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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Person ließ, ohne Ruhm zu melden, dieses meine eif-
rigste Sorge seyn, mich vor allen verdächtigen Ge-
sellschafften zu hüten, modest und mäßig zu leben,
keine nützliche Doctrin zu verabsäumen, und dann
auf meiner Stube dasjenige fleißig zu wiederhohlen
und zu untersuchen, was in den Collegiis so wohl
publice als privatim war vorgetragen worden. Es
gelückte mir in eine solche Compagnie zu gerathen,
welche gemeiniglich alle Woche ein oder zweymahl
Zusammenkunfft hielt, worbey ein jeder ein Speci-
men
seines Fleisses und Judicii aufzeigen mußte.
welches denn aufs genaueste erwogen, und von den
andern nach Befinden bescheidentlich gelobet, oder
carpirt wurde. Es ist fast nicht zu glauben, was
mir dieses feine Exercitium vor gantz ungemeinen
Nutzen schaffte, denn vermittelst dessen, brachte ich
binnen 3. Jahren, einen solchen starcken Vorrath
von gelehrten Sachen in meinen Kopf, und darzu
gemachte Bücher, als wohl ohne dieses in 6. oder
mehr Jahren nicht geschehen wäre. Nach Verlauff
selbiger Zeit aber, konte um so viel desto hertzhaff-
ter auf der Cantzel erscheinen, und da sich sehr öff-
tere Gelegenheit zum predigen vor mich zeigte', so
hatte dabey das Glück, wenigstens von den meisten
Leuten nicht ungern gehöret zu werden. Jedoch ei-
nem weltberühmten Theologo zu Gefallen, und
denselben persönlich zu hören, begab ich mich von der
ersten hinweg, und auf eine andere Universität, all-
wo binnen drittehalb jähriger Anwesenheit, meine
Zeit dermassen wohl anzuwenden Gelegenheit fand,
daß mich selbige, bis diese Stunde, nicht im gering-
sten gereuen zu lassen Ursach habe. Jn der Michaelis

Messe

Perſon ließ, ohne Ruhm zu melden, dieſes meine eif-
rigſte Sorge ſeyn, mich vor allen verdaͤchtigen Ge-
ſellſchafften zu huͤten, modeſt und maͤßig zu leben,
keine nuͤtzliche Doctrin zu verabſaͤumen, und dann
auf meiner Stube dasjenige fleißig zu wiederhohlen
und zu unterſuchen, was in den Collegiis ſo wohl
publice als privatim war vorgetragen worden. Es
geluͤckte mir in eine ſolche Compagnie zu gerathen,
welche gemeiniglich alle Woche ein oder zweymahl
Zuſammenkunfft hielt, worbey ein jeder ein Speci-
men
ſeines Fleiſſes und Judicii aufzeigen mußte.
welches denn aufs genaueſte erwogen, und von den
andern nach Befinden beſcheidentlich gelobet, oder
carpirt wurde. Es iſt faſt nicht zu glauben, was
mir dieſes feine Exercitium vor gantz ungemeinen
Nutzen ſchaffte, denn vermittelſt deſſen, brachte ich
binnen 3. Jahren, einen ſolchen ſtarcken Vorrath
von gelehrten Sachen in meinen Kopf, und darzu
gemachte Buͤcher, als wohl ohne dieſes in 6. oder
mehr Jahren nicht geſchehen waͤre. Nach Verlauff
ſelbiger Zeit aber, konte um ſo viel deſto hertzhaff-
ter auf der Cantzel erſcheinen, und da ſich ſehr oͤff-
tere Gelegenheit zum predigen vor mich zeigte’, ſo
hatte dabey das Gluͤck, wenigſtens von den meiſten
Leuten nicht ungern gehoͤret zu werden. Jedoch ei-
nem weltberuͤhmten Theologo zu Gefallen, und
denſelben perſoͤnlich zu hoͤren, begab ich mich von der
erſten hinweg, und auf eine andere Univerſitaͤt, all-
wo binnen drittehalb jaͤhriger Anweſenheit, meine
Zeit dermaſſen wohl anzuwenden Gelegenheit fand,
daß mich ſelbige, bis dieſe Stunde, nicht im gering-
ſten gereuen zu laſſen Urſach habe. Jn der Michaelis

Meſſe
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[38/0052] Perſon ließ, ohne Ruhm zu melden, dieſes meine eif- rigſte Sorge ſeyn, mich vor allen verdaͤchtigen Ge- ſellſchafften zu huͤten, modeſt und maͤßig zu leben, keine nuͤtzliche Doctrin zu verabſaͤumen, und dann auf meiner Stube dasjenige fleißig zu wiederhohlen und zu unterſuchen, was in den Collegiis ſo wohl publice als privatim war vorgetragen worden. Es geluͤckte mir in eine ſolche Compagnie zu gerathen, welche gemeiniglich alle Woche ein oder zweymahl Zuſammenkunfft hielt, worbey ein jeder ein Speci- men ſeines Fleiſſes und Judicii aufzeigen mußte. welches denn aufs genaueſte erwogen, und von den andern nach Befinden beſcheidentlich gelobet, oder carpirt wurde. Es iſt faſt nicht zu glauben, was mir dieſes feine Exercitium vor gantz ungemeinen Nutzen ſchaffte, denn vermittelſt deſſen, brachte ich binnen 3. Jahren, einen ſolchen ſtarcken Vorrath von gelehrten Sachen in meinen Kopf, und darzu gemachte Buͤcher, als wohl ohne dieſes in 6. oder mehr Jahren nicht geſchehen waͤre. Nach Verlauff ſelbiger Zeit aber, konte um ſo viel deſto hertzhaff- ter auf der Cantzel erſcheinen, und da ſich ſehr oͤff- tere Gelegenheit zum predigen vor mich zeigte’, ſo hatte dabey das Gluͤck, wenigſtens von den meiſten Leuten nicht ungern gehoͤret zu werden. Jedoch ei- nem weltberuͤhmten Theologo zu Gefallen, und denſelben perſoͤnlich zu hoͤren, begab ich mich von der erſten hinweg, und auf eine andere Univerſitaͤt, all- wo binnen drittehalb jaͤhriger Anweſenheit, meine Zeit dermaſſen wohl anzuwenden Gelegenheit fand, daß mich ſelbige, bis dieſe Stunde, nicht im gering- ſten gereuen zu laſſen Urſach habe. Jn der Michaelis Meſſe

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/52>, abgerufen am 18.04.2024.