Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehntes Kapitel.

Es ist bekanntlich das Schicksal fast jeden guten
Raths, daß er entweder zu spät kommt, oder in dem
Augenblick, wo er gegeben wird, ausgeführt werden
müßte, und nur leider aus diesem oder jenem Grunde
nicht ausgeführt werden kann. So war es auch in
diesem Fall. Der Rath des Doctors war vortreff¬
lich; das sah selbst Oswald ein, um so mehr als er
noch vor ganz kurzer Zeit über seine schiefe und ganz
unhaltbare Situation in dieser hochadligen Familie
nicht viel anders gedacht hatte, als der Doctor. Aber
einen Ausweg aus diesem Labyrinth vermochte er
nicht zu entdecken; wenigstens nicht für den Augen¬
blick. Daß er in der letzten Zeit über seine Liebe zu
Melitta alles Andere vergessen und an eine Verän¬
derung, die ihn sofort von der Geliebten entfernen
mußte, am wenigsten gedacht, ja die Möglichkeit einer
solchen als das größte Unglück angesehen hatte, war

Zehntes Kapitel.

Es iſt bekanntlich das Schickſal faſt jeden guten
Raths, daß er entweder zu ſpät kommt, oder in dem
Augenblick, wo er gegeben wird, ausgeführt werden
müßte, und nur leider aus dieſem oder jenem Grunde
nicht ausgeführt werden kann. So war es auch in
dieſem Fall. Der Rath des Doctors war vortreff¬
lich; das ſah ſelbſt Oswald ein, um ſo mehr als er
noch vor ganz kurzer Zeit über ſeine ſchiefe und ganz
unhaltbare Situation in dieſer hochadligen Familie
nicht viel anders gedacht hatte, als der Doctor. Aber
einen Ausweg aus dieſem Labyrinth vermochte er
nicht zu entdecken; wenigſtens nicht für den Augen¬
blick. Daß er in der letzten Zeit über ſeine Liebe zu
Melitta alles Andere vergeſſen und an eine Verän¬
derung, die ihn ſofort von der Geliebten entfernen
mußte, am wenigſten gedacht, ja die Möglichkeit einer
ſolchen als das größte Unglück angeſehen hatte, war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0180" n="[170]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Zehntes Kapitel.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es i&#x017F;t bekanntlich das Schick&#x017F;al fa&#x017F;t jeden guten<lb/>
Raths, daß er entweder zu &#x017F;pät kommt, oder in dem<lb/>
Augenblick, wo er gegeben wird, ausgeführt werden<lb/>
müßte, und nur leider aus die&#x017F;em oder jenem Grunde<lb/>
nicht ausgeführt werden kann. So war es auch in<lb/>
die&#x017F;em Fall. Der Rath des Doctors war vortreff¬<lb/>
lich; das &#x017F;ah &#x017F;elb&#x017F;t Oswald ein, um &#x017F;o mehr als er<lb/>
noch vor ganz kurzer Zeit über &#x017F;eine &#x017F;chiefe und ganz<lb/>
unhaltbare Situation in die&#x017F;er hochadligen Familie<lb/>
nicht viel anders gedacht hatte, als der Doctor. Aber<lb/>
einen Ausweg aus die&#x017F;em Labyrinth vermochte er<lb/>
nicht zu entdecken; wenig&#x017F;tens nicht für den Augen¬<lb/>
blick. Daß er in der letzten Zeit über &#x017F;eine Liebe zu<lb/>
Melitta alles Andere verge&#x017F;&#x017F;en und an eine Verän¬<lb/>
derung, die ihn &#x017F;ofort von der Geliebten entfernen<lb/>
mußte, am wenig&#x017F;ten gedacht, ja die Möglichkeit einer<lb/>
&#x017F;olchen als das größte Unglück ange&#x017F;ehen hatte, war<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[170]/0180] Zehntes Kapitel. Es iſt bekanntlich das Schickſal faſt jeden guten Raths, daß er entweder zu ſpät kommt, oder in dem Augenblick, wo er gegeben wird, ausgeführt werden müßte, und nur leider aus dieſem oder jenem Grunde nicht ausgeführt werden kann. So war es auch in dieſem Fall. Der Rath des Doctors war vortreff¬ lich; das ſah ſelbſt Oswald ein, um ſo mehr als er noch vor ganz kurzer Zeit über ſeine ſchiefe und ganz unhaltbare Situation in dieſer hochadligen Familie nicht viel anders gedacht hatte, als der Doctor. Aber einen Ausweg aus dieſem Labyrinth vermochte er nicht zu entdecken; wenigſtens nicht für den Augen¬ blick. Daß er in der letzten Zeit über ſeine Liebe zu Melitta alles Andere vergeſſen und an eine Verän¬ derung, die ihn ſofort von der Geliebten entfernen mußte, am wenigſten gedacht, ja die Möglichkeit einer ſolchen als das größte Unglück angeſehen hatte, war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/180
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 3. Berlin, 1861, S. [170]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische03_1861/180>, abgerufen am 28.03.2024.