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Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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die kleine Aquarellskizze. -- Und doch, sage ich dir, ist die Zeit nicht fern, daß meine Augen eben so an seinen Blättern haften werden; denn er ist einer von Jenen, nach deren Tode man noch die Papierschnitzel aus dem Kehricht sammelt, auf welchen ihre Hand einmal gekritzelt hat.

Mein Freund war aufgestanden und stützte sich mit beiden Händen auf den vor uns stehenden Gartentisch; auch in seinen Augen blitzte es jetzt von Liebe und Begeisterung.

Doch, fuhr er fort, damals war er noch ein Bauerbursche und konnte sich nicht satt staunen an meinem Machwerk. -- Was soll ich dir das lange noch erzählen! Als ich ihm Alles, was ich beabsichtigte und was ich Tags zuvor mit seinem Vater verhandelt, mitgetheilt hatte, da habe ich ihn wie einen Trunkenen heimgeführt; denn wir gingen gradeswegs zum alten Werner. Und nachdem ich diesem noch einmal eine Stunde lang tüchtig Stand gehalten, war endlich Alles, so wie ich es wünschte, abgemacht.

Mein alter Schulmeister staunte nicht schlecht, als ich nach dem Frühstück Farben und Palette auspackte und nun mit beiden Beinen als ein fix und fertiger Maler vor ihn hinsprang; und gar als er von der Bekehrung seines Widersachers hörte. Da käme ich ja auch wohl wieder zu Ehren! rief er lachend. -- Und wirklich, die Versöhnung der beiden langjährigen Nachbarn war denn noch die Krone meines Werkes. Frei-

die kleine Aquarellskizze. — Und doch, sage ich dir, ist die Zeit nicht fern, daß meine Augen eben so an seinen Blättern haften werden; denn er ist einer von Jenen, nach deren Tode man noch die Papierschnitzel aus dem Kehricht sammelt, auf welchen ihre Hand einmal gekritzelt hat.

Mein Freund war aufgestanden und stützte sich mit beiden Händen auf den vor uns stehenden Gartentisch; auch in seinen Augen blitzte es jetzt von Liebe und Begeisterung.

Doch, fuhr er fort, damals war er noch ein Bauerbursche und konnte sich nicht satt staunen an meinem Machwerk. — Was soll ich dir das lange noch erzählen! Als ich ihm Alles, was ich beabsichtigte und was ich Tags zuvor mit seinem Vater verhandelt, mitgetheilt hatte, da habe ich ihn wie einen Trunkenen heimgeführt; denn wir gingen gradeswegs zum alten Werner. Und nachdem ich diesem noch einmal eine Stunde lang tüchtig Stand gehalten, war endlich Alles, so wie ich es wünschte, abgemacht.

Mein alter Schulmeister staunte nicht schlecht, als ich nach dem Frühstück Farben und Palette auspackte und nun mit beiden Beinen als ein fix und fertiger Maler vor ihn hinsprang; und gar als er von der Bekehrung seines Widersachers hörte. Da käme ich ja auch wohl wieder zu Ehren! rief er lachend. — Und wirklich, die Versöhnung der beiden langjährigen Nachbarn war denn noch die Krone meines Werkes. Frei-

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[0047] die kleine Aquarellskizze. — Und doch, sage ich dir, ist die Zeit nicht fern, daß meine Augen eben so an seinen Blättern haften werden; denn er ist einer von Jenen, nach deren Tode man noch die Papierschnitzel aus dem Kehricht sammelt, auf welchen ihre Hand einmal gekritzelt hat. Mein Freund war aufgestanden und stützte sich mit beiden Händen auf den vor uns stehenden Gartentisch; auch in seinen Augen blitzte es jetzt von Liebe und Begeisterung. Doch, fuhr er fort, damals war er noch ein Bauerbursche und konnte sich nicht satt staunen an meinem Machwerk. — Was soll ich dir das lange noch erzählen! Als ich ihm Alles, was ich beabsichtigte und was ich Tags zuvor mit seinem Vater verhandelt, mitgetheilt hatte, da habe ich ihn wie einen Trunkenen heimgeführt; denn wir gingen gradeswegs zum alten Werner. Und nachdem ich diesem noch einmal eine Stunde lang tüchtig Stand gehalten, war endlich Alles, so wie ich es wünschte, abgemacht. Mein alter Schulmeister staunte nicht schlecht, als ich nach dem Frühstück Farben und Palette auspackte und nun mit beiden Beinen als ein fix und fertiger Maler vor ihn hinsprang; und gar als er von der Bekehrung seines Widersachers hörte. Da käme ich ja auch wohl wieder zu Ehren! rief er lachend. — Und wirklich, die Versöhnung der beiden langjährigen Nachbarn war denn noch die Krone meines Werkes. Frei-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:17:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:17:45Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Eine Malerarbeit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 257–304. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_malerarbeit_1910/47>, abgerufen am 24.04.2024.