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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

Es empfiehlt sich übrigens aus praktischen Erwägungen, weil behufs
der Expropriation der immerhin schwierige Beweis der Schutzwaldeigen-
schaft geliefert werden muss, soweit als möglich eine gütliche Einigung
der Interessenten herbeizuführen oder, was vorzuziehen ist, unter ge-
schickter Benutzung der Verhältnisse die betreffenden Waldflächen käuf-
lich für den Staat zu erwerben, ein Gesichtspunkt, welcher für einen grossen
Teil der Waldankäufe in den östlichen Provinzen Preussens massgebend ist.

Mit Rücksicht auf die Wasserstandsfrage ist auch eine inter-
nationale
Regelung der Schutzwaldverhältnisse, wenigstens soweit
sie die Quellgebiete der verschiedene Staaten berührenden Flüsse be-
treffen, angeregt worden, und der internationale land- und forstwirt-
schaftliche Kongress zu Wien 1873 hat auch diese Frage erörtert.

Diese Angelegenheit ist jedoch einerseits wegen der Schwierigkeit
(ungleiches Recht, verschiedene Bedürfnisse, Finanzlage) aussichtslos
und hat anderseits auch nach den früheren Erörterungen über den
Einfluss des Waldes auf den Wasserstand der Flüsse überhaupt keine
praktische Bedeutung.

2. Kapitel. Die Beaufsichtigung der Privatforstwirtschaft.

§ 1. Geschichtliches und Allgemeines. Die geschichtliche Betrach-
tung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur Privatforstwirtschaft zeigt,
dass das Mass der Beschränkung der letzteren zeitlich und örtlich un-
gemein gewechselt hat.

Während des Mittelalters besass der kleine Privatwaldbesitz ver-
hältnismässig untergeordnete Bedeutung, die mächtigen Landsassen da-
gegen wussten sich im grossen und ganzen der Einwirkung von seiten
der Landesherren auf ihre Forstwirtschaft erfolgreich zu entziehen,
soweit nicht die Eigenschaft des Bannwaldes aus jagdlichen Rück-
sichten oder die Versorgung von Bergwerken eine Änderung bedingten.

Dieses Verhältnis hat im wesentlichen bis zur neueren Forst-
gesetzgebung fortgedauert und ist teilweise auch in dieser wieder zum
Ausdruck gelangt (Hessen). 1)


1) In Hessen unterscheidet man noch gegenwärtig Privatwaldungen I. und
II. Klasse. Privatwaldungen I. Klasse sind solche, für welche die Eigentümer eigene
mit den gehörigen Forstkenntnissen ausgestattete Forstökonomie-Offizianten aufge-
stellt haben. Alle übrigen Privatwaldungen, für welche keine besonderen Forst-
ökonomie-Offizianten aufgestellt sind, heissen Privatwaldungen II. Klasse. Zu
ersteren gehören im wesentlichen die standesherrlichen Waldungen, ferner die in
Hessen gelegenen Waldungen ausländischer Gemeinden, welche von ausländischen
Oberförstern verwaltet werden. Die Privatwaldungen geniessen hinsichtlich der
Forstpolizei nach mehrfachen Richtungen eine bevorzugte Stellung. So ist ihnen
z. B. gestattet, ihre Forstschutzbeamten selbst anzustellen (Verordn. v. 16. I. 1811).
In den provisorischen Forstämtern Lauterbach und Schlitz, sowie in den meisten
standesherrlichen Waldungen üben die standesherrlichen Forstmeister die Funktionen
der grossherzoglichen Forstämter für diese Waldungen (Ges. v. 18. VII. 1850).
B. Zweiter (spezieller) Teil.

Es empfiehlt sich übrigens aus praktischen Erwägungen, weil behufs
der Expropriation der immerhin schwierige Beweis der Schutzwaldeigen-
schaft geliefert werden muſs, soweit als möglich eine gütliche Einigung
der Interessenten herbeizuführen oder, was vorzuziehen ist, unter ge-
schickter Benutzung der Verhältnisse die betreffenden Waldflächen käuf-
lich für den Staat zu erwerben, ein Gesichtspunkt, welcher für einen groſsen
Teil der Waldankäufe in den östlichen Provinzen Preuſsens maſsgebend ist.

Mit Rücksicht auf die Wasserstandsfrage ist auch eine inter-
nationale
Regelung der Schutzwaldverhältnisse, wenigstens soweit
sie die Quellgebiete der verschiedene Staaten berührenden Flüsse be-
treffen, angeregt worden, und der internationale land- und forstwirt-
schaftliche Kongreſs zu Wien 1873 hat auch diese Frage erörtert.

Diese Angelegenheit ist jedoch einerseits wegen der Schwierigkeit
(ungleiches Recht, verschiedene Bedürfnisse, Finanzlage) aussichtslos
und hat anderseits auch nach den früheren Erörterungen über den
Einfluſs des Waldes auf den Wasserstand der Flüsse überhaupt keine
praktische Bedeutung.

2. Kapitel. Die Beaufsichtigung der Privatforstwirtschaft.

§ 1. Geschichtliches und Allgemeines. Die geschichtliche Betrach-
tung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur Privatforstwirtschaft zeigt,
daſs das Maſs der Beschränkung der letzteren zeitlich und örtlich un-
gemein gewechselt hat.

Während des Mittelalters besaſs der kleine Privatwaldbesitz ver-
hältnismäſsig untergeordnete Bedeutung, die mächtigen Landsassen da-
gegen wuſsten sich im groſsen und ganzen der Einwirkung von seiten
der Landesherren auf ihre Forstwirtschaft erfolgreich zu entziehen,
soweit nicht die Eigenschaft des Bannwaldes aus jagdlichen Rück-
sichten oder die Versorgung von Bergwerken eine Änderung bedingten.

Dieses Verhältnis hat im wesentlichen bis zur neueren Forst-
gesetzgebung fortgedauert und ist teilweise auch in dieser wieder zum
Ausdruck gelangt (Hessen). 1)


1) In Hessen unterscheidet man noch gegenwärtig Privatwaldungen I. und
II. Klasse. Privatwaldungen I. Klasse sind solche, für welche die Eigentümer eigene
mit den gehörigen Forstkenntnissen ausgestattete Forstökonomie-Offizianten aufge-
stellt haben. Alle übrigen Privatwaldungen, für welche keine besonderen Forst-
ökonomie-Offizianten aufgestellt sind, heiſsen Privatwaldungen II. Klasse. Zu
ersteren gehören im wesentlichen die standesherrlichen Waldungen, ferner die in
Hessen gelegenen Waldungen ausländischer Gemeinden, welche von ausländischen
Oberförstern verwaltet werden. Die Privatwaldungen genieſsen hinsichtlich der
Forstpolizei nach mehrfachen Richtungen eine bevorzugte Stellung. So ist ihnen
z. B. gestattet, ihre Forstschutzbeamten selbst anzustellen (Verordn. v. 16. I. 1811).
In den provisorischen Forstämtern Lauterbach und Schlitz, sowie in den meisten
standesherrlichen Waldungen üben die standesherrlichen Forstmeister die Funktionen
der groſsherzoglichen Forstämter für diese Waldungen (Ges. v. 18. VII. 1850).
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[240/0258] B. Zweiter (spezieller) Teil. Es empfiehlt sich übrigens aus praktischen Erwägungen, weil behufs der Expropriation der immerhin schwierige Beweis der Schutzwaldeigen- schaft geliefert werden muſs, soweit als möglich eine gütliche Einigung der Interessenten herbeizuführen oder, was vorzuziehen ist, unter ge- schickter Benutzung der Verhältnisse die betreffenden Waldflächen käuf- lich für den Staat zu erwerben, ein Gesichtspunkt, welcher für einen groſsen Teil der Waldankäufe in den östlichen Provinzen Preuſsens maſsgebend ist. Mit Rücksicht auf die Wasserstandsfrage ist auch eine inter- nationale Regelung der Schutzwaldverhältnisse, wenigstens soweit sie die Quellgebiete der verschiedene Staaten berührenden Flüsse be- treffen, angeregt worden, und der internationale land- und forstwirt- schaftliche Kongreſs zu Wien 1873 hat auch diese Frage erörtert. Diese Angelegenheit ist jedoch einerseits wegen der Schwierigkeit (ungleiches Recht, verschiedene Bedürfnisse, Finanzlage) aussichtslos und hat anderseits auch nach den früheren Erörterungen über den Einfluſs des Waldes auf den Wasserstand der Flüsse überhaupt keine praktische Bedeutung. 2. Kapitel. Die Beaufsichtigung der Privatforstwirtschaft. § 1. Geschichtliches und Allgemeines. Die geschichtliche Betrach- tung des Verhältnisses der Staatsgewalt zur Privatforstwirtschaft zeigt, daſs das Maſs der Beschränkung der letzteren zeitlich und örtlich un- gemein gewechselt hat. Während des Mittelalters besaſs der kleine Privatwaldbesitz ver- hältnismäſsig untergeordnete Bedeutung, die mächtigen Landsassen da- gegen wuſsten sich im groſsen und ganzen der Einwirkung von seiten der Landesherren auf ihre Forstwirtschaft erfolgreich zu entziehen, soweit nicht die Eigenschaft des Bannwaldes aus jagdlichen Rück- sichten oder die Versorgung von Bergwerken eine Änderung bedingten. Dieses Verhältnis hat im wesentlichen bis zur neueren Forst- gesetzgebung fortgedauert und ist teilweise auch in dieser wieder zum Ausdruck gelangt (Hessen). 1) 1) In Hessen unterscheidet man noch gegenwärtig Privatwaldungen I. und II. Klasse. Privatwaldungen I. Klasse sind solche, für welche die Eigentümer eigene mit den gehörigen Forstkenntnissen ausgestattete Forstökonomie-Offizianten aufge- stellt haben. Alle übrigen Privatwaldungen, für welche keine besonderen Forst- ökonomie-Offizianten aufgestellt sind, heiſsen Privatwaldungen II. Klasse. Zu ersteren gehören im wesentlichen die standesherrlichen Waldungen, ferner die in Hessen gelegenen Waldungen ausländischer Gemeinden, welche von ausländischen Oberförstern verwaltet werden. Die Privatwaldungen genieſsen hinsichtlich der Forstpolizei nach mehrfachen Richtungen eine bevorzugte Stellung. So ist ihnen z. B. gestattet, ihre Forstschutzbeamten selbst anzustellen (Verordn. v. 16. I. 1811). In den provisorischen Forstämtern Lauterbach und Schlitz, sowie in den meisten standesherrlichen Waldungen üben die standesherrlichen Forstmeister die Funktionen der groſsherzoglichen Forstämter für diese Waldungen (Ges. v. 18. VII. 1850).

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/258>, abgerufen am 29.03.2024.