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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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Labyrinthfische eine ziemlich grosse; aber es sind fast ausschliesslich die Arten der genannten Gattung, welche als beliebte Speise von den Eingebornen zu Tausenden gefangen und verzehrt werden. Ihr Fang nun wird in Luzon ganz anders betrieben, als in Mindanao. Während der trocknen Jahreszeit versiegen auf Luzon zahlreiche kleinere Bäche, und die Sümpfe und Reisfelder trocknen aus, in denen jene Fische lebten.--Diese ziehen sich in die wenigen Seen zurück, aber zum grössten Theile wohl bohren sie sich tiefer in den Schlamm des Bodens ein, wo sie nun bis zum Anfang der nassen Jahreszeit durch eine harte sie bedeckende Erdkruste gegen die Nachstellungen der Menschen geschützt, im Winterschlaf versunken zubringen. Thatsache ist es, dass während dieser Zeit nur sehr geringe Mengen des "dalag"--so heisst dieser Fisch auf den Philippinen--auf den Markt von Manila kommen. Wenn aber dann nach den ersten heftigen Regentagen im Monat Mai die harte Erde sich zu erweichen beginnt, und der Regen die Reisfelder wieder mit frischem Wasser zu füllen anfängt, so brechen jetzt die im Schlamme vorsteckten Fische hervor und tummeln sich in grosser Menge in den Pfützen und auf den nassen Feldern im Schlamme umher. Dann auch scheint die Zeit des Laichens und des Auskriechens der Jungen gekommen zu sein, denn zahllose Mengen werden nun von den Fischern oder den Landbauern, welche ihre Reisfelder bestellen wollen, gefangen und zu Markte gebracht. Letztere schlagen die Fische einfach mit Knitteln todt; denn ihre Zahl in den Reisfeldern ist so gross, und das Wasser so seicht, dass die Bewohner hier, statt sie mit Netzen zu fangen, nur auf's Geradewohl in den Sumpf hineinzuschlagen brauchen. Es gibt eine tagalische Redensart, etwa unserem "blind darauf losschlagen" zu vergleichen, die von diesem eigenthümlichen Fang des dalag hergenommen ist (magpapalo maudin naun dalag d. h. schlagen wie auf einen dalag). Es ist vor Allem die grosse Centralebene Luzon's, in welcher alljährlich Hunderttausende auf solche Weise gefangen werden. Ganz anders wird der Fang in Mindanao im Sumpfgebiet des Agusan betrieben. Die Zahl der in diesem Gebiete lebenden Christen ist eine sehr geringe; die ziemlich zahlreichen Manobo's und Mandayas haben ihre Wohnsitze rund um das Sumpfgebiet herum und treiben keine eigentliche Felderwirthschaft, wie es die christlichen

Labyrinthfische eine ziemlich grosse; aber es sind fast ausschliesslich die Arten der genannten Gattung, welche als beliebte Speise von den Eingebornen zu Tausenden gefangen und verzehrt werden. Ihr Fang nun wird in Luzon ganz anders betrieben, als in Mindanao. Während der trocknen Jahreszeit versiegen auf Luzon zahlreiche kleinere Bäche, und die Sümpfe und Reisfelder trocknen aus, in denen jene Fische lebten.—Diese ziehen sich in die wenigen Seen zurück, aber zum grössten Theile wohl bohren sie sich tiefer in den Schlamm des Bodens ein, wo sie nun bis zum Anfang der nassen Jahreszeit durch eine harte sie bedeckende Erdkruste gegen die Nachstellungen der Menschen geschützt, im Winterschlaf versunken zubringen. Thatsache ist es, dass während dieser Zeit nur sehr geringe Mengen des “dalag”—so heisst dieser Fisch auf den Philippinen—auf den Markt von Manila kommen. Wenn aber dann nach den ersten heftigen Regentagen im Monat Mai die harte Erde sich zu erweichen beginnt, und der Regen die Reisfelder wieder mit frischem Wasser zu füllen anfängt, so brechen jetzt die im Schlamme vorsteckten Fische hervor und tummeln sich in grosser Menge in den Pfützen und auf den nassen Feldern im Schlamme umher. Dann auch scheint die Zeit des Laichens und des Auskriechens der Jungen gekommen zu sein, denn zahllose Mengen werden nun von den Fischern oder den Landbauern, welche ihre Reisfelder bestellen wollen, gefangen und zu Markte gebracht. Letztere schlagen die Fische einfach mit Knitteln todt; denn ihre Zahl in den Reisfeldern ist so gross, und das Wasser so seicht, dass die Bewohner hier, statt sie mit Netzen zu fangen, nur auf’s Geradewohl in den Sumpf hineinzuschlagen brauchen. Es gibt eine tagalische Redensart, etwa unserem “blind darauf losschlagen” zu vergleichen, die von diesem eigenthümlichen Fang des dalag hergenommen ist (magpapalo maudin naun dalag d. h. schlagen wie auf einen dalag). Es ist vor Allem die grosse Centralebene Luzon’s, in welcher alljährlich Hunderttausende auf solche Weise gefangen werden. Ganz anders wird der Fang in Mindanao im Sumpfgebiet des Agusan betrieben. Die Zahl der in diesem Gebiete lebenden Christen ist eine sehr geringe; die ziemlich zahlreichen Manobo’s und Mandayas haben ihre Wohnsitze rund um das Sumpfgebiet herum und treiben keine eigentliche Felderwirthschaft, wie es die christlichen

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                     tummeln sich in grosser Menge in den Pfützen und auf den nassen Feldern im
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                     den Landbauern, welche ihre Reisfelder bestellen wollen, gefangen und zu Markte
                     gebracht. Letztere schlagen die Fische einfach mit Knitteln todt; denn ihre Zahl
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[49/0049] Labyrinthfische eine ziemlich grosse; aber es sind fast ausschliesslich die Arten der genannten Gattung, welche als beliebte Speise von den Eingebornen zu Tausenden gefangen und verzehrt werden. Ihr Fang nun wird in Luzon ganz anders betrieben, als in Mindanao. Während der trocknen Jahreszeit versiegen auf Luzon zahlreiche kleinere Bäche, und die Sümpfe und Reisfelder trocknen aus, in denen jene Fische lebten.—Diese ziehen sich in die wenigen Seen zurück, aber zum grössten Theile wohl bohren sie sich tiefer in den Schlamm des Bodens ein, wo sie nun bis zum Anfang der nassen Jahreszeit durch eine harte sie bedeckende Erdkruste gegen die Nachstellungen der Menschen geschützt, im Winterschlaf versunken zubringen. Thatsache ist es, dass während dieser Zeit nur sehr geringe Mengen des “dalag”—so heisst dieser Fisch auf den Philippinen—auf den Markt von Manila kommen. Wenn aber dann nach den ersten heftigen Regentagen im Monat Mai die harte Erde sich zu erweichen beginnt, und der Regen die Reisfelder wieder mit frischem Wasser zu füllen anfängt, so brechen jetzt die im Schlamme vorsteckten Fische hervor und tummeln sich in grosser Menge in den Pfützen und auf den nassen Feldern im Schlamme umher. Dann auch scheint die Zeit des Laichens und des Auskriechens der Jungen gekommen zu sein, denn zahllose Mengen werden nun von den Fischern oder den Landbauern, welche ihre Reisfelder bestellen wollen, gefangen und zu Markte gebracht. Letztere schlagen die Fische einfach mit Knitteln todt; denn ihre Zahl in den Reisfeldern ist so gross, und das Wasser so seicht, dass die Bewohner hier, statt sie mit Netzen zu fangen, nur auf’s Geradewohl in den Sumpf hineinzuschlagen brauchen. Es gibt eine tagalische Redensart, etwa unserem “blind darauf losschlagen” zu vergleichen, die von diesem eigenthümlichen Fang des dalag hergenommen ist (magpapalo maudin naun dalag d. h. schlagen wie auf einen dalag). Es ist vor Allem die grosse Centralebene Luzon’s, in welcher alljährlich Hunderttausende auf solche Weise gefangen werden. Ganz anders wird der Fang in Mindanao im Sumpfgebiet des Agusan betrieben. Die Zahl der in diesem Gebiete lebenden Christen ist eine sehr geringe; die ziemlich zahlreichen Manobo’s und Mandayas haben ihre Wohnsitze rund um das Sumpfgebiet herum und treiben keine eigentliche Felderwirthschaft, wie es die christlichen

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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/49>, abgerufen am 28.03.2024.