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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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hätte, etwas von den aufgesetzten Speisen zu ge-
niessen. Ob ich nun gleich etwas von denselben
genoß, so blieb doch beständig in tieffen Gedan-
cken über diese Avanture, konte nicht schlüßig wer-
den, ob, wie oder was ich antworten solte, legte
mich endlich zur Ruhe, da aber um Mitternachts-
Zeit mein kleiner Mohr sehr vest eingeschlaffen zu
seyn, allerhand Zeichen von sich gab, stund ich wie-
der auf, und fassete, ebenfals in Holländischer
Sprache, folgendes Antworts-Schreiben ab:

Madame!

Vor Dero besondere Gnade und Gütig-
keit, die sie an mir Elenden erstlich ohne
mein Wissen, nachhero aber durch sichere
Merckmahle erwiesen, schätze ich mich ver-
bunden, ihnen mit meinem Blute zu die-
nen, werde auch selbige biß auf die letzte
Minute meines Lebens mit danckbarem
Hertzen zu erkennen bemühet seyn. Wolte
der Himmel, daß es Jhnen möglich wäre,
mich in Freyheit zu setzen, und mir das un-
gemeine Vergnügen zu verschaffen, nur eine
kurtze Zeit mündlich mit Jhnen zu sprechen,
so solte mir nach genommener Abrede, viel-
leicht nicht unmöglich fallen, Sie und mich
in völlige Freyheit und in unser Vater-Laud
zu versetzen, denn ich habe einige, nicht so
gar sehr ungereimte Mittel darzu auserson-
nen, welche aber erstlich mit Jhnen überle-
gen müste. Dero werthesten Zeilen zu ver-
brennen, ist mir unmöglch, weil sie der
eintzige Trost in meinem Jammer-Stande

sind,
III. Theil. (H)

haͤtte, etwas von den aufgeſetzten Speiſen zu ge-
nieſſen. Ob ich nun gleich etwas von denſelben
genoß, ſo blieb doch beſtaͤndig in tieffen Gedan-
cken uͤber dieſe Avanture, konte nicht ſchluͤßig wer-
den, ob, wie oder was ich antworten ſolte, legte
mich endlich zur Ruhe, da aber um Mitternachts-
Zeit mein kleiner Mohr ſehr veſt eingeſchlaffen zu
ſeyn, allerhand Zeichen von ſich gab, ſtund ich wie-
der auf, und faſſete, ebenfals in Hollaͤndiſcher
Sprache, folgendes Antworts-Schreiben ab:

Madame!

Vor Dero beſondere Gnade und Guͤtig-
keit, die ſie an mir Elenden erſtlich ohne
mein Wiſſen, nachhero aber durch ſichere
Merckmahle erwieſen, ſchaͤtze ich mich ver-
bunden, ihnen mit meinem Blute zu die-
nen, werde auch ſelbige biß auf die letzte
Minute meines Lebens mit danckbarem
Hertzen zu erkennen bemuͤhet ſeyn. Wolte
der Himmel, daß es Jhnen moͤglich waͤre,
mich in Freyheit zu ſetzen, und mir das un-
gemeine Vergnuͤgen zu verſchaffen, nur eine
kurtze Zeit muͤndlich mit Jhnen zu ſprechen,
ſo ſolte mir nach genommener Abrede, viel-
leicht nicht unmoͤglich fallen, Sie und mich
in voͤllige Freyheit und in unſer Vater-Laud
zu verſetzen, denn ich habe einige, nicht ſo
gar ſehr ungereimte Mittel darzu auserſon-
nen, welche aber erſtlich mit Jhnen uͤberle-
gen muͤſte. Dero wertheſten Zeilen zu ver-
brennen, iſt mir unmoͤglch, weil ſie der
eintzige Troſt in meinem Jammer-Stande

ſind,
III. Theil. (H)
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[113/0121] haͤtte, etwas von den aufgeſetzten Speiſen zu ge- nieſſen. Ob ich nun gleich etwas von denſelben genoß, ſo blieb doch beſtaͤndig in tieffen Gedan- cken uͤber dieſe Avanture, konte nicht ſchluͤßig wer- den, ob, wie oder was ich antworten ſolte, legte mich endlich zur Ruhe, da aber um Mitternachts- Zeit mein kleiner Mohr ſehr veſt eingeſchlaffen zu ſeyn, allerhand Zeichen von ſich gab, ſtund ich wie- der auf, und faſſete, ebenfals in Hollaͤndiſcher Sprache, folgendes Antworts-Schreiben ab: Madame! Vor Dero beſondere Gnade und Guͤtig- keit, die ſie an mir Elenden erſtlich ohne mein Wiſſen, nachhero aber durch ſichere Merckmahle erwieſen, ſchaͤtze ich mich ver- bunden, ihnen mit meinem Blute zu die- nen, werde auch ſelbige biß auf die letzte Minute meines Lebens mit danckbarem Hertzen zu erkennen bemuͤhet ſeyn. Wolte der Himmel, daß es Jhnen moͤglich waͤre, mich in Freyheit zu ſetzen, und mir das un- gemeine Vergnuͤgen zu verſchaffen, nur eine kurtze Zeit muͤndlich mit Jhnen zu ſprechen, ſo ſolte mir nach genommener Abrede, viel- leicht nicht unmoͤglich fallen, Sie und mich in voͤllige Freyheit und in unſer Vater-Laud zu verſetzen, denn ich habe einige, nicht ſo gar ſehr ungereimte Mittel darzu auserſon- nen, welche aber erſtlich mit Jhnen uͤberle- gen muͤſte. Dero wertheſten Zeilen zu ver- brennen, iſt mir unmoͤglch, weil ſie der eintzige Troſt in meinem Jammer-Stande ſind, III. Theil. (H)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/121>, abgerufen am 29.03.2024.