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Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796.

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oft besuchen, und nur dann angenehm sind, wenn
sie mit ihm spielen. Wenn er in der Gesellschaft
der Kinder ist, so duldet er standhaft jede Necke-
rei, aber wenn Große ihn beleidigen, so ahndet
er's immer nachdrücklich.

Noch lebt er, noch wallt er hienieden in die-
sem Jammerthale, aber seine Gesundheit welkt
mächtig, bald wird sein Geist sich des Wahnsinns
Fesseln entledigen, und froh hinüber zum ewigen
Lohne eilen, der ihm hier nicht werden konnte,
weil irdische Freude nicht Ersatz für sein schreckli-
ches Leiden gewesen wäre.



Karoline G -- von H --.


Wie ich vor zehn Jahren über Land reißte, eben
in einem Walde einen hohen Berg hinan fuhr, er-
blickte ich neben meinem Wagen eine alte Frau,
welche unter einer großen Holzbürde gebückt ein-
her schlich, und mit vielem Keuchen den Berg zu
erklettern suchte. Das Alter ist mir allemal ehr-
würdig, erregt aber mein ganzes Mitleid, wenn
es kummervoll einher schleicht, und am Ende seiner
Tage noch die wenige Lebenskraft durch harte Ar-
beit verschwenden muß. Ich stieg aus, trat zu
ihr, als sie eben ruhte und wieder Athem zu ge-

oft beſuchen, und nur dann angenehm ſind, wenn
ſie mit ihm ſpielen. Wenn er in der Geſellſchaft
der Kinder iſt, ſo duldet er ſtandhaft jede Necke-
rei, aber wenn Große ihn beleidigen, ſo ahndet
er's immer nachdruͤcklich.

Noch lebt er, noch wallt er hienieden in die-
ſem Jammerthale, aber ſeine Geſundheit welkt
maͤchtig, bald wird ſein Geiſt ſich des Wahnſinns
Feſſeln entledigen, und froh hinuͤber zum ewigen
Lohne eilen, der ihm hier nicht werden konnte,
weil irdiſche Freude nicht Erſatz fuͤr ſein ſchreckli-
ches Leiden geweſen waͤre.



Karoline G — von H —.


Wie ich vor zehn Jahren uͤber Land reißte, eben
in einem Walde einen hohen Berg hinan fuhr, er-
blickte ich neben meinem Wagen eine alte Frau,
welche unter einer großen Holzbuͤrde gebuͤckt ein-
her ſchlich, und mit vielem Keuchen den Berg zu
erklettern ſuchte. Das Alter iſt mir allemal ehr-
wuͤrdig, erregt aber mein ganzes Mitleid, wenn
es kummervoll einher ſchleicht, und am Ende ſeiner
Tage noch die wenige Lebenskraft durch harte Ar-
beit verſchwenden muß. Ich ſtieg aus, trat zu
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[155/0169] oft beſuchen, und nur dann angenehm ſind, wenn ſie mit ihm ſpielen. Wenn er in der Geſellſchaft der Kinder iſt, ſo duldet er ſtandhaft jede Necke- rei, aber wenn Große ihn beleidigen, ſo ahndet er's immer nachdruͤcklich. Noch lebt er, noch wallt er hienieden in die- ſem Jammerthale, aber ſeine Geſundheit welkt maͤchtig, bald wird ſein Geiſt ſich des Wahnſinns Feſſeln entledigen, und froh hinuͤber zum ewigen Lohne eilen, der ihm hier nicht werden konnte, weil irdiſche Freude nicht Erſatz fuͤr ſein ſchreckli- ches Leiden geweſen waͤre. Karoline G — von H —. Wie ich vor zehn Jahren uͤber Land reißte, eben in einem Walde einen hohen Berg hinan fuhr, er- blickte ich neben meinem Wagen eine alte Frau, welche unter einer großen Holzbuͤrde gebuͤckt ein- her ſchlich, und mit vielem Keuchen den Berg zu erklettern ſuchte. Das Alter iſt mir allemal ehr- wuͤrdig, erregt aber mein ganzes Mitleid, wenn es kummervoll einher ſchleicht, und am Ende ſeiner Tage noch die wenige Lebenskraft durch harte Ar- beit verſchwenden muß. Ich ſtieg aus, trat zu ihr, als ſie eben ruhte und wieder Athem zu ge-

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Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 1. Leipzig, 1796, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien01_1796/169>, abgerufen am 29.03.2024.