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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Notwendigkeit, die wir ebenso vergeblich in diesen Lebenslagen selbst
wie in unserer Subjektivität -- suchen würden; es sind Normen für die
letztere, die sich zwischen uns und den Dingen herstellen, so dass sie,
von der natürlichen Sachlichkeit aus betrachtet, als subjektiv, von dem
Subjekt aus aber als objektiv erscheinen, während sie in Wirklich-
keit eine dritte, aus jenen nicht zusammensetzbare Kategorie bilden.

Die Gegensätze: Subjektivität und dinglich-historische Objek-
tivität -- haben gar nicht das ihnen meistens eingeräumte Recht, alle
Seinsinhalte unter sich aufzuteilen; vielmehr, innerhalb der Grenzen
der Subjektivität begegnen uns solche Vorgänge, die wir durch über-
subjektive und doch nicht räumliche oder sonst "wirkliche" Mächte oder
Normen dirigiert oder wenigstens beansprucht empfinden. Indem sie
sich freilich auf Objekte beziehen, ist es, als ob diese jenseits der
Grenzen ihrer Realität eine ideale Sphäre hätten, die sich zwischen
ihnen und den Subjekten entfaltet, derart, dass beide Parteien zwar
ausserhalb ihrer bleiben, die Beziehung aber, die sie dennoch zwischen
beiden herstellt, auf der Seite der Subjekte sich in der Form einer
Forderung darstellt; nicht die Dinge selbst in ihrem naturgesetzlichen
Fürsichsein erheben diese, aber sie hat darum nicht weniger die Strenge,
Unabhängigkeit und Objektivität einer uns äusseren Macht, die der
fluktuierenden Zufälligkeit des subjektiven Fühlens als eine objektive
Bestimmtheit gegenübersteht -- eine Bestimmtheit ausschliesslich für
unser Fühlen, Wollen, Urteilen, so dass die Gegenstände, an die sie
sich knüpft, nur wie zufällig und äusserlich davon gewissermassen
profitierten, ohne dass damit eine Struktur ihrer selbst bezeichnet wäre.
Damit haben wir sozusagen den geometrischen Ort des objektiven
Wertes bestimmt, dessen übersubjektive Gültigkeit auf diese Weise
durchaus nicht seiner Zusammenhangslosigkeit mit aller sachlichen
Wirklichkeit widerspricht. Das naive Bewusstsein, dem diese Kategorie
fremd ist, stellt jene Übersubjektivität als einen Wert objektiver Reali-
täten vor. Von diesem zurückgebracht, weiss es dem Wert nur die reine
Subjektivität zuzuweisen. Bei genauer Prüfung dessen, was einerseits
unser Gefühl, andrerseits die Struktur der Dinge verlangt, finden wir
diese dritte, nicht aus ursprünglicheren kombinierbare Kategorie, die
aber deshalb nicht eigentliche Erklärung, sondern blosser theoretischer
Ausdruck des Sachverhaltes ist und ihn jedenfalls des Widerspruchs
enthebt, in den der gleichzeitige Anspruch der gewöhnlichen Kategorien
der Subjektivität und Objektivität ihn verwickeln wollte.

Der objektive, d. h. in dem Gegenstand selbst investierte Wert
stellt sich, seiner Form nach, als stabil dar, gegenüber der Labilität
des subjektiven, d. h. in der Schätzung seitens der Persönlichkeiten

Notwendigkeit, die wir ebenso vergeblich in diesen Lebenslagen selbst
wie in unserer Subjektivität — suchen würden; es sind Normen für die
letztere, die sich zwischen uns und den Dingen herstellen, so daſs sie,
von der natürlichen Sachlichkeit aus betrachtet, als subjektiv, von dem
Subjekt aus aber als objektiv erscheinen, während sie in Wirklich-
keit eine dritte, aus jenen nicht zusammensetzbare Kategorie bilden.

Die Gegensätze: Subjektivität und dinglich-historische Objek-
tivität — haben gar nicht das ihnen meistens eingeräumte Recht, alle
Seinsinhalte unter sich aufzuteilen; vielmehr, innerhalb der Grenzen
der Subjektivität begegnen uns solche Vorgänge, die wir durch über-
subjektive und doch nicht räumliche oder sonst „wirkliche“ Mächte oder
Normen dirigiert oder wenigstens beansprucht empfinden. Indem sie
sich freilich auf Objekte beziehen, ist es, als ob diese jenseits der
Grenzen ihrer Realität eine ideale Sphäre hätten, die sich zwischen
ihnen und den Subjekten entfaltet, derart, daſs beide Parteien zwar
auſserhalb ihrer bleiben, die Beziehung aber, die sie dennoch zwischen
beiden herstellt, auf der Seite der Subjekte sich in der Form einer
Forderung darstellt; nicht die Dinge selbst in ihrem naturgesetzlichen
Fürsichsein erheben diese, aber sie hat darum nicht weniger die Strenge,
Unabhängigkeit und Objektivität einer uns äuſseren Macht, die der
fluktuierenden Zufälligkeit des subjektiven Fühlens als eine objektive
Bestimmtheit gegenübersteht — eine Bestimmtheit ausschlieſslich für
unser Fühlen, Wollen, Urteilen, so daſs die Gegenstände, an die sie
sich knüpft, nur wie zufällig und äuſserlich davon gewissermaſsen
profitierten, ohne daſs damit eine Struktur ihrer selbst bezeichnet wäre.
Damit haben wir sozusagen den geometrischen Ort des objektiven
Wertes bestimmt, dessen übersubjektive Gültigkeit auf diese Weise
durchaus nicht seiner Zusammenhangslosigkeit mit aller sachlichen
Wirklichkeit widerspricht. Das naive Bewuſstsein, dem diese Kategorie
fremd ist, stellt jene Übersubjektivität als einen Wert objektiver Reali-
täten vor. Von diesem zurückgebracht, weiſs es dem Wert nur die reine
Subjektivität zuzuweisen. Bei genauer Prüfung dessen, was einerseits
unser Gefühl, andrerseits die Struktur der Dinge verlangt, finden wir
diese dritte, nicht aus ursprünglicheren kombinierbare Kategorie, die
aber deshalb nicht eigentliche Erklärung, sondern bloſser theoretischer
Ausdruck des Sachverhaltes ist und ihn jedenfalls des Widerspruchs
enthebt, in den der gleichzeitige Anspruch der gewöhnlichen Kategorien
der Subjektivität und Objektivität ihn verwickeln wollte.

Der objektive, d. h. in dem Gegenstand selbst investierte Wert
stellt sich, seiner Form nach, als stabil dar, gegenüber der Labilität
des subjektiven, d. h. in der Schätzung seitens der Persönlichkeiten

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[10/0034] Notwendigkeit, die wir ebenso vergeblich in diesen Lebenslagen selbst wie in unserer Subjektivität — suchen würden; es sind Normen für die letztere, die sich zwischen uns und den Dingen herstellen, so daſs sie, von der natürlichen Sachlichkeit aus betrachtet, als subjektiv, von dem Subjekt aus aber als objektiv erscheinen, während sie in Wirklich- keit eine dritte, aus jenen nicht zusammensetzbare Kategorie bilden. Die Gegensätze: Subjektivität und dinglich-historische Objek- tivität — haben gar nicht das ihnen meistens eingeräumte Recht, alle Seinsinhalte unter sich aufzuteilen; vielmehr, innerhalb der Grenzen der Subjektivität begegnen uns solche Vorgänge, die wir durch über- subjektive und doch nicht räumliche oder sonst „wirkliche“ Mächte oder Normen dirigiert oder wenigstens beansprucht empfinden. Indem sie sich freilich auf Objekte beziehen, ist es, als ob diese jenseits der Grenzen ihrer Realität eine ideale Sphäre hätten, die sich zwischen ihnen und den Subjekten entfaltet, derart, daſs beide Parteien zwar auſserhalb ihrer bleiben, die Beziehung aber, die sie dennoch zwischen beiden herstellt, auf der Seite der Subjekte sich in der Form einer Forderung darstellt; nicht die Dinge selbst in ihrem naturgesetzlichen Fürsichsein erheben diese, aber sie hat darum nicht weniger die Strenge, Unabhängigkeit und Objektivität einer uns äuſseren Macht, die der fluktuierenden Zufälligkeit des subjektiven Fühlens als eine objektive Bestimmtheit gegenübersteht — eine Bestimmtheit ausschlieſslich für unser Fühlen, Wollen, Urteilen, so daſs die Gegenstände, an die sie sich knüpft, nur wie zufällig und äuſserlich davon gewissermaſsen profitierten, ohne daſs damit eine Struktur ihrer selbst bezeichnet wäre. Damit haben wir sozusagen den geometrischen Ort des objektiven Wertes bestimmt, dessen übersubjektive Gültigkeit auf diese Weise durchaus nicht seiner Zusammenhangslosigkeit mit aller sachlichen Wirklichkeit widerspricht. Das naive Bewuſstsein, dem diese Kategorie fremd ist, stellt jene Übersubjektivität als einen Wert objektiver Reali- täten vor. Von diesem zurückgebracht, weiſs es dem Wert nur die reine Subjektivität zuzuweisen. Bei genauer Prüfung dessen, was einerseits unser Gefühl, andrerseits die Struktur der Dinge verlangt, finden wir diese dritte, nicht aus ursprünglicheren kombinierbare Kategorie, die aber deshalb nicht eigentliche Erklärung, sondern bloſser theoretischer Ausdruck des Sachverhaltes ist und ihn jedenfalls des Widerspruchs enthebt, in den der gleichzeitige Anspruch der gewöhnlichen Kategorien der Subjektivität und Objektivität ihn verwickeln wollte. Der objektive, d. h. in dem Gegenstand selbst investierte Wert stellt sich, seiner Form nach, als stabil dar, gegenüber der Labilität des subjektiven, d. h. in der Schätzung seitens der Persönlichkeiten

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/34>, abgerufen am 20.04.2024.