentum ſind entſtanden und gewachſen in dem Maße, wie das Individuum und die geſellſchaftlichen Organe ſich ausbildeten. Der Schutz des nach den Anſchauungen der Zeit wohlerworbenen Eigentums wurde die Vor- ausſetzung des Friedens in der Geſellſchaft, der höheren Geſittung, der komplizierteren auf Arbeitsteilung und Geldverkehr beruhenden Verfaſſung. Gewiß konnten die Gerichte und eine ſtets unvollkommen bleibende Geſetzgebung nicht jeden unrechten Erwerb hindern; jeder verjährte Beſitz mußte als unangreifbar hingeſtellt werden, ſollte nicht ein Rückfall in barbariſche Roheit eintreten. So konnten immer wieder zeitweiſe ungeſunde Eigentumsverhältniſſe entſtehen; und niemals iſt auch eine an ſich geſunde Eigentumsverteilung von allen als ſolche gleichmäßig anerkannt worden. Wo große Veränderungen der Technik, der geſellſchaftlichen Organiſation einzelne oder ganze Klaſſen emporhoben, andere herabdrückten, entſtand immer wieder die Frage, iſt das Reſultat der veränderten Eigentumsverteilung ein gutes, ein gerechtes? Wo ungerechte Privilegien und Vorrechte ſich zu lange hielten, blieb auch der Sturm der Revolution nicht aus und ſuchte kühn und plötzlich in das beſtehende Eigentum einzugreifen und zu beſſern. Meiſt nicht mit gutem Erfolg für die Bedrückten, häufig nur zu Gunſten weniger. Jedenfalls nur in ganz rohen und einfachen Zuſtänden konnten Neuverteilungen des Bodens z. B. denen zum Segen gereichen, die ſo ausgeſtattet wurden. Oft wurden durch gewaltſame Ausbrüche, durch Beraubungen der Beſitzenden, durch Schulderlaſſe und Ähnliches die Zuſtände ſchlimmer als vorher, wurde durch ſie die Kultur des betreffenden Volkes begraben. Damit ſoll nicht behauptet werden, die Widerſprüche zwiſchen Ideal und harter Wirklichkeit ließen ſich immer friedlich löſen. Auch die Eigentumsordnung kommt zeitweiſe an Punkte, wo die Friedensdämme brechen, und für die veränderten Strömungen neue Dämme der Ordnung im Sturm der Revolution gebaut werden müſſen. Aber auch in ſolchen Stürmen wird der Neubau nur gelingen, wenn ein genialer Diktator den entfeſſelten Gewalten Halt gebietet, die neuen Eigentumslinien unter Schonung des Beſtehenden zieht. Beſſer wird die Reform meiſt durchgeführt, wenn eine feſte monarchiſche Gewalt ſie in die Hand nimmt, dabei die Pole alles geſellſchaftlichen Lebens, Einzel- und Geſamtintereſſen, gleichmäßig und als das wichtigſte Ziel das im Auge behält, daß nicht ſowohl die plötzliche Beſſerung, als die künftig gerechtere Neuordnung der Eigentumsverteilung anzuſtreben ſei. Keine irdiſche Gewalt kann jemals direkt eine ganz gerechte Verteilung herbeiführen, ſie erhalten, ſie immer von neuem herbeiführen. Nicht die direkten, ſondern die indirekten Wege führen, wie ſo oft, auch hier zum Ziele. Die Rechtsordnung muß verſittlicht, die Zugänge zum Eigentum, die rechtlich zuläſſigen Erwerbsarten müſſen ſo geordnet werden, daß daraus eine beſſere Eigentumsverteilung nach und nach von ſelbſt entſteht. Nicht im Umſturz des beſtehenden Rechtes, ſondern in der praktiſchen, auf das Mögliche gerichteten, an die beſſeren Triebe der Menſchen, an die beſſere Sitte appellierenden, von großen Idealen geleiteten Reformarbeit im einzelnen liegt das Ziel. Alles vorhandene Eigentum iſt dabei heilig zu halten. 6. Die geſellſchaftliche Klaſſenbildung. Allgemeines: Ferguſon, Verſuch über die Geſchichte der bürgerlichen Geſellſchaft. 1768. — Benſen, Die Proletarier. 1847. — A. Widmann, Die Geſetze der ſocialen Bewegung. 1851. — Riehl, Die bürgerliche Geſellſchaft. 1851 ff. — Mundt, Geſchichte der Geſellſchaft. 1856. — v. Stein, Geſellſchaftslehre. 1856. — Roßbach, Geſchichte der Geſellſchaft. 8 Bde. 1868—1875. — H. Spencer, Principien der Sociologie. 4 Bde. Deutſch 1877 ff. — Schäffle, Bau und Leben

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Grundriß der Allgemeinen Volkswirtschaftslehre. Bd. 1. Leipzig, 1900, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_grundriss01_1900/407>, abgerufen am 28.03.2024.