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Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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zum Besuch hierher führen. Er versteht ein wenig mehr als was zum bloßen Handwerk gehört, und pflegt auch in seinen Mußestunden allerlei Blättchen mit Wasserfarben anzufertigen. Ein paar Zeichnungen des Knaben, die ich ihm zeigte, erregten seine Theilnahme, und so dauerte es nicht bis in den dritten Tag, daß die Beiden die dicksten Freunde waren. Jeden Abend haben sie hier am Tisch gesessen, zu zeichnen und zu pinseln, und da mein Bruder dem Jungen einen Theil seiner Farben zum Geschenk machte, so setzte dieser das Geschäft nach dessen Abreise fort. Seitdem war nichts mit ihm anzufangen, und endlich erklärte er rund heraus, er wolle Maler werden. Sie können sich den Lärm denken; der Vater, der außer ihm nur eine verheiratete Tochter hat, hatte sich immer der starken Gliedmaßen seines Sohnes gerühmt. Nun wurde er confirmirt und sollte mit an die Feldarbeit; aber er wollte nicht. Manches Mal hat der Alte ihn mit der Peitsche drüben aus dem Walde geholt, wo er irgend einen schönen Baum zu Papier brachte, und ihm seinen Zeichenkram vor der Nase entzwei gerissen. Aber es half Alles nichts; ich redete vergebens zum Frieden; der Junge mit seinen Knochen sollte Bauer werden, der Alte wollte nicht für Fremde so viele Acker Haide urbar gemacht haben. Endlich, vorgestern Nachmittag beim Heufahren, wurde dem Faß der Boden ausgestoßen. Der arme Bursche vergaß unsers Hergotts Gebote und sprang in die Trinkgrube; zum Glück waren seines Vaters Leute

zum Besuch hierher führen. Er versteht ein wenig mehr als was zum bloßen Handwerk gehört, und pflegt auch in seinen Mußestunden allerlei Blättchen mit Wasserfarben anzufertigen. Ein paar Zeichnungen des Knaben, die ich ihm zeigte, erregten seine Theilnahme, und so dauerte es nicht bis in den dritten Tag, daß die Beiden die dicksten Freunde waren. Jeden Abend haben sie hier am Tisch gesessen, zu zeichnen und zu pinseln, und da mein Bruder dem Jungen einen Theil seiner Farben zum Geschenk machte, so setzte dieser das Geschäft nach dessen Abreise fort. Seitdem war nichts mit ihm anzufangen, und endlich erklärte er rund heraus, er wolle Maler werden. Sie können sich den Lärm denken; der Vater, der außer ihm nur eine verheiratete Tochter hat, hatte sich immer der starken Gliedmaßen seines Sohnes gerühmt. Nun wurde er confirmirt und sollte mit an die Feldarbeit; aber er wollte nicht. Manches Mal hat der Alte ihn mit der Peitsche drüben aus dem Walde geholt, wo er irgend einen schönen Baum zu Papier brachte, und ihm seinen Zeichenkram vor der Nase entzwei gerissen. Aber es half Alles nichts; ich redete vergebens zum Frieden; der Junge mit seinen Knochen sollte Bauer werden, der Alte wollte nicht für Fremde so viele Acker Haide urbar gemacht haben. Endlich, vorgestern Nachmittag beim Heufahren, wurde dem Faß der Boden ausgestoßen. Der arme Bursche vergaß unsers Hergotts Gebote und sprang in die Trinkgrube; zum Glück waren seines Vaters Leute

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:17:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:17:45Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/38>, abgerufen am 29.03.2024.