Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
belohnt, die man auf solchen Reisen ausstehen muß, ver-
ließ ich meine Felsen und richtete meine Rückkehr so ein,
daß ich zwischen den Schneefeldern noch die Pflanzen
untersuchen konnte. Hiebey fand ich denn noch ein schö-
nes Ornithogalum das ich altaicum nenne weil es zu kei-
nen der übrigen paßt. Zwey tschudische Gräber auf dem
Gipfel dieses hohen Berges setzten mich wirklich inn Er-
staunen, wenn ich bedachte, mit welcher Mühe jene gute
Leute eine ungeheure Menge abgerissener Felsentrümmer
zusammengehäuft hatten. Gern hätte ich diesen höchst
wahrscheinlich tschudischen Schamanen, oder Priestern
ihr Bett ein wenig umgerührt, wenn Gehülfe und Ar-
beitszeug genug gegenwärtig gewesen wären. Es ist eine
Gewohnheit bey den asiatischen Nomaden ihre Schama-
nen auf die höchsten Berge zu begraben: daher kam ich
auch auf die Vermuthung daß hier solche Zauberpriester
ruhen müßten. Das Thermometer zeigte übrigens 5°
W. oben und am Fuß des Berges im schattigen Thal
15° zu Mittage.

Jch habe die Ehre u. s. w.
Sechszehnter Brief.

Den 2, 3, 4, 5 und 6ten Aug. Ohne uns nun wei-
ter aufzuhalten, ritten wir auf einem andern ebenern We-
ge wieder nach unserm Zelt zurück. Die vorhin nach
Rhabarber ausgesandten Kirgisen waren zurück gekom-
men, und brachten mir zwar schöne Wurzeln, aber leider

nur
O

aus Sibirien.
belohnt, die man auf ſolchen Reiſen ausſtehen muß, ver-
ließ ich meine Felſen und richtete meine Ruͤckkehr ſo ein,
daß ich zwiſchen den Schneefeldern noch die Pflanzen
unterſuchen konnte. Hiebey fand ich denn noch ein ſchoͤ-
nes Ornithogalum das ich altaicum nenne weil es zu kei-
nen der uͤbrigen paßt. Zwey tſchudiſche Graͤber auf dem
Gipfel dieſes hohen Berges ſetzten mich wirklich iñ Er-
ſtaunen, wenn ich bedachte, mit welcher Muͤhe jene gute
Leute eine ungeheure Menge abgeriſſener Felſentruͤmmer
zuſammengehaͤuft hatten. Gern haͤtte ich dieſen hoͤchſt
wahrſcheinlich tſchudiſchen Schamanen, oder Prieſtern
ihr Bett ein wenig umgeruͤhrt, wenn Gehuͤlfe und Ar-
beitszeug genug gegenwaͤrtig geweſen waͤren. Es iſt eine
Gewohnheit bey den aſiatiſchen Nomaden ihre Schama-
nen auf die hoͤchſten Berge zu begraben: daher kam ich
auch auf die Vermuthung daß hier ſolche Zauberprieſter
ruhen muͤßten. Das Thermometer zeigte uͤbrigens 5°
W. oben und am Fuß des Berges im ſchattigen Thal
15° zu Mittage.

Jch habe die Ehre u. ſ. w.
Sechszehnter Brief.

Den 2, 3, 4, 5 und 6ten Aug. Ohne uns nun wei-
ter aufzuhalten, ritten wir auf einem andern ebenern We-
ge wieder nach unſerm Zelt zuruͤck. Die vorhin nach
Rhabarber ausgeſandten Kirgiſen waren zuruͤck gekom-
men, und brachten mir zwar ſchoͤne Wurzeln, aber leider

nur
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0217" n="209"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
belohnt, die man auf &#x017F;olchen Rei&#x017F;en aus&#x017F;tehen muß, ver-<lb/>
ließ ich meine Fel&#x017F;en und richtete meine Ru&#x0364;ckkehr &#x017F;o ein,<lb/>
daß ich zwi&#x017F;chen den Schneefeldern noch die Pflanzen<lb/>
unter&#x017F;uchen konnte. Hiebey fand ich denn noch ein &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nes Ornithogalum das ich <hi rendition="#aq">altaicum</hi> nenne weil es zu kei-<lb/>
nen der u&#x0364;brigen paßt. Zwey t&#x017F;chudi&#x017F;che Gra&#x0364;ber auf dem<lb/>
Gipfel die&#x017F;es hohen Berges &#x017F;etzten mich wirklich in&#x0303; Er-<lb/>
&#x017F;taunen, wenn ich bedachte, mit welcher Mu&#x0364;he jene gute<lb/>
Leute eine ungeheure Menge abgeri&#x017F;&#x017F;ener Fel&#x017F;entru&#x0364;mmer<lb/>
zu&#x017F;ammengeha&#x0364;uft hatten. Gern ha&#x0364;tte ich die&#x017F;en ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich t&#x017F;chudi&#x017F;chen Schamanen, oder Prie&#x017F;tern<lb/>
ihr Bett ein wenig umgeru&#x0364;hrt, wenn Gehu&#x0364;lfe und Ar-<lb/>
beitszeug genug gegenwa&#x0364;rtig gewe&#x017F;en wa&#x0364;ren. Es i&#x017F;t eine<lb/>
Gewohnheit bey den a&#x017F;iati&#x017F;chen Nomaden ihre Schama-<lb/>
nen auf die ho&#x0364;ch&#x017F;ten Berge zu begraben: daher kam ich<lb/>
auch auf die Vermuthung daß hier &#x017F;olche Zauberprie&#x017F;ter<lb/>
ruhen mu&#x0364;ßten. Das Thermometer zeigte u&#x0364;brigens 5°<lb/>
W. oben und am Fuß des Berges im &#x017F;chattigen Thal<lb/>
15° zu Mittage.</p><lb/>
          <closer>
            <salute>Jch habe die Ehre u. &#x017F;. w.</salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Sechszehnter Brief.</hi> </head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Vom Ballack-T&#x017F;chilleck den 6. Aug.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Den 2, 3, 4, 5 und 6ten Aug. Ohne uns nun wei-<lb/>
ter aufzuhalten, ritten wir auf einem andern ebenern We-<lb/>
ge wieder nach un&#x017F;erm Zelt zuru&#x0364;ck. Die vorhin nach<lb/>
Rhabarber ausge&#x017F;andten Kirgi&#x017F;en waren zuru&#x0364;ck gekom-<lb/>
men, und brachten mir zwar &#x017F;cho&#x0364;ne Wurzeln, aber leider<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch">nur</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0217] aus Sibirien. belohnt, die man auf ſolchen Reiſen ausſtehen muß, ver- ließ ich meine Felſen und richtete meine Ruͤckkehr ſo ein, daß ich zwiſchen den Schneefeldern noch die Pflanzen unterſuchen konnte. Hiebey fand ich denn noch ein ſchoͤ- nes Ornithogalum das ich altaicum nenne weil es zu kei- nen der uͤbrigen paßt. Zwey tſchudiſche Graͤber auf dem Gipfel dieſes hohen Berges ſetzten mich wirklich iñ Er- ſtaunen, wenn ich bedachte, mit welcher Muͤhe jene gute Leute eine ungeheure Menge abgeriſſener Felſentruͤmmer zuſammengehaͤuft hatten. Gern haͤtte ich dieſen hoͤchſt wahrſcheinlich tſchudiſchen Schamanen, oder Prieſtern ihr Bett ein wenig umgeruͤhrt, wenn Gehuͤlfe und Ar- beitszeug genug gegenwaͤrtig geweſen waͤren. Es iſt eine Gewohnheit bey den aſiatiſchen Nomaden ihre Schama- nen auf die hoͤchſten Berge zu begraben: daher kam ich auch auf die Vermuthung daß hier ſolche Zauberprieſter ruhen muͤßten. Das Thermometer zeigte uͤbrigens 5° W. oben und am Fuß des Berges im ſchattigen Thal 15° zu Mittage. Jch habe die Ehre u. ſ. w. Sechszehnter Brief. Vom Ballack-Tſchilleck den 6. Aug. Den 2, 3, 4, 5 und 6ten Aug. Ohne uns nun wei- ter aufzuhalten, ritten wir auf einem andern ebenern We- ge wieder nach unſerm Zelt zuruͤck. Die vorhin nach Rhabarber ausgeſandten Kirgiſen waren zuruͤck gekom- men, und brachten mir zwar ſchoͤne Wurzeln, aber leider nur O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/217
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/217>, abgerufen am 28.03.2024.