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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Von Zürich hierher ist ein hübsches Stück Weges,
und ich schreibe Dir davon so wenig als möglich, weil
alles ziemlich bekannt ist. Einige Freunde begleiteten
mich den 24sten Juny ein Stündchen von Zürich aus,
und schickten mich unter des Himmels Geleite weiter.
Bey Eglisau begrüsste ich das erste Mal den herrlichen
Rhein und ging von da nach Schafhausen, bloss um
den Fall zu sehen. Er hat an Masse freylich weit
mehr als der Velino; aber ich wäre sehr verlegen, wel¬
chen ich die grösste malerische Schönheit zugestehen
sollte. Dort ist die Natur noch grösser als hier und
der Sturz noch weit furchtbarer. Mich däucht, ich
habe gehört, ein Engländer habe versucht den Fall
herunter zu fahren: und ich glaube, die Donquischot¬
terie ist allerdings nicht unmöglich, wenn der Fluss
voll ist. Bey kleinem Wasser würde man unfehlbar
zerschmettert. Nur müsste die Seite von Laufen ge¬
wählt werden; denn die von Schafhausen würde
ziemlich gewisser Tod seyn. Ich sage nicht, dass man
nicht auf der Unternehmung umkommen könne: aber
gesetzt ich würde auf der Seite von Laufen oben ver¬
folgt und sähe keine Ausflucht, so würde ich kein Be¬
denken tragen mich in einem guten Boot den Fall
hinab zu wagen und würde meine Rettung nicht ganz
unwahrscheinlich finden. In der Krone in Schafhau¬
sen war sehr gute Gesellschaft von Kaufleuten, Kom¬
missären und Engländern.

Den 25sten stach ich in das Breisgau herüber.


Von Zürich hierher ist ein hübsches Stück Weges,
und ich schreibe Dir davon so wenig als möglich, weil
alles ziemlich bekannt ist. Einige Freunde begleiteten
mich den 24sten Juny ein Stündchen von Zürich aus,
und schickten mich unter des Himmels Geleite weiter.
Bey Eglisau begrüſste ich das erste Mal den herrlichen
Rhein und ging von da nach Schafhausen, bloſs um
den Fall zu sehen. Er hat an Masse freylich weit
mehr als der Velino; aber ich wäre sehr verlegen, wel¬
chen ich die gröſste malerische Schönheit zugestehen
sollte. Dort ist die Natur noch gröſser als hier und
der Sturz noch weit furchtbarer. Mich däucht, ich
habe gehört, ein Engländer habe versucht den Fall
herunter zu fahren: und ich glaube, die Donquischot¬
terie ist allerdings nicht unmöglich, wenn der Fluſs
voll ist. Bey kleinem Wasser würde man unfehlbar
zerschmettert. Nur müſste die Seite von Laufen ge¬
wählt werden; denn die von Schafhausen würde
ziemlich gewisser Tod seyn. Ich sage nicht, daſs man
nicht auf der Unternehmung umkommen könne: aber
gesetzt ich würde auf der Seite von Laufen oben ver¬
folgt und sähe keine Ausflucht, so würde ich kein Be¬
denken tragen mich in einem guten Boot den Fall
hinab zu wagen und würde meine Rettung nicht ganz
unwahrscheinlich finden. In der Krone in Schafhau¬
sen war sehr gute Gesellschaft von Kaufleuten, Kom¬
missären und Engländern.

Den 25sten stach ich in das Breisgau herüber.

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[[436]/0464] Paris. Von Zürich hierher ist ein hübsches Stück Weges, und ich schreibe Dir davon so wenig als möglich, weil alles ziemlich bekannt ist. Einige Freunde begleiteten mich den 24sten Juny ein Stündchen von Zürich aus, und schickten mich unter des Himmels Geleite weiter. Bey Eglisau begrüſste ich das erste Mal den herrlichen Rhein und ging von da nach Schafhausen, bloſs um den Fall zu sehen. Er hat an Masse freylich weit mehr als der Velino; aber ich wäre sehr verlegen, wel¬ chen ich die gröſste malerische Schönheit zugestehen sollte. Dort ist die Natur noch gröſser als hier und der Sturz noch weit furchtbarer. Mich däucht, ich habe gehört, ein Engländer habe versucht den Fall herunter zu fahren: und ich glaube, die Donquischot¬ terie ist allerdings nicht unmöglich, wenn der Fluſs voll ist. Bey kleinem Wasser würde man unfehlbar zerschmettert. Nur müſste die Seite von Laufen ge¬ wählt werden; denn die von Schafhausen würde ziemlich gewisser Tod seyn. Ich sage nicht, daſs man nicht auf der Unternehmung umkommen könne: aber gesetzt ich würde auf der Seite von Laufen oben ver¬ folgt und sähe keine Ausflucht, so würde ich kein Be¬ denken tragen mich in einem guten Boot den Fall hinab zu wagen und würde meine Rettung nicht ganz unwahrscheinlich finden. In der Krone in Schafhau¬ sen war sehr gute Gesellschaft von Kaufleuten, Kom¬ missären und Engländern. Den 25sten stach ich in das Breisgau herüber.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. [436]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/464>, abgerufen am 29.03.2024.